Bericht des Weltgipfels für soziale Entwicklung: Aktionsprogramm

B. Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitik

52. Die Erleichterung des Zugangs der Menschen zu einer produktiven Beschäftigung in dem sich rasch wandelnden globalen Umfeld und die Schaffung qualitativ besserer Arbeitsplätze erfordert:

a) die Festlegung genau abgesteckter Bildungsprioritäten und wirksame Investitionen in Bildungs- und Ausbildungssysteme;

b) die Schaffung von neuen und neubelebten Partnerschaften zwischen den Bildungsministerien und anderen Ministerien, namentlich auch den Arbeitsministerien, sowie Kommunikationsverbindungen und Partnerschaften zwischen Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen, dem Privatsektor, Ortsgemeinden, religiösen Gruppen und Familien;

c) die Gewährleistung einer breitangelegten Grundbildung und insbesondere der Alphabetisierung und die Förderung der Allgemeinbildung, namentlich auch des analytischen und kritischen Denkens, das für die Verbesserung der Lernfähigkeit unverzichtbar ist. Dies ist die Grundlage für den Erwerb von Fachkenntnissen und für deren rasche Auffrischung, Anpassung und Verbesserung und erleichtert die horizontale und vertikale berufliche Mobilität;

d) die Förderung der aktiven Mitwirkung von jugendlichen und erwachsenen Lernenden an der Gestaltung von Alphabetisierungskampagnen sowie Bildungs- und Ausbildungsprogrammen, um sicherzustellen, daß die Erwerbstätigen und die soziale Realität unterschiedlicher Gruppen dabei berücksichtigt werden;

e) die Förderung des lebenslangen Lernens, um sicherzustellen, daß Bildungs- und Ausbildungsprogramme dem wirtschaftlichen Wandel Rechnung tragen, uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten gestatten, Frauen den Zugang zu Ausbildungsprogrammen gewährleisten, dem öffentlichen und privaten Sektor Anreize geben, Möglichkeiten zur ständigen Weiterbildung anzubieten, und den Arbeitnehmern Anreize geben, sich diese zunutze zu machen, und unternehmerische Fähigkeiten stimulieren;

f) die Förderung und Unterstützung von gut konzipierten und anpassungsfähigen Berufsausbildungs- und Lehrlingsprogrammen, um die Produktivität und die produktive Beschäftigung zu steigern, vermittels technischer Hilfsprogramme, namentlich auch derjenigen des Systems der Vereinten Nationen;

g) die Förderung und Stärkung von Ausbildungsprogrammen für die Beschäftigung der Neuzugänge auf dem Arbeitsmarkt und von Umschulungsprogrammen für Arbeitskräfte, die aus ihrem Arbeitsplatz verdrängt wurden oder Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer gefallen sind;

h) die Schaffung besserer Voraussetzungen für die Verbreitung von Forschungsergebnissen und Wissen durch die Unterstützung des nationalen und internationalen Informationsaustauschs über innovative Modelle und die besten verfügbaren Verfahren;

i) die Entwicklung innovativer Lehr- und Lernmethoden auf dem Gebiet der Berufsbildung und ständigen Weiterbildung, namentlich auch interaktive Technologien und induktive Methoden, die einen engen Bezug zwischen Arbeitserfahrung und Ausbildung herstellen.

53. Um Arbeitnehmern zu helfen, sich anzupassen und ihre Beschäftigungschancen in einem sich wandelnden wirtschaftlichen Umfeld zu verbessern, ist es erforderlich:

a) aktive Beschäftigungspolitiken zu konzipieren, zu entwickeln, anzuwenden, zu analysieren und zu überwachen, die geeignet sind, die Nachfrage nach Arbeitskräften anzuregen und dadurch sicherzustellen, daß die Last der Lohnnebenkosten nicht von der Anstellung von Arbeitskräften abhält, Engpässe oder Überschüsse an Fachkenntnissen zu ermitteln, Berufsberatungs- und allgemeine Beratungsdienste und eine aktive Unterstützung bei der Arbeitssuche bereitzustellen, die freie Arbeitsplatzwahl und die Mobilität zu fördern, den Unternehmern und insbesondere den Kleinunternehmen Beratungsdienste und Unterstützung im Hinblick auf den wirksameren Einsatz und die Entwicklung ihrer Arbeitskräfte anzubieten, und Institutionen und Verfahren einzurichten, die alle Formen der Diskriminierung verhindern und die Beschäftigungschancen von schwachen und benachteiligten Gruppen verbessern;

b) die Beschäftigungschancen von Jugendlichen und Behinderten zu verbessern und mehr Mittel und Wege zu entwickeln, um ihnen beim Erwerb der Kenntnisse behilflich zu sein, die sie benötigen, um einen Arbeitsplatz zu finden;

c) Frauen und Mädchen den Zugang zu traditionell von Männern beherrschten Berufen zu erleichtern;

d) Strategien zu entwickeln, die es ermöglichen, den Bedürfnissen von Menschen Rechnung zu tragen, die verschiedenen atypischen Beschäftigungsformen nachgehen;

e) die Mobilität der Arbeitskräfte, ihre Umschulung und die Gewährleistung einer angemessenen sozialen Sicherung zu fördern, um den Arbeitnehmern bei Auslaufen eines Produktionszweiges oder Schließung eines Unternehmens die Neubeschäftigung zu erleichtern, unter besonderer Berücksichtigung schwacher und benachteiligter Gruppen;

f) durch den Aufbau einer angemessenen Kinderbetreuung, der Betreuung älterer Menschen und anderer Unterstützungsdienste und -einrichtungen die Eingliederung beziehungsweise Wiedereingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern;

g) die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern, um die Einführung neuer Technologien vorzubereiten und so weit wie möglich im voraus Pläne für ihre Beschäftigungseffekte zu erstellen, unter Gewährleistung eines entsprechenden Schutzes und entsprechender Anpassungsmaßnahmen;

h) die im öffentlichen und im privaten Sektor vorhandenen Beschäftigungsdienste zu stärken, um den Arbeitnehmern zu helfen, sich dem Wandel auf dem Arbeitsmarkt anzupassen, und soziale Sicherheitsmechanismen sowie Berufsberatung, Beratung bei der Arbeitssuche, Ausbildung, Stellenvermittlung, Lehre und Informationsaustausch zur Verfügung zu stellen;

i) Informationssysteme über den Arbeitsmarkt auszubauen, insbesondere durch die Aufstellung entsprechender Daten und Indikatoren betreffend Beschäftigung, Unterbeschäftigung, Arbeitslosigkeit und Einkommen sowie durch die Verbreitung von Informationen über die Arbeitsmärkte, einschließlich, soweit wie möglich, über die Arbeitssituation außerhalb der formellen Märkte. Alle diese Daten sollen nach Geschlechtszugehörigkeit aufgeschlüsselt werden, um einen laufenden Vergleich zwischen der Stellung der Frauen und derjenigen der Männer zu ermöglichen.

C. Verbesserung der Qualität der Arbeit und Beschäftigung

54. Die Regierungen sollen die Qualität der Arbeit und Beschäftigung verbessern; hierzu gilt es:

a) die von ihnen eingegangenen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten und voll zu verwirklichen;

b) die Achtung vor den Grundrechten der Arbeitnehmer zu gewährleisten und zu fördern, namentlich das Verbot der Zwangs- und Kinderarbeit, die Vereinigungsfreiheit und das Recht, sich zu organisieren und Kollektivverhandlungen zu führen, das Recht auf gleiches Entgelt männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit und die Nichtdiskriminierung bei der Beschäftigung, die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vollinhaltlich durchzuführen, wenn Staaten Vertragsparteien dieser Übereinkommen sind, beziehungsweise die in diesen Übereinkommen verankerten Grundsätze zu berücksichtigen, wenn Staaten nicht Vertragsparteien dieser Übereinkommen sind, um auf diese Weise zu einem wirklich nachhaltigen Wirtschaftswachstum und zu einer bestandfähigen Entwicklung zu gelangen;

c) die Ratifikation und vollinhaltliche Durchführung der IAO-Übereinkommen auf diesen Gebieten sowie derjenigen Übereinkommen, die die Rechte der Minderjährigen, Frauen, Jugendlichen, Behinderten und Angehörigen autochthoner Bevölkerungsgruppen (Eingeborenen) auf dem Gebiet der Beschäftigung betreffen, ernsthaft in Erwägung zu ziehen;

d) sich bei der Ausarbeitung einzelstaatlicher arbeitsrechtlicher Vorschriften und Beschäftigungspolitiken von den bestehenden internationalen Arbeitsnormen leiten zu lassen;

e) die Rolle der IAO zu fördern, insbesondere soweit es um die Verbesserung des Beschäftigungsgrades und die Qualität der Arbeit geht;

f) soweit dies angezeigt ist, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu ermutigen, Mittel und Wege zu einer größeren Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmensgewinnen und zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei den Unternehmensentscheidungen zu prüfen.

55. Um ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen, Ausbeutung zu beseitigen, Kinderarbeit abzuschaffen, die Produktivität zu steigern und die Lebensqualität anzuheben, ist es geboten:

a) Politiken zur Förderung verbesserter Arbeitsbedingungen, namentlich auch der Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen, zu erarbeiten und durchzuführen;

b) bessere Gesundheitspolitiken zu entwickeln, um umweltbedingte Gesundheitsbedrohungen zu vermindern, mit dem Ziel, sie vollständig zu beseitigen, und um Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Übereinkommen, und im informellen Sektor den Unternehmen und allen Arbeitnehmern leicht zugängliche Informationen und Beratung zur Verfügung zu stellen zu der Frage, wie die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöht und Gesundheitsrisiken vermindert werden können;

c) im Einklang mit den einzelstaatlichen Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften solide, auf einer dreigliedrigen Zusammenarbeit beruhende Beziehungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern, unter voller Achtung der Vereinigungsfreiheit und des Rechts, sich zu organisieren und Kollektivverhandlungen zu führen;

d) genaue Zieldaten für die Beseitigung aller mit den anerkannten internationalen Normen unvereinbaren Formen der Kinderarbeit festzulegen, die uneingeschränkte Durchsetzung der vorhandenen einschlägigen Rechtsvorschriften sicherzustellen und gegebenenfalls erforderliche Rechtsvorschriften für die Umsetzung der Konvention über die Rechte des Kindes und der IAO-Normen zu erlassen, und durch die Bereitstellung entsprechender Gesundheits-, Bildungs- und anderer sozialer Dienste den Schutz von arbeitenden Kindern und insbesondere von Straßenkindern zu gewährleisten;

e) Beschäftigungspolitiken und -programme so zu gestalten, daß sie zur Beseitigung der Armut von Familien beitragen, da diese eine der Hauptursachen für die Kinderarbeit ist; die Kinderarbeit zu beseitigen und unter anderem durch die Bereitstellung von sozialen Diensten und anderen Anreizen die Eltern zu ermutigen, ihre Kinder in die Schule zu schicken;

f) Politiken und Programme aufzustellen, um Arbeitnehmer, insbesondere Frauen, vor sexueller Belästigung und Gewalt zu schützen;

g) Anreize zu fördern, um öffentliche und private Unternehmen dazu zu bewegen, Technologien und Know-how zu entwickeln, weiterzugeben und einzuführen, die das Arbeitsumfeld verbessern, die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen und Gesundheitsrisiken vermindern, mit dem Ziel ihrer vollständigen Beseitigung.

56. Die volle Partizipation der Frauen am Arbeitsmarkt und ihr gleichberechtigter Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten macht es erforderlich,

a) den Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zur Grundlage der Beschäftigungspolitik zu machen und die Gleichbehandlung von Männern und Frauen durch eine entsprechende Sensibilisierung zu fördern, um Vorurteile gegen die Beschäftigung von Frauen zu beseitigen;

b) die geschlechtsbedingte Diskriminierung zu beseitigen, den Erfordernissen entsprechend durch positive Fördermaßnahmen zugunsten der Frau bei der Einstellung, der Bezahlung, dem Zugang zu Darlehen, den Zulagen und Leistungen, der Beförderung, der Ausbildung, der Laufbahnförderung, der Verwendung, den Arbeitsbedingungen, der Arbeitsplatzsicherheit und den Versorgungsleistungen;

c) Frauen besseren Zugang zu Technologien zu verschaffen, die ihre Berufs- und Hausarbeit erleichtern, ihnen zu größerer Eigenständigkeit verhelfen, Einkommen schaffen, traditionell einem bestimmten Geschlecht zugewiesene Rollen im Produktionsprozeß verändern und es Frauen ermöglichen, stereotype schlechtbezahlte Arbeitsplätze zu verlassen;

d) Politiken und Einstellungen zu verändern, die die geschlechtsbedingte Arbeitsteilung aufrechterhalten, und institutionelle Unterstützung bereitzustellen, wie eine soziale Sicherung bei Mutterschaft, Elternurlaub, Technologien, die es erleichtern, die Last der Hausarbeit zu teilen und zu vermindern, flexible Arbeitsregelungen, einschließlich freiwilliger Teilzeitarbeit oder Arbeitsplatzteilung durch die Eltern sowie zugängliche erschwingliche und gute Kinderbetreuungsstätten, die es berufstätigen Eltern ermöglichen, die Arbeit mit ihren Familienpflichten zu vereinbaren, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von Alleinerzieherhaushalten;

e) die Männer dazu zu ermutigen, sich aktiv an allen Aufgaben in Familie und Haushalt, namentlich auch an der Kindeserziehung und an der Hausarbeit, zu beteiligen.


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