38. Systeme der sozialen Sicherung sollen eine gesetzliche Grundlage haben und soweit notwendig gestärkt und erweitert werden, um Menschen, die keine Arbeit finden, Menschen, die aufgrund von Krankheit, Behinderungen, Alter oder Schwangerschaft nicht arbeiten können oder die für Kinder und kranke oder ältere Verwandte sorgen, Familien, die einen Verdiener durch Tod oder die Trennung der Ehepartner verloren haben, und Menschen, die ihren Lebensunterhalt durch Naturkatastrophen oder interne Gewalt, Kriege oder erzwungene Vertreibung verloren haben, vor Armut zu schützen. Angemessene Aufmerksamkeit soll den von der HIV/Aids-Pandemie betroffenen Menschen gewidmet werden. Hierzu ist es unter anderem erforderlich,
a) Programme für Bedürftige, Programme zur Gewährleistung eines Mindestschutzes für alle sowie Sozialversicherungsprogramme zu stärken und zu erweitern, wobei die Wahl der Programme von den finanziellen und administrativen Kapazitäten der einzelnen Länder abhängt;
b) soweit erforderlich eine Strategie zur schrittweisen Ausweitung sozialer Sicherungsprogramme zu entwickeln, die nach einem Zeitplan und zu Bedingungen, die dem einzelstaatlichen Kontext angepaßt sind, allen Menschen soziale Sicherheit gewähren;
c) sicherzustellen, daß im Zuge einer wirtschaftlichen Umstrukturierung geschaffene soziale Netze als flankierende Maßnahmen betrachtet werden, die die allgemeinen Maßnahmen zur Verringerung der Armut und zur Erhöhung der produktiven Beschäftigung ergänzen. Die Sicherheitsnetze, die von ihrem Wesen her kurzfristig ausgelegt sind, müssen in Armut lebende Menschen schützen und ihnen helfen, eine produktive Beschäftigung zu finden;
d) soziale Sicherungs- und Unterstützungsprogramme so zu gestalten, daß sie den Menschen helfen, so umfassend und schnell wie möglich eigenständig zu werden, den Familien helfen und sie schützen, alle von der Wirtschaftstätigkeit Ausgeschlossenen wieder in diese eingliedern und die soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung der Schutzbedürftigen verhindern;
e) verschiedene Methoden zu sondieren, um Einnahmen zur Stärkung von Programmen der sozialen Sicherung zu erwirtschaften, und Bemühungen des Privatsektors und freiwilliger Wohlfahrtsverbände zur Gewährung sozialer Sicherung und Unterstützung zu fördern;
f) innovative Bemühungen von Selbsthilfeorganisationen, Berufsverbänden und anderen Organisationen der bürgerlichen Gesellschaft auf diesem Gebiet zu fördern;
g) die Programme der sozialen Sicherung zu erweitern und zu stärken, um die arbeitende Bevölkerung, einschließlich der selbständig Tätigen und ihrer Familien, vor dem Risiko der Verarmung zu schützen, durch Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf möglichst viele, durch die rasche Gewährung von Leistungen und durch Anspruchsfortgeltung bei Arbeitsplatzwechsel;
h) durch entsprechende Vorschriften sicherzustellen, daß durch Beiträge finanzierte soziale Sicherungspläne effizient und transparent sind, damit die Beiträge der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und des Staates und die angesammelten Mittel von den Versicherungsnehmern überwacht werden können;
i) bei der Durchführung von Strukturanpassungsprogrammen ein angemessenes soziales Netz zu gewährleisten;
j) sicherzustellen, daß soziale Sicherungs- und soziale Unterstützungsprogramme den Bedürfnissen von Frauen entsprechen und besonders die vielfältigen Rollen und Belange von Frauen berücksichtigen, insbesondere die Wiedereingliederung von Frauen in das Erwerbsleben nach Zeiten der Nichterwerbstätigkeit, die Unterstützung älterer Frauen und die Förderung der Anerkennung der vielfältigen Rollen und Verantwortlichkeiten der Frauen.
39. Besondere Anstrengungen sollen unternommen werden, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Hierzu ist es erforderlich,
a) die Stabilität der Familie zu fördern und die Familie bei der Gewährung von gegenseitigem Beistand zu unterstützen, so auch in bezug auf die Fürsorge für Kinder und deren Erziehung;
b) soziale Unterstützungsmaßnahmen zu fördern, namentlich eine gute Kinderbetreuung und Arbeitsbedingungen, die es beiden Eltern ermöglichen, Elternschaft und Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren;
c) Familienorganisationen und -zusammenschlüsse zu unterstützen und sie in Gemeinwesenaktivitäten einzubeziehen;
d) durch die erforderlichen gesetzlichen, administrativen, sozialen und pädagogischen Maßnahmen die Rechte des Kindes zu schützen und zu fördern, unter besonderer Berücksichtigung der Mädchen;
e) die Lage von Kindern in besonders schwierigen Verhältnissen zu verbessern, namentlich von Kindern in Gebieten, in denen bewaffnete Konflikte herrschen, Kindern, die keine angemessene Unterstützung von ihren Familien erhalten, Straßenkindern in den Städten, ausgesetzten Kindern, behinderten Kindern, drogensüchtigen Kindern, von Krieg oder Naturkatastrophen und anthropogenen Katastrophen betroffenen Kindern, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, arbeitenden Kindern sowie wirtschaftlich und sexuell ausgebeuteten oder mißbrauchten Kindern, namentlich Opfern des Kinderhandels, und ihre Rechte zu schützen; sicherzustellen, daß sie Zugang zu Nahrungsmitteln, Wohnraum, Bildung und Gesundheitsfürsorge haben und vor Mißbrauch und Gewalt geschützt sind und die notwendige soziale und psychologische Unterstützung für eine gesunde Wiedereingliederung in die Gesellschaft und für die Familienzusammenführung im Einklang mit der Konvention über die Rechte des Kindes erhalten; und ferner sicherzustellen, daß Kinderarbeit durch Schulunterricht ersetzt wird;
f) Programme für in Armut lebende Jugendliche zu entwickeln und auszubauen, um ihre wirtschaftlichen, bildungsmäßigen, sozialen und kulturellen Chancen zu verbessern, konstruktive soziale Beziehungen zwischen ihnen zu fördern und ihnen Beziehungen außerhalb ihrer Gemeinwesen zu vermitteln, um den Teufelskreis der von Generation zu Generation weitervererbten Armut zu durchbrechen;
g) sich der besonderen Bedürfnisse von autochthonen Kindern und ihren Familien anzunehmen, insbesondere soweit diese in armen Gebieten leben, und sie in die Lage zu versetzen, aus Programmen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Nutzen zu ziehen, unter voller Achtung ihrer Kulturen, Sprachen und Traditionen;
h) die Lage der alleinerziehenden Eltern in der Gesellschaft zu verbessern und sicherzustellen, daß Alleinerzieherfamilien und Haushalte, denen Frauen vorstehen oder in denen Frauen für den Unterhalt sorgen, die von ihnen benötigte soziale Unterstützung erhalten, insbesondere Unterstützung bei der Suche nach angemessenem Wohnraum und Kinderbetreuung.
40. Besondere Anstrengungen sollen unternommen werden, um ältere Menschen, insbesondere Behinderte, zu schützen. Hierzu ist es notwendig,
a) die Systeme des gegenseitigen Beistands durch die Familie zu stärken;
b) die Situation von älteren Menschen zu verbessern, insbesondere soweit es ihnen an angemessenem Beistand durch die Familie mangelt, namentlich auch die Situation der auf dem Lande lebenden älteren Menschen, der erwerbstätigen älteren Menschen, der von bewaffneten Konflikten und Naturkatastrophen oder anthropogenen Katastrophen betroffenen älteren Menschen und derjenigen, die ausgebeutet, körperlich oder seelisch vernachlässigt oder mißbraucht werden;
c) sicherzustellen, daß ältere Menschen durch einen entsprechenden Zugang zu sozialen Diensten und zu sozialer Sicherheit ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, daß bedürftigen älteren Menschen Hilfe gewährt wird und daß ältere Menschen vor Mißbrauch und Gewalt geschützt werden und als Bereicherung und nicht als Last betrachtet werden;
d) Großeltern zu helfen, die die Verantwortung für Kinder haben übernehmen müssen, insbesondere anstelle von Eltern, die unter schweren Krankheiten, wie Aids oder Lepra, leiden oder anderen, die nicht für ihre Unterhaltsberechtigten sorgen können;
e) ein finanzielles Umfeld zu schaffen, das die Menschen dazu ermutigt, für ihr Alter zu sparen;
f) Maßnahmen und Mechanismen zu stärken, die sicherstellen, daß Arbeiternehmer im Ruhestand nicht verarmen, unter Berücksichtigung des Beitrags, den sie zur Entwicklung ihres Landes geleistet haben;
g) die Beteiligung aller Generationen an der Erarbeitung von Politiken und Programmen und ihre Mitwirkung in Entscheidungsgremien auf allen Ebenen zu fördern und zu unterstützen.
41. Die Menschen und Gemeinwesen sollen vor Verarmung und langfristiger Vertreibung und Ausgrenzung aufgrund von Katastrophen geschützt werden. Hierzu gilt es, auf nationaler oder internationaler Ebene je nach Bedarf folgende Maßnahmen zu treffen:
a) wirksame Mechanismen zu schaffen, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen, wie Dürren, Erdbeben, Wirbelstürmen und Überschwemmungen, zu mindern und ihre Folgen zu mildern;
b) langfristige Strategien und Eventualfallpläne für den wirksamen Katastrophenschutz bei Naturkatastrophen und zum Schutz vor Hungersnöten zu entwickeln, insbesondere Frühwarnung, Bewertung, Informationsverbreitung und Katastrophenbewältigung, sowie Schnelleingreifstrategien, die den raschen Übergang von Notstandshilfe zur Normalisierung und Entwicklung gewährleisten;
c) flankierende Mechanismen zur Bündelung staatlicher, zwischenstaatlicher und nichtstaatlicher Maßnahmen zu entwickeln, so etwa durch die Schaffung von einzelstaatlichen Freiwilligenkorps zur Unterstützung der humanitären Nothilfetätigkeit der Vereinten Nationen, sowie Mechanismen zur Förderung eines reibungslosen Übergangs von der Nothilfe zur Normalisierung, zum Wiederaufbau und zur Entwicklung im Einklang mit den Resolutionen 46/182 und 49/139 B der Generalversammlung;
d) Nahrungsmittelnotreserven auf- und auszubauen, um akute Nahrungsmittelengpässe zu vermeiden und die Preise zu stabilisieren, mit Einrichtungen für die Lagerung, den Transport und die Verteilung von Nahrungsmitteln in Notsituationen, unter voller Nutzung der traditionellen Verfahren und der Marktmechanismen;
e) in katastrophenanfälligen Gebieten und in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen der Gemeinwesen agronomische Verfahren für den Dürre- und Überschwemmungsschutz sowie Programme zur Ressourcenerhaltung und zum Infrastrukturaufbau zu entwickeln, gegebenenfalls unter Einsatz von Brot-für-Arbeit-Programmen, unter Einbeziehung traditioneller Katastrophenschutzverfahren, die in Katastrophensituationen rasch zu Notstandsprogrammen für Beschäftigung und Wiederaufbau ausgebaut werden können;
f) die erforderlichen Planungs- und Versorgungsmechanismen zu schaffen, die ein rasches und wirksames Eingreifen in Katastrophensituationen ermöglichen, um den Opfern, insbesondere Frauen und Kindern, Nahrungsmittel, psychologische und soziale Hilfe, Medikamente, medizinische und andere Hilfsgüter zur Verfügung zu stellen und zu gewährleisten, daß die Hilfe auch tatsächlich denen zugute kommt, die sie benötigen; und die Katastrophenhilfe so zu lenken und zu organisieren, daß die lokale Wirtschaft wiederhergestellt wird und Maßnahmen zum Schutz der Ressourcen und zur Förderung der Entwicklung unterstützt werden;
g) die regionale und internationale Hilfe, einschließlich seitens des Systems der Vereinten Nationen, und die Hilfe der nichtstaatlichen Organisationen zu mobilisieren und zu koordinieren, um die Maßnahmen der Regierungen und Gemeinwesen, die mit Katastrophensituationen konfrontiert sind, zu unterstützen;
h) durch die Entwicklung von Frühwarnsystemen die Anfälligkeit für Naturkatastrophen zu vermindern.
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