Vorwort
des Untergeneralsekretärs für interne Aufsichtsdienste
Dies ist der zweite umfassende Bericht über die Tätigkeit des
Amtes für interne Aufsichtsdienste (aiad) und der erste, der ein
gesamtes Jahr abdeckt, nämlich den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis
30. Juni 1996. Das Amt besteht seit nunmehr etwa 20 Monaten, was im Vergleich
zum vergangenen Jahr eine fundiertere Beurteilung seiner Arbeitsmethoden
und seiner Wirkung zuläßt.
Ich bin der Meinung, daß das Amt die in Resolution 48/218 B der
Generalversammlung festgeschriebenen Erwartungen alles in allem mittlerweile
recht gut erfüllt, obgleich sich die Knappheit der uns zur Verfügung
stehenden Ressourcen nach wie vor hinderlich auswirkt und wir auch weiterhin
auf gewisse Akzeptanzprobleme innerhalb der Organisation stoßen.
Im Zweijahreshaushalt 1996-1997 wurde das Amt als vorrangiger Aufgabenbereich
anerkannt und konnte eine mäßige, aber dennoch bedeutsame Erhöhung
seiner Stellen und Mittel erreichen. Aufgrund der zweiten Haushaltskürzungsrunde,
die mit dem Beschluß der Generalversammlung vom 23. Dezember 1995
verfügt worden war und von der sich das aiad nicht ausschließen
konnte, waren wir leider nicht in der Lage, die meisten dieser Posten
rasch zu besetzen, und für die Dauer dieses Zweijahreszeitraums werden
wir uns damit abfinden müssen, daß zahlreiche Stellen unbesetzt
bleiben. Nichtsdestoweniger haben wir zwischenzeitlich die Sektion Disziplinaruntersuchungen
ausgebaut, die bei mir in der Stellenbesetzung höchste Priorität
genießt. Um für die Vereinten Nationen wirksame Aufsichtsdienste
bei allen ihren weltweiten Tätigkeiten erbringen zu können,
werden wir die Reisemittel des Amtes erheblich aufstocken müssen,
und ich werde außerdem für den Haushalt 1998-1999 zusätzliche
Mittel für die Rechnungsprüfungs- und die Disziplinaruntersuchungsfunktion
beantragen.
Anfang 1996 begann das aiad, seine eigenen Verwaltungsfunktionen aufzubauen.
Ein Posten des Höheren Dienstes (P-4) wurde innerhalb des Amtes für
die Stelle des Verwaltungsreferenten umgewidmet (diese Umwidmung war im
Programmhaushaltsplan für 1996-1997 enthalten); die Einstellung von
Unterstützungspersonal des Allgemeinen Dienstes ist im Gang. Sobald
das Amt seine Verwaltungsfunktionen in vollem Umfang übernommen hat,
werden die dafür nötigen Ressourcen genau überwacht werden.
Unter Umständen werden mit dem Wachstum des Amtes zusätzliche
Ressourcen benötigt werden, insbesondere im Zusammenhang mit der
Reisetätigkeit der mit Rechnungsprüfungen und Disziplinaruntersuchungen
befaßten Bediensteten.
Es ist keine leichte Aufgabe gewesen, dem Amt für interne Aufsichtsdienste
innerhalb der Organisation Akzeptanz als echter Bestandteil der Managementkultur
zu verschaffen, und wahrscheinlich wird dies auch in den kommenden Jahren
eine Herausforderung bleiben.
Wie ich in meinem ersten Bericht festgestellt habe, muß sich eine
Organisation, die jahrzehntelang ohne unabhängige und wirksame interne
Aufsicht ausgekommen ist, erst an offene Kritik gewöhnen, vor allem,
wenn diese in für die Generalversammlung bestimmten Dokumenten geäußert
wird. Führungskräfte, die eine Inspektion als Chance begrüßen,
die Verfahren und Abläufe in ihren Verantwortungsbereichen zu überdenken,
zu hinterfragen und möglicherweise zu verbessern, sind in dieser
Organisation nicht häufiger anzutreffen als anderswo. Häufig
wird eine Rechnungsprüfung oder Evaluierung als ärgerlich oder
zumindest als unerwünschte Belastung angesehen, die zusätzliche
Arbeit bedeutet. Das Amt sah sich während des Berichtszeitraums einigen
Versuchen gegenüber, seine Arbeit zu verzögern, aufzuhalten
oder in Mißkredit zu bringen. Für die Überwindung solcher
Hindernisse sind Geduld und Beharrlichkeit nötig, doch glaube ich
an die Macht der Gewöhnung.
Es war auch zeitaufwendiger und schwieriger als ich anfangs dachte,
zu einem organisationsweiten Einvernehmen in der Frage des Zugangs von
Ermittlern, Rechnungsprüfern, Evaluierern und Inspektoren des aiad
zu Akten und Personal zu gelangen. Die gleichen Schwierigkeiten ergaben
sich bei der Ausarbeitung einer Vereinbarung über die Aufgabenbeschreibung
der Sektion Disziplinaruntersuchungen, eine unabdingbare Voraussetzung
für unsere Bemühungen, transparente Verfahren zu schaffen und
für alle von der Untersuchungstätigkeit des aiad betroffenen
Personen ein ordnungsgemäßes Verfahren zu gewährleisten.
Mit dem Informationsrundschreiben ST/IC/1996/29 vom 25. April 1996 wurden
diese Bemühungen schließlich vollendet.
Während des Berichtszeitraums habe ich selbst beträchtliche
Zeit darauf verwandt, die Rolle des aiad gegenüber den getrennt verwalteten
operativen Fonds und Programmen zu definieren, eine Frage, zu der derzeit
ein Bericht des Generalsekretärs an die Generalversammlung ausgearbeitet
wird. Dies ist ein weiterer großer Schritt in unseren laufenden
Bestrebungen, eine angemessene Aufsicht für die Organisation sicherzustellen.
Ich habe außerdem auf Ersuchen des Generalsekretärs selbst
eine Reihe von Ad-hoc-Managementprüfungen vorgenommen, über
deren Ergebnisse ich ihm direkt berichtet habe. Im Dezember 1995 habe
ich das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge
im Nahen Osten (UNRWA) geprüft, bei dem gerade ein Wechsel des Generalbeauftragten
anstand. Im Mai 1996 habe ich die Einsätze der Vereinten Nationen
in Zagreb, Vukovar und Sarajewo geprüft.
Mein eigenes Programm umfaßte regelmäßige Arbeitswochen
in Genf und Wien, bei denen ich mich auf die unterschiedlichen Tätigkeiten
an diesen Dienstorten konzentrierte, frühere Prüfungserkenntnisse
des aiad weiterverfolgte oder mich mit aktuellen Problemen befaßte.
Für die zweite Hälfte dieses Jahres ist ein ähnlicher Besuch
in Nairobi geplant.
Wie aus diesem Bericht ersichtlich ist, werden bei der Umsetzung der
Empfehlungen des Amtes Fortschritte erzielt. Der systematischere Ansatz
für diesen Teil unserer Arbeit, der durch eine maßgeschneiderte
EDV-Datenbank unterstützt wird, zeitigt erste ermutigende Verbesserungen.
Die Tatsache, daß der Generalsekretär die Empfehlungen des
aiad ausnahmslos unterstützt hat, setzte ein klares Zeichen für
die Organisation.
Das Amt hat seine Bemühungen um Zusammenarbeit und Koordinierung
mit dem Rat der (externen) Rechnungsprüfer und der Gemeinsamen Inspektionsgruppe
fortgesetzt.
Mit dem Rat der Rechnungsprüfer halten wir regelmäßige
Zusammenkünfte zum Zweck des Austauschs von Eindrücken und Erfahrungen
ab; außerdem beabsichtigen wir, unsere künftigen jährlichen
Arbeitspläne abzustimmen, um nach Möglichkeit zu vermeiden,
daß interne und externe Rechnungsprüfungen zu dicht aufeinanderfolgen.
Nebenbei bemerkt war das aiad selbst während dieses Berichtszeitraums
Gegenstand einer gründlichen Prüfung durch den Rat der Rechnungsprüfer.
Wir legten Wert darauf, uns als gute, kooperative Prüfungssubjekte
zu zeigen, und haben tatsächlich großen Nutzen aus der Prüfung
durch unsere Kollegen und aus der Diskussion mit ihnen gezogen.
Was die Gemeinsame Inspektionsgruppe (JIU) betrifft, so bemüht
sich das aiad, konstruktive Anregungen zu geben, wenn die Inspektoren
Vorschläge zu möglichen künftigen JIU-Inspektionsvorhaben
erbitten. Außerdem arbeiten wir mit ihnen bei bestimmten Aufträgen
zusammen, bei denen wir uns mit demselben Prüfungsgegenstand befassen,
bei denen aber unsere unterschiedliche Aufgabenstellung nicht zu Doppelarbeit
führt, sondern vielmehr Synergien erzielt. Die laufende umfassende
Prüfung der Praktiken der Organisation bei der Auslagerung von Aufgabenbereichen,
mit der das Amt von der Generalversammlung beauftragt wurde, ist ein gutes
Beispiel, da die Gemeinsame Inspektionsgruppe ähnliche Praktiken
in den Sonderorganisationen untersuchen kann.
Nach 20 Monaten im Amt betrachte ich die Schaffung des Amtes für
interne Aufsichtsdienste insgesamt als eine der sinnvollsten Initiativen,
die die Generalversammlung im Zusammenhang mit der Reform der Vereinten
Nationen unternommen hat. Die Ergebnisse unserer Arbeit sind Teil dieser
fortlaufenden Reform.
Der Begriff der "Reform" ist, nebenbei bemerkt, zu einem Schlagwort
geworden, das auf der ganzen Welt ertönt, wann immer heutzutage über
öffentliche Verwaltungen diskutiert wird. Während des Gipfeltreffens
anläßlich des fünfzigsten Jahrestags der Vereinten Nationen
forderte die Mehrzahl der führenden Politiker der Welt, daß
die Reform den Vereinten Nationen das Rüstzeug für das nächste
Jahrtausend mitgeben solle. Gibt es unter den Mitgliedstaaten also einen
Konsens über die Reform? Wohl nicht, wenn es um die Details geht,
wenn es sich um eine Neubestimmung der Prioritäten der Weltorganisation
oder um die Rationalisierung und Umgestaltung des Systems der Vereinten
Nationen handelt. Nichtsdestoweniger kann man sicherlich überwältigende
Unterstützung für eine Verwaltungs- und Managementreform des
Sekretariats unterstellen, und das Sekretariat verfolgt auch intensive
Bemühungen mit diesem Ziel, wozu die Effizienzüberprüfung
und der vom Generalsekretär eingerichtete Effizienz-Beirat sowie
verschiedene Projekte zur Straffung mehrerer Hauptabteilungen gehören.
Das Wesen der Aufsichtsfunktion und die mit dieser verbundene Unabhängigkeit
verbieten es dem Amt für interne Aufsichtsdienste, an diesen das
Management betreffenden Aktivitäten direkt mitzuwirken, es wird jedoch
die dabei erzielten Ergebnisse überwachen.
Persönlich glaube ich an Reform als einen andauernden Prozeß,
ein fortwährendes Streben nach Verbesserung, und ich begrüße
daher das in der Organisation zunehmende Bewußtsein der Notwendigkeit
von Veränderungen. Einige der grundlegenden Defizite des aktuellen
Zustands des Managements der Vereinten Nationen, die ich in meinem ersten
umfassenden Bericht (A/50/459 vom 2. Oktober 1995) aufgelistet habe, werden
heute auf breiterer Ebene anerkannt. Einige davon werden wirksam angepackt,
andere bleiben weiterhin problematisch.
Ich bin zuversichtlich, daß die vom Bereich Personalwesen und
-management (OHRM) organisierten laufenden Fortbildungslehrgänge
für Führungspersonal, an denen immer mehr Entscheidungsträger
des Höheren Dienstes teilnehmen, dazu beitragen werden, ein hohes
Maß an Bereitschaft für eine Neukonzeption und Neugestaltung
der Vereinten Nationen mit Blick auf das Jahr 2000 zu schaffen. Der Umstand,
daß inzwischen auch Leiter von Hauptabteilungen an diesen Lehrgängen
teilgenommen haben und daß sich der Generalsekretär in diesem
Bereich - wie ich nachdrücklich empfohlen hatte - persönlich
engagiert hat, stimmt mich optimistisch, was den langfristigen Effekt
des Programms auf die Organisation angeht.
Die Arbeit des Amtes für interne Aufsichtsdienste wird stets darauf
ausgerichtet sein, diese Dynamik zu fördern. Seine Effektivität
und die Wirkung seiner Tätigkeit auf die Vereinten Nationen hängen
jedoch weitgehend davon ab, daß die beschlußfassenden Organe
ein aktives Interesse an ihr entfalten. Das Amt wird nur dann von seinen
"Kunden" im Sekretariat als Abschreckungsfaktor sowie als proaktiver Bestandteil
der Organisation ernst genommen werden, wenn auch die Ergebnisse seiner
Tätigkeit ernst genommen werden und wenn ersichtlich ist, daß
auch sein "Aufsichtsrat", nämlich die Mitgliedstaaten, sie ernst
nehmen.
(gezeichnet)
Karl Th. Paschke
Untergeneralsekretär
für interne Aufsichtsdienste
New York, 31. Juli 1996
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