Generalversammlung

Fünfundfünfzigste Tagung

Tagesordnungspunkt 10

Bericht des Generalsekretärs über
die Tätigkeit der Vereinten Nationen

 

Sicherheitsrat

Sechsundfünfzigstes Jahr

 

 

 



 

Verhütung bewaffneter Konflikte

Bericht des Generalsekretärs

 

    Zusammenfassung

           Seit meiner Amtsübernahme habe ich mich dafür eingesetzt, die Vereinten Nationen von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention zu führen. Der Sicher­heits­rat hat mich in der Erklärung seines Präsidenten vom 20. Juli 2000 gebeten, einen Bericht über die Verhütung bewaffneter Konflikte vorzulegen, der eine Analyse sowie Empfehlun­gen für Initiativen der Vereinten Nationen enthält, unter Berücksichtigung der bisherigen Er­fahrungen sowie der Auffassungen und Erwägungen der Mitgliedstaaten. Mit diesem Be­richt verfolge ich zum einen das Ziel, die bislang erzielten Fortschritte beim Aufbau der von der General­ver­sammlung und vom Sicherheitsrat geforderten Kapazitäten der Vereinten Nationen zur Kon­fliktverhü­tung zu überprüfen. Zum anderen möchte ich konkrete Empfeh­lungen abgeben, wie die Anstrengungen des Systems der Vereinten Na­tio­nen auf die­sem Gebiet weiter verstärkt werden können, in Zusammenarbeit mit den Mit­glied­staaten, die letztlich die Hauptverantwortung für die Konfliktverhütung tragen, und mit ihrer akti­ven Mitwirkung.

           Bei der Ausarbeitung dieses Berichts habe ich mich darum bemüht, die vielfältigen Auf­fassungen und Erwägungen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, die bei den jüngsten Aussprachen in der Generalversammlung und im Sicherheitsrat über die Konfliktprävention zum Ausdruck kamen. Es steht außer Zweifel, dass die aktive Unterstützung und Zusam­men­arbeit der Mitgliedstaaten unverzichtbar ist, wenn Konfliktprävention erfolgreich sein soll. Dieser Bericht hat die konkreten Beiträge, die die Generalversammlung, der Sicherheits­rat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Internationale Gerichtshof und der General­sekretär leisten können, sowie die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Na­tio­nen und ex­ternen Akteuren, wie etwa Regionalorganisationen, nichtstaatlichen Orga­ni­sa­tionen, der Zi­vilgesellschaft und der Geschäftswelt, zum Gegenstand.

           Die Arbeit des Systems der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Konflikt­prä­ven­tion ist nicht neu. Viele Entwicklungs- und sonstige Programme und Projekte des Systems der Vereinten Nationen haben entweder bereits präventive Wirkung oder verfügen zu­min­dest über Präventionspotenzial, wenn auch häufig in unstrukturierter und rudimentärer Form. Hier geht es mir vor allem darum, zu zeigen, wie die Hauptabteilungen, Programme, Büros und Organisationen der Vereinten Nationen, die allesamt zu diesem Bericht beige­tragen ha­ben, bei der Förderung der Verhütung bewaffneter Konflikte zusammen­wirken. Von be­son­de­rer Bedeutung sind die Anstrengungen, die die Vereinten Nationen unternehmen, um die Konfliktpräventionskapazitäten der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Wir stehen heute vor der Her­ausforderung, das gemeinschaftliche Potenzial des Systems der Vereinten Nationen so zu mobilisieren, dass eine stärkere Kohärenz und Ausrichtung auf die Konfliktprävention er­reicht wird, ohne dass dies unbedingt umfangreiche Zusatz­ressourcen erfordern würde.

           Dieser Bericht geht von den folgenden Grundvoraussetzungen aus:

          Konfliktprävention gehört zu den in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Hauptpflichten der Mitgliedstaaten, und die Bemühungen der Vereinten Nationen um Konfliktprävention müssen mit den Zielen und Grundsätzen der Charta überein­stim­men. Konfliktprävention ist außerdem eine Tätigkeit, die am besten im Rahmen von Ka­pitel VI der Charta unternommen wird.

          Die Hauptverantwortung für die Konfliktprävention liegt bei den Regierungen der ein­zelnen Staaten, wobei der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zukommt. Die Ver­einten Nationen und die internationale Gemeinschaft haben in erster Linie die Auf­gabe, die einzelstaatlichen Anstrengungen zur Konfliktprävention und den Auf­bau ein­zelstaatlicher Kapazitäten auf diesem Gebiet zu unterstützen.

          Damit Präventivmaßnahmen ihre bestmögliche Wirkung entfalten können, sollten sie zu einem möglichst frühen Konfliktstadium einsetzen. Eines der Hauptziele von Prä­ven­tivmaßnahmen sollte darin bestehen, die tief verwurzelten sozioökonomischen, kul­tu­rellen, ökologischen, institutionellen und sonstigen strukturellen Ursachen an­zuge­hen, die den akuten politischen Symptomen von Konflikten häufig zugrunde lie­gen.

          Eine wirksame Präventionsstrategie erfordert einen umfassenden Ansatz mit kurz- und langfristigen politischen, diplomatischen, humanitären, menschenrechtlichen, ent­wicklungsbezogenen, institutionellen und sonstigen Maßnahmen, die von der interna­tionalen Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit nationalen und regionalen Ak­teu­ren zu ergreifen sind.

          Konfliktprävention und eine nachhaltige und ausgewogene Entwicklung verstärken sich gegenseitig. Investitionen in nationale und internationale Bemühungen um Kon­fliktprävention sind zugleich als Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung anzu­se­hen, da letztere in einem Klima dauerhaften Friedens am besten gedeihen kann.

          Eine erfolgreiche Präventionsstrategie hängt von der Zusammenarbeit vieler Akteure der Vereinten Nationen ab, namentlich des Generalsekretärs, des Sicherheitsrats, der Ge­neralversammlung, des Wirtschafts- und Sozialrats, des Internationalen Gerichts­hofs und der Organisationen, Büros, Fonds und Programme der Vereinten Nationen, so­wie der Bretton-Woods-Institutionen. Die Vereinten Nationen sind nicht die Einzi­gen, die auf dem Gebiet der Prävention tätig sind, und sie sind oftmals nicht am be­sten zur Übernahme der Führungsrolle geeignet. Daher kommt den Mitglied­staa­ten, den internationalen, regionalen und subregionalen Organisationen, dem Privat­sektor, den nichtstaatlichen Organisationen und anderen Akteuren der Zivilgesell­schaft eben­falls eine überaus wichtige Rolle in diesem Bereich zu.

           Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass Präventionsstrategien leicht umzusetzen wä­ren. Die Kosten der Prävention entstehen heute, doch ihr Nutzen liegt in ferner Zukunft. Die früheren Erfahrungen der Vereinten Nationen haben klar gezeigt, dass die Konflikt­par­teien umso eher bereit sind, in einen konstruktiven Dialog einzutreten, die tatsächlichen Miss­stände, die den potenziellen Konflikten zugrunde liegen, anzugehen, und keine Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele anzuwenden, je früher die tieferen Ursachen potenzieller Kon­flikte erkannt und wirksam angegangen werden.

           Regierungen, die ihrer souveränen Verantwortung gerecht werden, eine Situation, die sich zu einer Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit entwickeln könn­te, friedlich beizulegen, und die die Vereinten Nationen oder andere internationale Akteure so früh wie nötig um präventive Unterstützung ersuchen, sorgen für den besten Schutz ihrer Bürger vor einer unerwünschten Einmischung von außen. Auf diese Weise kann die inter­natio­nale Gemeinschaft durch Präventivmaßnahmen maßgeblich zur Stärkung der nationa­len Souveränität der Mitgliedstaaten beitragen.

           Ich habe in diesem Bericht hervorgehoben, dass die Konfliktprävention im Mit­tel­punkt des Mandats der Vereinten Nationen für die Wahrung des Weltfriedens und der inter­na­tionalen Sicherheit steht und dass sich unter den Mitgliedstaaten ein allgemeiner Konsens abzeichnet, wonach umfassende und kohärente Konfliktpräventionsstrategien am ehesten einen dauerhaften Frieden fördern und ein günstiges Umfeld für eine nachhaltige Ent­wick­lung schaffen. Das Gebot einer wirksamen Konfliktprävention geht über die Schaffung einer entsprechenden Kultur, die Einrichtung von Mechanismen oder die Ein­forderung des notwendigen politischen Willens hinaus. Die Vereinten Nationen tragen auch die mora­li­sche Verantwortung dafür, sicherzustellen, dass es nie wieder zu einem Völ­kermord wie dem kommt, der in Ruanda stattgefunden hat.

           Es ist an der Zeit, den Diskussionen über die Konfliktprävention konkrete Taten fol­gen zu lassen. Ich hege die aufrichtige Hoffnung, dass das System der Vereinten Na­tio­nen und die Mitgliedstaaten in der Lage sein werden, gemeinsam einen praktischen Weg­weiser für die Umsetzung der konkreten Empfehlungen in diesem Bericht aus­zuarbeiten. Es steht außer Zweifel, dass wirksame Präventivmaßnahmen den nachhaltigen politischen Willen und langfristige Ressourcenzusagen seitens der Mitgliedstaaten sowie des gesamten Sy­stems der Vereinten Nationen erfordern, wenn eine echte Kultur der Prävention in der inter­na­tionalen Gemeinschaft Wurzel schlagen soll. Dieser Bericht stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar.

 

 


Inhalt

 

 

    Ziffern

Seite

                                 I.     Einführung .................................................................................................................................

   1–16

  6

                             Erster Teil
                             Mandat und Rolle der Hauptorgane der Vereinten Nationen
............................................

  17-60

  9

                               II.     Mandat der Vereinten Nationen für die Verhütung bewaffneter Konflikte ......................

  17‑24

  9

A.        Der mit der Charta gesetzte Rahmen ............................................................................

  17‑20

  9

B.         Die Beschlüsse der Generalversammlung und des Sicherheitsrats sowie die Auffas­sungen der Mitgliedstaaten zur Konfliktprävention .....................................

  21‑24

  9

                             III.     Die Rolle der Hauptorgane der Vereinten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Kon­flikte ....................................................................................................................................

  25‑60

10

A.        Die Rolle der Generalversammlung ..............................................................................

  25‑32

10

B.         Die Rolle des Sicherheitsrats ........................................................................................

  33‑39

11

C.         Die Rolle des Wirtschafts- und Sozialrats ...................................................................

  40‑45

13

D.         Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs ................................................................

  46‑50

14

E.          Die Rolle des Generalsekretärs .....................................................................................

  51‑60

15

                             Zweiter Teil
                             Die Rolle des Systems der Vereinten Nationen und anderer internationaler Akteure
....

  61-170

17

                             IV.     Die Rolle und Tätigkeit der Hauptabteilungen, Organisationen und Programme der Ver­einten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte ...........................................

  61‑136

17

A.         Überblick ..........................................................................................................................

  61‑64

17

B.          Maßnahmen zur Förderung der Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Na­tionen ..........................................................................................................................

  65‑72

17

C.          Politische Tätigkeit .........................................................................................................

  73‑80

19

D.          Friedenssicherungseinsätze ..........................................................................................

  81‑85

21

E.           Abrüstung .......................................................................................................................

  86‑93

22

F.           Maßnahmen auf dem Gebiet der Menschenrechte ....................................................

  94‑98

23

G.          Entwicklungshilfe............................................................................................................

  99‑107

24

H.          Humanitäre Tätigkeiten ..................................................................................................

108‑128

26

1.          Allgemeine Erwägungen ......................................................................................

108‑111

26

2.          Besondere Gesichtspunkte ..................................................................................

112‑128

27

a)          Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelhilfe in Notstandssituationen ................................................................................................................. .........................................................................................................................

113‑118

27

b)         Flüchtlinge.....................................................................................................

119‑121

28

c)          Gesundheit....................................................................................................

122‑123

28

d)         Kinder.............................................................................................................

124‑128

29

I.           Medien und Öffentlichkeitsarbeit ................................................................................

129‑131

30

J.           Gleichstellung der Geschlechter ...................................................................................

132‑135

30

K.         Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung ............................................................

136

31

                               V.     Das Zusammenwirken zwischen den Vereinten Nationen und sonstigen internationalen  Akteuren bei der Verhütung bewaffneter Konflikte......................................................

137‑150

32

A.        Regionale Abmachungen ..............................................................................................

137‑142

32

B.         Nichtstaatliche Organisationen und die Zivilgesellschaft .......................................

143‑147

33

C.         Der Privatsektor ..............................................................................................................

148‑150

34

                             VI.     Ausbau der Kapazitäten zur Verhütung bewaffneter Konflikte.........................................

151‑159

34

                           VII.     Schlussfolgerungen .................................................................................................................

160‑170

36

A.        Überwindung der Hindernisse bei der Konfliktprävention ......................................

160‑168

36

B.         Wege zu einer Kultur der Konfliktprävention ............................................................

169‑170

37




  I.  Einführung

1.        Die bitterste Erkenntnis der vergangenen zehn Jahre war wohl die, dass die Verhütung gewaltsamer Konflikte weit besser und kostenwirksamer ist als ihre Beilegung. Die Herausforderung liegt nun darin, diese Erkenntnis so umzu­setzen, dass Prävention kein Gedankengebäude bleibt, son­dern konkrete Wirklichkeit wird. Dies ist leichter gesagt als getan – bestehende Probleme erhalten meistens den Vor­rang gegenüber potenziellen; darüber hinaus entstehen die Kosten der Prävention in der Gegenwart, während ihr Nutzen in der Zukunft liegt und schwer zu beziffern ist. Andererseits entstehen enorme Kosten, wenn Gewalt nicht verhindert wird. Zu den menschlichen Kosten eines Krieges gehören nicht nur sichtbare und unmittelbare Folgen – Tod, Verwundung, Zerstörung, Vertreibung –, sondern auch ent­ferntere und indirekte Folgen für Familien, Gemein­wesen, lokale und nationale Institutionen und Volkswirt­schaften sowie für Nachbarländer. Um sie zu messen, müs­sen neben den entstandenen Schäden auch die entgangenen Chancen berücksichtigt werden.

2.        Die 1997 geschaffene Carnegie-Kommission für die Verhütung tödlicher Konflikte stellte zum Beispiel fest, dass das Bruttoinlandsprodukt Libanons zu Beginn der neunziger Jahre noch immer um 50 Prozent niedriger war als vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen im Jahr 1974, dass die Aufgabe von schätzungsweise 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Angolas in aller Regel dem Bürgerkrieg und dem weit verbreiteten Einsatz von Landminen zugeschrieben wird und dass die ohnehin schon unzureichende Nahrungsmittelproduktion in Burundi wäh­rend der jüngsten Konfliktperioden um 17 Prozent zurückging1. Darüber hinaus müssen wir die Kosten berücksichtigen, die externen Akteuren entstehen, wenn sie eingreifen, um der Gewalt Einhalt zu gebieten. Einer Studie der Carnegie-Kommission zufolge wandte die internatio­nale Gemeinschaft für die sieben größten Interventionen in den neunziger Jahren – in Bosnien und Herzegowina, Somalia, Ruanda, Haiti, im Persischen Golf, in Kambo­dscha und in El Salvador – rund 200 Milliarden US-Dollar auf; dabei sind das Kosovo und Osttimor nicht berück­sichtigt. Die Studie berechnete den Unterschied zwischen den für die Konfliktbewältigung beziehungsweise für potenzielle Präventivmaßnahmen anfallenden Kosten und kam zu dem Schluss, dass ein präventives Vorgehen der internationalen Gemeinschaft fast 130 Milliarden Dollar erspart hätte.

3.        Nirgendwo fallen diese Erkenntnisse deutlicher ins Auge als im ostafrikanischen Zwischenseengebiet, wo das Versäumnis der internationalen Gemeinschaft, in die Kon‑
flikt­prävention in Ruanda zu investieren, die Region zu­tiefst destabilisiert hat. Nachfolgende Überprüfungen durch die Vereinten Nationen, die Organisation der afrikanischen Einheit (OAU) und die Parlamente einiger truppen­stellen­der Länder ergaben übereinstimmend, dass es zahlreiche Früh­warnungen und viele Gelegenheiten zur Reaktion auf den "verhütbaren Völkermord" vom April 1994 gab. Die Schätzungen des damaligen Truppen­kom­mandeurs, Gene­ral Romeo Dallaire, wonach die Dislo­zierung von etwa 5.000 Soldaten nach Ruanda im April 1994 ausgereicht hätte, um den Völkermord aufzuhalten, wurden durch nachfolgende Untersuchungen bestätigt. Im Rahmen der Stu­die der Carnegie-Kommission wurde ge­schätzt, dass die Gesamtkosten einer Aufstockung der Friedens­mission 500 Mil­lionen Dollar jährlich betragen und Präventivmaß­nahmen in Ruanda wahrscheinlich 1,3 Milliarden Dollar gekostet hät­ten; letztlich beliefen sich die Gesamtkosten der Hilfe für Ruanda im Gefolge des Völkermords auf 4,5 Milliarden Dollar.

4.        Wir schulden es den Opfern der Gewalt in Ruanda und anderswo, die Herausforderung der Konfliktprävention ernst zu nehmen. Ich habe mich dem verschrieben, die Vereinten Nationen von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention zu führen. Am 20. Juli 2000 behandelte der Sicherheitsrat die Rolle der Vereinten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte. In einer anschließend herausgegebenen Erklärung seines Präsiden­ten bat mich der Sicherheitsrat, bis Mai 2001 einen Bericht vorzulegen, der eine Analyse sowie Empfehlungen für Initiati­ven der Vereinten Nationen zur Verhütung bewaff­neter Konflikte enthält, unter Berücksichtigung der bishe­rigen Erfahrungen sowie der Auffassungen und Erwä­gungen der Mitgliedstaaten zur Verhütung bewaffneter Konflikte. Da es in der Natur solcher Präventivmaßnahmen liegt, dass sie im weitesten Sinn das gesamte System der Vereinten Nationen einbeziehen, lege ich diesen Bericht hiermit sowohl dem Sicherheitsrat als auch der General­ver­sammlung vor, die ihrerseits eine Reihe von Resolutionen zur Konfliktprävention verabschiedet hat.

5.        Mit diesem Bericht verfolge ich zum einen das Ziel, die bisher erzielten Fortschritte beim Aufbau der von der Generalversammlung und vom Sicherheitsrat geforderten Kapazitäten der Verein­ten Nationen zur Konfliktverhütung zu überprüfen. Zum anderen möchte ich konkrete Empfeh­lungen abgeben, wie die Anstrengungen des Systems der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet weiter verstärkt wer­den können, in Zusammenarbeit mit den Mitglied­staa­ten, die letztlich die Hauptverantwortung für die Konflikt­ver­hü­tung tragen, und mit ihrer aktiven Mitwirkung.

           In dem Bericht behandelte Fragen

6.        Ich gehe von der Grundvoraussetzung aus, dass die Regierungen der einzelnen Länder und andere lokale Akteure die Hauptverantwortung für die Konfliktprävention tragen. Erkennen die einzelstaatlichen Akteure nicht in jedem Fall ihre Verantwortung an, so ist eine erfolgreiche Prävention unwahrscheinlich. Um das Entstehen bewaff­neter Konflikte zu verhindern, müssen die einzel­staatlichen Akteure und gegebenenfalls die internationale Gemein­schaft frühzeitig tätig werden. Je früher ein Streitfall oder eine Ungerechtigkeit, die zu einem bewaffneten Konflikt führen könnten, erkannt und erfolgreich angegangen wer­den, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Situation in Gewalt ausartet. Werden auf nationaler Ebene, gegebenen­falls mit internationaler Unterstützung, frühzeitig Maßnah­men zur Behebung der Umstände ergriffen, die zu bewaff­neten Konflikten führen könnten, kann dies die Souveräni­tät der Staaten stärken helfen.

7.        Eine frühzeitige Prävention kann nur dann wirksam sein, wenn die vielschichtigen tieferen Ursachen von Konflikten erkannt und angegangen werden. So kann der Ausbruch öffentlicher Unruhen oder ein Protest gegen einen bestimmten Vorfall zwar der unmittelbare Auslöser eines Konflikts sein, doch sind möglicherweise sozio­öko­nomische Ungerechtigkeit und Ungleichheiten, die syste­matische Diskriminierung bestimmter Volksgruppen, die Verweigerung von Menschenrechten, Streitigkeiten über politische Partizi­pation oder seit langem bestehende Miss­stände bei der Ver­teilung von Land und anderen Ressour­cen die tiefer liegen­den Ursachen. Vielfach können solche Faktoren in einer Gesellschaft Gruppen zu gewalttätigen Aktionen veran­lassen, in anderen jedoch nicht, weil ange­messene und wirksame Bewältigungs­mechanismen beste­hen, namentlich gut funktionierende Institutionen der Staats- und Regie­rungsführung und rechtsstaatliche Institu­tionen. Es ist daher sehr wichtig, dass eine zuverlässige Frühwarnung und ein tiefes und gründliches Verständnis der örtlichen Gegeben­heiten und Traditionen vorhanden sind; auch müssen grundlegende Ungerechtigkeiten erkannt und im Rahmen der Entwicklungsplanung und der entspre­chen­den Program­me angegangen werden.

8.        Die Carnegie-Kommission für die Verhütung tödli­cher Konflikte teilt die Präventionsstrategien in zwei Kate­gorien ein: operative Prävention, das heißt Maßnahmen, die bei akuten Krisen anzuwenden sind, und strukturelle Prävention, das heißt Maßnahmen, die sicherstellen, dass Krisen gar nicht erst entstehen oder zumindest nicht wieder aufleben. Dieser Bericht behandelt das breite Spektrum der Hilfe, die das System der Vereinten Nationen den Staaten auf dem Gebiet der kurzfristigen operativen Prävention und der langfristigen strukturellen Prävention anbietet.

9.        Der Sicherheitsrat hat betont, wie wichtig und not­wendig es ist, auf die tieferen Ursachen der Konflikte ein­zugehen und langfristig wirksame Präventionsstrategien zu verfolgen. Der Rat hat ferner festgestellt, dass eine kohä­rente Friedenskonsolidierungsstrategie, die politische, ent­wicklungsbezogene, humanitäre und die Menschen­rechte betreffende Programme umfasst, bei der Konflikt­prä­vention eine Schlüsselrolle spielen kann. In diesem Zusam­menhang möchte ich die regulären Programme der Entwicklungs- und der humanitären Hilfe klar von anderen Programmen abgrenzen, die als Präventiv- oder Friedenskonsolidie­rungs­maßnahmen in Reaktion auf Probleme durchgeführt werden, die zum Ausbruch oder zum Wieder­aufflammen gewaltsamer Konflikte führen könnten.

10.      Investitionen in die langfristige strukturelle Prä­ven­tion stellen letztlich Investitionen in die nachhaltige Ent­wicklung dar, denn erstens kann offensichtlich inmitten eines akuten oder potenziellen Konflikts keine nachhaltige Entwicklung stattfinden, und zweitens macht ein bewaff­ne­ter Konflikt die Entwicklungsleistungen eines Landes wie­der zunichte. Wie wir unlängst beobachten konnten, haben in manchen Fällen, beispielsweise in Somalia und Afgha­nistan, lang anhaltende Konflikte sogar die Existenz des Staates selbst bedroht. Wirksame Konfliktprävention ist eine Voraussetzung für die Herbeiführung und Wahrung eines dauerhaften Friedens, der seinerseits eine Voraus­set­zung für eine nachhaltige Entwicklung ist. Geht die nach­haltige Entwicklung gegen die tieferen Ursachen von Kon­flikten an, so spielt sie eine wichtige Rolle bei der Konflikt­prävention und bei der Förderung des Friedens.

11.      In einer Zeit, in der die internationale Entwicklungs­hilfe rückläufig ist, zeigt sich die internationale Gemein­schaft zunehmend unwillig, Staaten, die vor dem Ausbruch oder inmitten eines Konflikts stehen, Entwicklungshilfe zu gewähren. Wenn in die Konfliktprävention investiert wird, kann dies für die Entwicklung des betreffenden Landes langfristig weitaus ertragreicher sein. Wirksamere Konflikt­präventionsstrategien würden nicht nur Hunderttausende Leben retten, sondern auch Milliarden Dollar einsparen. Die derzeit für Militäraktionen aufgewandten Mittel stün­den stattdessen für Armutsminderung und eine ausgewo­gene nachhaltige Entwicklung zur Verfügung, was das Kriegs- und Katastrophenrisiko weiter verringern würde. Konfliktprävention und nachhaltige Entwicklung verstär­ken sich gegenseitig.

12.      Die Rolle der Vereinten Nationen besteht haupt­säch­lich darin, die Regierungen der einzelnen Staaten und ihre lo­ka­len Partner bei der Lösung ihrer Probleme zu unter­stützen, indem sie Hilfe beim Aufbau nationaler und re­gio­naler Kapazitäten für Frühwarnung, Konflikt­prävention und langfristige Friedenskonsolidierung anbie­ten. Diese Hilfe beruht auf dem Grundsatz des Einverständ­nisses der betrof­fe­nen Mitgliedstaaten. In der Praxis sind es häufig der be­trof­fene Staat oder die betroffenen Staaten, die um inter­nationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet nachsuchen.

13.      Den für Entwicklung und humanitäre Hilfe zustän­digen Organisationen des Systems der Vereinten Nationen kommt gemeinsam mit den Bretton-Woods-Institutionen bei der Schaffung eines friedlichen Umfelds und beim Vorgehen gegen die tieferen Ursachen von Konflikten in den Frühstadien der Prävention eine entscheidende Rolle zu. In diesem Bericht wird untersucht, wie viele ihrer regu­lären Hilfsprogramme zu den Bemühungen um Konflikt­prävention beitragen können – und dies auch tun –, und wie ihre Wirksamkeit durch eine stärkere Koordinierung ihrer Bemühungen und eine entsprechende Abstimmung mit den jeweiligen Gastregierungen verbessert werden kann. Der Bericht untersucht auch die den Vereinten Nationen in spä­te­ren Präventionsphasen zur Verfügung stehenden Instru­mente, unter anderem vorbeugende Diplomatie, vor­beu­gende Dislozierung von Militär- und Zivilpolizei­kon­tingen­ten, vorbeugende Abrüstung und damit zusammen­hängende Maßnahmen sowie wirksame Strategien zur Friedens­konso­lidierung in der Konfliktfolgezeit. 

14.      Bei der Ausarbeitung dieses Berichts habe ich mich darum bemüht, die zahlreichen unterschiedlichen Auffas­sungen und Überlegungen der Mitgliedstaaten zu berücksich­tigen, die in den jüngsten Aussprachen der Generalver­samm­lung und des Sicherheitsrats über die Konfliktpräven­tion zum Ausdruck kamen. Es steht außer Zweifel, dass die aktive Unterstützung und Kooperation der Mitgliedstaaten unverzichtbar ist, wenn Konfliktprävention erfolgreich sein
soll. Dieser Bericht hat die konkreten Beiträge, die der Sicherheitsrat, die Generalversammlung und die anderen Hauptorgane der Vereinten Nationen leisten können, sowie die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und externen Akteuren, wie etwa Regionalorganisationen, nicht­­staatlichen Organisationen, der Zivilgesellschaft und der Geschäftswelt zum Gegenstand.

15.      Die Arbeit des Systems der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Konfliktprävention ist nicht neu. Viele Entwicklungs- und sonstige Programme und Projekte der Vereinten Nationen haben entweder bereits präventive Wirkung oder verfügen zumindest über Präventions­poten­zial, wenn auch häufig in unstrukturierter und rudimentärer Form. Von besonderer Bedeutung sind die Anstrengungen, die die Vereinten Nationen unternehmen, um die Konflikt­präventionskapazitäten der Mitgliedstaaten auszubauen. Wir stehen heute vor der Herausforderung, das gemein­schaft­liche Potenzial des Systems der Vereinten Nationen so zu mobilisieren, dass eine stärkere Kohärenz und Aus­richtung auf die Konfliktprävention erreicht wird, ohne dass dies unbedingt umfangreiche Zusatzressourcen erfor­dern würde.

16.      Bei dieser Gelegenheit möchte ich erneut betonen, dass der Übergang von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention ein wichtiger Schritt nach vorne wäre. In diesem Bericht beschreibe ich die praktischen Maßnahmen, die zu diesem Zweck auf der Grundlage der Mandate der Vereinten Nationen ergriffen wurden und werden, sowie die dabei gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse, und ich unterbreite eine Reihe von Schluss­folgerungen und Empfehlungen für die Zukunft.



Erster Teil

Mandat und Rolle der Hauptorgane der Vereinten Nationen


II.  Mandat der Vereinten Nationen für die Verhütung bewaffneter Kon­flikte

  A.  Der von der Charta vorgegebene Rahmen

17.      Nach wie vor besteht die Hauptaufgabe der Vereinten Nationen darin, "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren". Zu diesem Zweck haben sich die Mitgliedstaaten in Artikel 1 Absatz 1 der Charta der Ver­ein­ten Nationen verpflichtet, "wirksame Kollektiv­maß­nahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen…".

18.      Nach meiner Auffassung wird den Vereinten Natio­nen in der Charta ein starkes Mandat für die Verhütung be­waffneter Konflikte übertragen. Es findet sich dort auch ein Hinweis auf zwei prägende Elemente der Philosophie, die dem kollektiven Sicherheitssystem zugrunde liegt: erstens, dass die Verhütung bewaffneter Konflikte eine wünschens­wertere und kostenwirksamere Strategie zur Gewähr­lei­stung dauerhaften Friedens und dauerhafter Sicherheit ist als der Versuch, solche Konflikte zu beenden oder ihre Symptome zu mildern; und zweitens, dass die Verhütung bewaffneter internationaler Konflikte am besten durch "friedliche Mittel erfolgt, sodass der Weltfriede, die inter­nationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden", wie in Artikel 2 Absatz 3 der Charta festge­schrie­ben. Weil ich diese Überzeugung der Verfasser der Charta teile, habe ich vorgeschlagen, die Konfliktprävention zum Eckpfeiler des kollektiven Sicherheitssystems der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert zu machen.

19.      Während eines großen Teils der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts war das Streben nach kollektiver Sicherheit weitgehend durch Reaktion statt Prävention gekennzeichnet und wurde fast ausschließlich in mili­tä­rischen Kategorien definiert. Dieser Ansatz erwies sich für manche Staaten als vorteilhaft und ist nach wie vor gültig. Mit dem Ende des Kalten Krieges entstand jedoch ein neues Verständnis von Frieden und Sicherheit. Das tradi­tionelle Konzept der kollektiven Sicherheit wurde durch ein umfassenderes Eingehen auf das Wesen eines nachhaltigen Friedens und seiner Bestandteile ergänzt, wie etwa soziale und wirtschaftliche Entwicklung, gute Staatsführung und Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. Im 21. Jahrhundert sollte kollektive Sicherheit bedeuten, dass wir alle gehalten sind, uns möglichst frühzeitig um die Überwindung von Spannungen, Missständen, Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Intoleranz und Feindseligkeiten zu bemühen, bevor Frieden und Sicherheit in Gefahr geraten. Dies ist meiner Auffassung nach der eigentliche Kern einer Kultur der Prävention.

20.      Dieser Ansatz führt die Vereinten Nationen auf ihre Wurzeln zurück. Artikel 55 der Charta erkennt ausdrücklich an, dass die Lösung internationaler Probleme wirtschaft­licher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art, die inter­nationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung und die allgemeine Achtung der Men­schenrechte wesentliche Voraussetzungen sind, "um jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche Beziehungen herrschen". Die Charta liefert damit die Grundlage für einen umfassenden und langfristigen Ansatz der Konfliktverhütung auf der Grund­lage eines erweiterten Konzepts des Friedens und der Sicherheit.

  B.  Die Beschlüsse der Generalver­samm­lung und des Sicherheitsrats sowie die Auffas­sungen der Mitgliedstaaten zur Konflikt­prävention

21.      Seit dem Ende der achtziger Jahre haben die General­versammlung und der Sicherheitsrat das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Mandat der Vereinten Nationen für die Konfliktprävention verstärkt. Die General­versammlung bekräftigte insbesondere in ihrer Resolution 47/120 A "Agenda für den Frieden: Vorbeu­gende Diplo­matie und damit zusammenhängende Fragen" die wichtige Rolle des Generalsekretärs auf dem Gebiet der vorbeu­gen­den Diplomatie und bat ihn, die Kapazität des Sekretariats auf dem Gebiet der Informationsbeschaffung und Analyse zu stärken und einen Frühwarnmechanismus einzurichten. In ihrer Resolution 51/242 "Ergänzung zur 'Agenda für den Frieden'" hob die Generalversammlung weiter hervor, wie wichtig die Verbesserung der systemweiten Koordinierung der Präventivmaßnahmen der Vereinten Nationen ist.

22.      Der Sicherheitsrat veranstaltete im November 1999 und im Juli 2000 öffentliche Aussprachen über Konflikt‑
prävention. Dabei brachten eine große Zahl von Mitglied­staaten ihre generelle Unterstützung für die Prävention zum Ausdruck, wenn auch mit unterschiedlichen Handlungs­prioritäten. Manche betonten die Notwendigkeit, sich auf die sozioökonomischen Grundursachen von Konflikten zu konzentrieren, und forderten die Aufstockung der Entwick­lungshilfe, um Konflikten vorzubeugen. Andere nannten die Förderung der Menschenrechte, gute Staatsführung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung als die wich­tigsten Bereiche für die Durchführung von Präventiv­maß­nahmen. Mehrere Länder betonten, dass Präventiv­maß­nahmen hauptsächlich auf Maßnahmen nach Kapitel VI der Charta beschränkt werden sollten, stellten jedoch fest, dass Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII ein legitimes letztes Mittel bleiben müssen, um massive Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte oder andere schwerwie­gende Be­drohungen des Friedens zu verhindern.

23.      In den auf diesen beiden Sitzungen verabschiedeten Erklärungen des Präsidenten des Sicherheitsrats wurde unterstrichen, dass Frühwarnung, vorbeugende Diplomatie, vorbeugende Dislozierung, vorbeugende Abrüstung und Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit vonein­an­der abhängige und sich ergänzende Bestandteile einer um­fas­­sen­den Konfliktpräventionsstrategie sind. Dieser um­fas­sende Ansatz der Konfliktprävention wurde auch bei der jüng­sten öffentlichen Aussprache des Sicherheitsrats über Friedenskonsolidierung im Februar 2001 bekräftigt, auf der viele Redner betonten, dass eine gut geplante und koordi­nier­te Friedenskonsolidierungsstrategie eine maßgeb­liche Rol­le bei der Konfliktprävention spielen kann.

24.      Konfliktprävention war auch eines der Hauptthemen des Millenniums-Gipfels der Vereinten Nationen, auf dem Führungspersönlichkeiten aus allen Teilen der Welt meinen Aufruf unterstützten, die internationale Gemeinschaft von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention zu führen. Es herrschte breite Übereinstimmung darüber, dass der erfolgversprechendste Ansatz die Entwicklung lang­fristiger integrierter Strategien ist, die ein breites Spektrum politischer, wirtschaftlicher, sozialer und anderer Maß­nahmen vereinen, deren Ziel der Abbau beziehungs­weise die Beseitigung der tieferen Ursachen von Konflikten ist. Sowohl die von der Generalversammlung in ihrer Reso­lu­tion 55/2 verabschiedete Millenniums-Erklärung der Ver­ein­ten Nationen als auch die vom Sicherheitsrat auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs verabschiedete Re­solution 1318 (2000) erkannten die entscheidend wichtige Rolle aller Teile des Systems der Vereinten Nationen bei der Konfliktprävention an und enthielten die Verpflichtung, die Wirksamkeit der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet zu verstärken.

III. Die Rolle der Hauptorgane der Ver­einten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte

  A.  Die Rolle der Generalversammlung

25.      Im Rahmen der Artikel 10 und 11 der Charta verfügt die Generalversammlung über eine weit gefasste Ermäch­tigung, die Konfliktverhütung unter allen ihren Aspekten zu behandeln, nach Bedarf Empfehlungen auszuarbeiten oder die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf Situationen zu lenken, die geeignet sind, den Weltfrieden und die inter­nationale Sicherheit zu gefährden. Nach Artikel 14 kann die Generalversammlung auch Maßnahmen zur friedlichen Be­reinigung jeder Situation empfehlen, gleichviel wie sie ent­standen ist, wenn diese Situation nach ihrer Auffassung geeignet ist, das allgemeine Wohl oder die freund­schaft­lichen Beziehungen zwischen Nationen zu beeinträchtigen.

26.      Ich erinnere an die wichtige Arbeit der Versammlung auf diesem Gebiet, nämlich die Verabschiedung der Reso­lu­tionen 47/120 A und B "Agenda für den Frieden: Vorbeu­gende Diplomatie und verwandte Fragen", insbesondere Abschnitt VII der Resolution 47/120 A "Rolle der General­versammlung auf dem Gebiet der vorbeugenden Diplo­matie", und der Resolution 51/242 "Ergänzung zur 'Agenda für den Frieden'". Ausgehend von früheren Präzedenzfällen (z.B. 1960 in Südtirol, auf dem Balkan während der ersten zehn Jahre des Bestehens der Organisation sowie im Zu­sammenhang mit der Apartheid in Südafrika) steht es der Generalversammlung frei, zu prüfen, wie sie ihre in der Charta verankerten Befugnisse zur Behandlung von Prä­ventionsfragen in Zukunft häufiger einsetzen kann. Zu diesem Zweck sollten die nachstehenden Schritte geprüft werden.

           Mechanismen für die friedliche Beilegung von Streitig­keiten

27.      Der aktive Einsatz der in Kapitel VI der Charta aus­geführten Methoden zur friedlichen Beilegung von Streitig­keiten durch die Mitgliedstaaten gehört zu den wirkungs­vollsten Möglichkeiten der Konfliktprävention. Die Gene­ralversammlung hat im Laufe der Jahre zur Förderung einer entsprechenden Praxis beigetragen, etwa mit ihrer Reso­lu­tion 268 (III) D von 1949 über die Einrichtung einer Sachver­ständigengruppe für Untersuchung und Vergleich und mit ihrem Beschluss 44/415 über die Inanspruchnahme einer Kommission für Gute Dienste, Vermittlung oder Ver­gleich im Rahmen der Vereinten Nationen. Es steht der Generalversammlung frei, die Abgabe weiterer Empfeh­lungen betreffend die Inanspruchnahme solcher Mecha­nis­men innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu er­wägen.

           Erklärungen, Normen und Programme sowie die Schaffung des politischen Willens zur Prävention

28.      Ein systematischeres Herangehen der Generalver­sammlung an die Konfliktprävention wäre ein entschei­den­der Faktor zur Schaffung einer wahrhaft globalen Kultur der Konfliktprävention, indem Normen für die Rechen­schafts­pflicht der Mitgliedstaaten festgelegt und Beiträge zur Einführung von Präventionsmaßnahmen auf lokaler, natio­naler, regionaler und globaler Ebene geleistet würden. Die Versammlung hat sich bereits aktiv mit der Aufstellung von Konfliktpräventionsnormen befasst, etwa in ihrer Resolution 43/51, die eine Anlage mit dem Titel "Erklärung über die Verhütung und Beseitigung von Streitigkeiten und Situationen, die den Weltfrieden und die internationale Sicher­heit bedrohen können, und über die Rolle der Verein­ten Nationen auf diesem Gebiet" enthält.

29.      In ihrer Resolution 53/243 verabschiedete die Gene­ral­versammlung die Erklärung über eine Kultur des Friedens und das Aktionsprogramm für eine Kultur des Frie­dens, worin sie die Mitgliedstaaten, die Zivilgesell­schaft und das gesamte System der Vereinten Nationen aufrief, Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Konflikt­prä­vention zu fördern. Im Rahmen ihres breiten Verantwor­tungs­bereichs könnte die Generalversammlung auch eine Kultur der Prävention in den vielgestaltigen Tätigkeiten des Systems der Vereinten Nationen fördern. Wie bei ihrer kürz­lich verabschiedeten Resolution über Tätigkeiten zu Gunsten einer Kultur des Friedens geschehen, könnte die Generalversammlung bei einer Reihe von Punkten, die derzeit auf ihrer Tagesordnung stehen, wie etwa Abrüstung, Menschenrechte, humanitäre Hilfe, Demokratisierung, Um­weltschäden, Terrorismus, Aids und Völkerrecht, jeweils auch den Aspekt der Konfliktverhütung behandeln.

           Beratungsfunktionen

30.      In verschiedenen Organen der Generalversammlung, beispielsweise im Charta-Ausschuss der Vereinten Natio­nen, wurden bereits Fragen im Zusammenhang mit der Ver­hütung und Beilegung von Konflikten erörtert. Diese Art der Prüfung neuer Gedanken und Konzepte durch die entsprechenden Versammlungsorgane sollte fortgesetzt wer­den. Die Versammlung erhält außerdem Berichte von vielen Organen und Organisationen der Vereinten Nationen, die regelmäßig Konfliktpräventionsfragen in ihre Programme aufnehmen. Die Universität der Vereinten Nationen (UNU), die Friedensuniversität und das Ausbildungs- und Forschungs­institut der Vereinten Nationen (UNITAR) legen der Ver­samm­lung ihre Berichte direkt oder über den Wirtschafts- und Sozialrat vor und führen Programme zu Präventions­fragen durch. Würde die Versammlung diese Programme im Rahmen der Ausarbeitung einer umfassenden Konflikt­prä­ventionsstrategie erörtern, würde ihnen dies breitere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen und weitere Diskussionen über Präventionsfragen anregen.

           Zusammenwirken der Generalversammlung und des Sicherheitsrats auf dem Gebiet der Prävention

31.      Eine wichtige Frage, mit der sich alle Mitglieder der Vereinten Nationen beschäftigen müssen, ist die Auswei­tung der Rolle der Generalversammlung bei der Konflikt­prävention, parallel zur Verstärkung der Tätigkeit des Sicherheitsrats in diesem Bereich. Im Lichte der Aus­spra­chen im Sicherheitsrat, bei denen betont wurde, dass die Friedenskonsolidierung in eine umfassende Konfliktprä­ven­tions­strategie eingebunden werden muss, könnte die vorbeugende Friedenskonsolidierung zum Mittelpunkt eines sinnvollen strategischen Zusammenwirkens zwischen dem Rat und der Versammlung werden.

32.      Der Sicherheitsrat befasst sich zumeist mit poten­ziel­len Konfliktsituationen in Ländern, die keine Rats­mit­glie­der sind. Die Mitglieder der Generalversamm­lung sollten Gelegenheit erhalten, im Rat ihre Auffassun­gen zu Fragen der Konfliktprävention häufiger zu Gehör zu bringen. Um das Zusammenwirken zwischen der Versammlung und dem Rat pragmatischer zu gestalten, könnten der Präsident der Generalversammlung und der Präsident des Sicherheitsrats bei ihren monatlichen Treffen Präventionsfragen erörtern. Zur Unterstützung des Versammlungspräsidenten bei der Vorbringung solcher Präventionsfälle könnte auch die Ein­setzung einer allen Mitgliedstaaten offen stehenden Ar­beitsgruppe erwogen werden.

Empfehlung 1

Ich empfehle der Generalversammlung, in Bezug auf die Konfliktprävention eine aktivere Wahr­neh­mung ihrer Befugnisse nach den Artikeln 10, 11 und 14 der Charta der Vereinten Nationen zu er­wägen.

Empfehlung 2

Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, zu prüfen, wie sie ihr Zusammenwirken mit dem Sicherheitsrat bei der Konfliktprävention aus­weiten kann, insbesondere bei der Entwicklung langfristiger Konfliktpräventions- und Friedens­konsolidierungsstrategien.

  B.  Die Rolle des Sicherheitsrats

33.      Als dem Organ der Vereinten Nationen mit der Hauptverantwortung für die Wah­rung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit kommt dem Sicherheitsrat bei der Verhü­tung bewaffneter Konflikte eine Schlüssel­rolle zu. Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen, in dem betont wird, dass sich die Parteien einer Streitigkeit oder Situation, deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu ge­fährden, um eine Beilegung bemühen müssen, kann als Grundlage für Präventivmaßnahmen des Sicherheitsrats an­gesehen werden. Nach Kapitel VI kann der Sicherheitsrat jede Streitigkeit sowie jede Situation, die zu internationalen Reibungen führen oder eine Streitigkeit hervorrufen könnte, untersuchen.

34.      Der Sicherheitsrat hat zwar seine Transparenz erhöht und seine Arbeitsmethoden verbessert, doch konzentriert er sich weiterhin fast ausschließlich auf Krisen und Notfälle und schaltet sich in der Regel erst dann ein, wenn es bereits zu Gewalttaten in großem Maßstab gekommen ist. Ich schlage mehrere Maßnahmen vor, die dem Rat die Ermitt­lung und die Nutzung von Chancen für Präventiv­maß­nah­men erleichtern könnten.

           Periodische Berichterstattung

35.      In den im November 1999 beziehungsweise Juli 2000 abgegebenen Erklärungen seines Präsidenten über Konflikt­prävention bat der Sicherheitsrat den Generalsekretär, periodische Berichte über den Weltfrieden und die inter­nationale Sicherheit bedrohende Streitigkeiten vorzulegen, die auch Frühwarnungen und Vorschläge für Präventiv­maß­nahmen enthalten.

36.      Ich bin der Auffassung, dass eine periodische Be­richt­er­stattung dann am nützlichsten ist, wenn sie in infor­meller und flexibler Weise und nicht als eine fest geplante Verpflichtung gehandhabt wird. Auch wäre es von Vorteil, wenn eine solche Berichterstattung in einen breiteren Kontext gestellt werden könnte. Bei meinen Treffen mit den Leitern von Regionalorganisationen zum Thema Prävention und Friedenskonsolidierung im Juli 1998 beziehungsweise im Februar 2001 zeigte sich, dass ein umfassender Ansatz, der sich auf regionale Präventionsstrategien stützt, sehr nützlich ist und zusammen mit unseren regionalen Partnern und den entsprechenden Organen und Organisationen der Vereinten Nationen weiterverfolgt werden sollte.

37.      Ich beabsichtige daher, neben anderen Ansätzen die Praxis einzuführen, dem Sicherheitsrat periodisch regionale oder subregionale Berichte über Bedrohungen des Weltfrie­dens und der internationalen Sicherheit vorzulegen. In den meisten Fällen würden sich solche Berichte auf regionale Aspekte von Fragen beziehen, die bereits auf der Tages­ordnung des Sicherheitsrats stehen, und sie würden somit die derzeit bestehenden Berichtspflichten ergänzen. Der Schwerpunkt würde auf grenzüberschreitende Probleme ge­legt, die eine potenzielle Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit bilden, wie etwa Ströme un­erlaubter Waffen, natürliche Ressourcen, Flüchtlinge, Söld­ner, irreguläre Streitkräfte und die Auswirkungen ihrer In­teraktion auf die Sicherheit. Im Rahmen dieser Bericht­erstattung würden dem Rat auch Handlungsprioritäten vor­geschlagen, indem die genannten regionalen Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ermit­telt und entsprechende Maßnahmen ergriffen würden.

           Ermittlungsmissionen des Sicherheitsrats

38.      Es ist zu begrüßen, dass der Rat in den vergangenen beiden Jahren diese Missionen wieder aufgenommen hat. Sie verfolgen zwar unterschiedliche Ziele und Zwecke, können jedoch allesamt eine wichtige Präventionswirkung ausüben. Die Praxis wurde 1999 mit einer Mission wieder aufgenommen; im Jahr 2000 fanden dann fünf Rats­missionen statt – nach Eritrea und Äthiopien, in die Demokra­tische Republik Kongo, nach Sierra Leone, nach Osttimor und Indonesien sowie zur Durchführung der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats über das Kosovo – und im Jahr 2001 besuchten die jüngsten Missio­nen die Demokratische Republik Kongo und andere Länder der Region sowie das Kosovo. Der Sicherheitsrat könnte darüber hinaus zur Unterstützung seiner Ermittlungs­missionen in potenzielle Konfliktregionen die Heran­ziehung von Sachverständigen unterschiedlicher Diszipli­nen erwägen, damit bei der Ausarbeitung einer umfassen­den Präventionsstrategie alle Fachbereiche berücksichtigt werden können.

           Neue Mechanismen für die Diskussion über Konflikt­prävention

39.      Wie ich im November 1999 in meiner Erklärung an den Rat vorgeschlagen habe, könnte der Sicherheitsrat die Einsetzung einer informellen Ad-hoc-Arbeitsgruppe oder eines anderen Nebenorgans oder eine andere informelle technische Regelung erwägen, um Präventionsfälle konti­nuierlicher zu erörtern. Wird eine solche Gruppe eingesetzt, könnten die von mir vorgeschlagenen Frühwarnfälle oder die vom Präsidenten oder anderen Ratsmitgliedern vorge­schlagenen Fälle regelmäßig an sie überwiesen werden, be­vor informelle Konsultationen oder öffentliche Ratssit­zungen stattfinden. Bei der Erörterung der Fälle, die auf der Tagesordnung der Arbeitsgruppe stehen, könnten sich ihre Mitglieder auf die Informationen stützen, die sie von einzelnen Ratsmitgliedern oder vom Sekretariat erhalten haben. Der Sicherheitsrat könnte auch in Erwägung ziehen, die Arria-Formel oder andere ähnliche Regelungen für informelle Diskussionen außerhalb des Ratssaales für den Meinungsaustausch über Präventionsfragen zu nutzen.

           Empfehlung 3

Ich lege dem Sicherheitsrat nahe, innovative Me­chanismen zu prüfen, wie etwa die Einsetzung eines Nebenorgans oder einer informellen Ad-hoc-Arbeitsgruppe oder eine andere informelle tech­ni­sche Regelung, um Präventionsfälle konti­nuier­lich zu erörtern, vor allem im Hinblick auf die periodi­schen regionalen oder subregionalen Be­richte, die ich dem Rat vorzulegen beabsichtige, sowie im Hin­blick auf andere Frühwarn- oder Präventions­fälle, die ihm von den Mitgliedstaaten zur Kennt­nis gebracht werden.

  C.  Die Rolle des Wirtschafts- und Sozialrats

40.      Der Wirtschafts- und Sozialrat hat eine engere Zu­sammenarbeit mit dem Sicherheitsrat und der General­ver­samm­lung aufgenommen, da die internationale Gemein­schaft den Wert eines integrierten Ansatzes für die Verwirk­lichung von Frieden, Sicherheit, Achtung der Menschen­rechte und nachhaltiger Entwicklung erkannt hat. Als der Sicherheitsrat 1998 den Wirtschafts- und Sozialrat bat, an der Gestaltung eines langfristigen Unterstützungs­pro­gramms für Haiti mitzuwirken, begann eine neue Phase. 1999 wurde dann die Ad-hoc-Beratungsgruppe für Haiti eingerichtet, die eine Bewertungsmission in diesem Land durchführte. Im Februar 2000 wurde der Wirtschafts- und Sozialrat ebenfalls um Mitwirkung ersucht, als der Sicherheitsrat ihm vorschlug, eine Tagung einzuberufen, um die Auswirkungen von HIV/Aids auf den Frieden und die Sicherheit in Afrika zu erörtern.

41.      In jüngerer Zeit ersuchte die Generalversammlung den Wirtschafts- und Sozialrat in ihrer Resolution 55/217, die Vorschläge der Allen Mitgliedstaaten offen stehenden Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Versammlung über Konflikt­ur­sachen, die Förderung dauerhaften Friedens und einer nach­haltigen Entwicklung in Afrika zu prüfen, insbe­son­dere hin­sichtlich der Schaffung einer Ad-hoc-Beratungs­gruppe für Länder in Postkonfliktsituationen. Inzwischen wurde für diesen Zweck eine Beratungsgruppe ähnlich derjenigen für Haiti eingesetzt.

42.      Ich schlage eine aktivere Einbeziehung des Wirt­schafts- und Sozialrats in die Verhütung bewaffneter Kon­flikte vor, vor allem wegen seiner ausschlaggebenden Rolle bei der Auseinandersetzung mit den tieferen Ursachen von Konflikten in den Kernbereichen seines Mandats. Sein künf­tiger Beitrag zur Verhütung bewaffneter Konflikte und zur Friedenskonsolidierung könnte entweder aus eigenem Antrieb oder auf Ersuchen anderer Hauptorgane der Verein­ten Nationen erfolgen.

           Langfristige Strategien zur Beseitigung der tieferen Ur­sachen von Konflikten

43.      Nach Artikel 62 der Charta der Vereinten Nationen kann der Wirtschafts- und Sozialrat Untersuchungen und Berichte auf allen unter sein Mandat fallenden Gebieten ver­anlassen. Solche Untersuchungen könnten erforderlich sein, wenn er seine konkrete Mitwirkung an der Ent­wick­lung langfristiger Strategien zur Beseitigung der tie­feren Ur­sachen von Konflikten prüft. Der Wirtschafts- und Sozial­rat könnte die verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen, namentlich seine Neben­or­gane, den Verwaltungsausschuss für Koordinierung und seine interinstitutionellen Mechanismen, um die Kapazi­täten des gesamten Systems der Vereinten Nationen für die Unterstützung der Konzeption und Durchführung solcher Untersuchungen heranzuziehen.

           Regionale Perspektive

44.      Eine aktivere Mitwirkung des Wirtschafts- und Sozialrats könnte sich als vorteilhaft erweisen, wenn der Sicherheitsrat Regionalinitiativen zur Verhütung bewaff­neter Konflikte einleitet. Zu diesem Zweck sollte der Wirt­schafts- und Sozialrat erwägen, zu einer umfassenden und disziplinenübergreifenden Diskussion über die Verhütung bewaffneter Konflikte, insbesondere im regionalen Kon­text, beizutragen. Da der Wirtschafts- und Sozialrat bereits Modalitäten ausarbeitet, um in Unterstützung der dies­bezüglichen Tätigkeiten des Sicherheitsrats, der General­ver­sammlung und des Generalsekretärs Beiträge zu den mit Afrika zusammenhängenden Regionalfragen zu leisten, könnte dieses Modell auch auf andere Regionen ausgewei­tet werden.

           Erörterung auf hoher Ebene der tieferen Ursachen von Konflikten

45.      In den vergangenen Jahren erhielt die Arbeit des Wirtschafts- und Sozialrats durch die Einführung eines Ta­gungsteils auf hoher Ebene bei seinen ordentlichen Jahres­tagungen erheblichen Auftrieb. In Zukunft könnte ein Ta­gungsteil auf hoher Ebene der Frage gewidmet werden, welche Rolle die Entwicklung und dabei insbesondere der Wirtschafts- und Sozialrat bei der langfristigen Verhütung von Gewalttaten und Konflikten spielen könnten.

Empfehlung 4

Ich schlage vor, künftig einen Tagungsteil auf ho­her Ebene der jährlichen Arbeitstagung des Wirt­schafts- und Sozialrats der Frage zu widmen, wie die tieferen Ursachen von Konflikten ange­gangen werden können und welche Rolle die Entwicklung bei der Förderung einer langfristigen Konfliktprä­vention spielt.

  D.  Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs

46.      Der Internationale Gerichtshof als unverzichtbarer Bestandteil des durch die Charta der Vereinten Nationen geschaffenen Systems zur friedlichen Beilegung von Strei­tigkeiten hat im Laufe der Jahre maßgeblich zur Beilegung internationaler Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln bei­getragen. Der Gerichtshof trägt zur friedlichen Beile­gung und Lösung von Streitigkeiten bei, indem er in streitigen Verfahren zwischen Staaten Urteile fällt. Der Gerichtshof gewährt Hilfe bei der Konfliktlösung, wenn ihm eine Streitigkeit mittels eines Schiedsvertrags oder der Klage­schrift eines Staates vorgelegt wird. Gerichtsver­fah­ren kön­nen ausgesetzt werden, wenn die Parteien eine Verhand­lungs­­lösung anstreben. Des Weiteren trägt der Gerichtshof zur Verhütung bewaffneter Konflikte bei, indem er den Prozess der vorbeugenden Diplomatie durch Gutachten über Rechts­fragen erleichtert, wofür ihm in Artikel 96 der Charta die Ermächtigung erteilt wurde. Durch seine Urteile und Gutachten hat der Gerichtshof einen wesentlichen Beitrag zur fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts und zur Ermittlung neuer Trends im Völkerrecht geleistet. Der Generalsekretär for­dert die Staaten nachdrücklich auf, sich zur Beilegung von Streitigkeiten des Gerichtshofs zu bedienen.

47.      Der Internationale Gerichtshof ist heute aktiver als je­mals zuvor. Streitigkeiten aus allen Teilen der Welt werden ihm vorgelegt. Ich fordere die Mitgliedstaaten nachdrück­lich auf, sich in Zukunft des Internationalen Gerichtshofs noch stärker zu bedienen, unter anderem wenn es um die Verhütung von gebiets- und seerechtlichen Streitigkeiten geht.

           Obligatorische Zuständigkeit des Gerichtshofs

48.      Bis Ende 2000 hatten 60 Mitgliedstaaten Erklärungen abgegeben, wonach sie die obligatorische Zuständigkeit des Gerichtshofs anerkennen, wenn auch vielfach mit Vorbe­halten, die die Wirkung der Klausel der obligatorischen Zuständigkeit tendenziell beschränken oder schmälern. Ich möchte meinen Appell an die Mitgliedstaaten wiederholen, soweit noch nicht geschehen, die Annahme der obliga­to­rischen Zuständigkeit des Gerichtshofs zu erwägen. Außer­dem möchte ich die Staaten nachdrücklich auffordern, bei der Verabschiedung multilateraler Verträge unter der Schirm­herrschaft der Vereinten Nationen Klauseln zu ver­abschieden, die die Überweisung von Streitigkeiten an den Gerichtshof vorsehen. Je mehr Staaten die obligatorische Zuständigkeit des Gerichtshofs annehmen, desto besser ste­hen die Chancen, dass potenzielle Streitigkeiten mit fried­lichen Mitteln zügig beigelegt werden können. Der Sicher­heitsrat sollte auch erwägen, den Staaten nach Artikel 36 der Charta der Vereinten Nationen zu empfehlen, Streitig­keiten dem Gerichtshof vorzulegen.

           Gutachterliche Kompetenz des Gerichtshofs

49.      In der "Agenda für den Frieden" (siehe A/47/277-S/24111) empfahl mein Vorgänger, dass der General­sekretär nach Artikel 96 Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen ermächtigt werden soll, von der gutachterlichen Kompetenz des Gerichtshofs Gebrauch zu machen, und dass andere Organe der Vereinten Nationen, die bereits dazu ermächtigt sind, sich häufiger zwecks Einholung solcher Gutachten an den Gerichtshof wenden sollen. Die Generalversammlung kam diesen Empfehlungen jedoch nicht nach, und der Sicherheitsrat hat seit 1993 kein Gutachten des Gerichtshofs eingeholt. Ich fordere daher die Versammlung und den Sicherheitsrat nachdrücklich auf, ihre Aufmerksamkeit erneut auf die genannten Empfeh­lungen, die ich voll unterstütze, zu richten, und auch zu erwägen, andere Organe der Vereinten Nationen zur Einho­lung von Gutachten des Gerichtshofs zu ermächtigen.

50.      Ich möchte die Staaten auch an die Verfügbarkeit des Treuhandfonds des Generalsekretärs zur Unterstützung der Staaten bei der Regelung ihrer Streitigkeiten durch den Internationalen Gerichtshof erinnern, über den Staaten Finanzhilfen zur Deckung der Kosten erhalten können, die ihnen im Zusammenhang mit Streitigkeiten entstanden sind, die dem Gerichtshof im Wege eines Schiedsvertrags vorgelegt wurden.

Empfehlung 5

Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, den Internationalen Gerichtshof früher und häufi­ger in Anspruch zu nehmen, um ihre Streitig­kei­ten friedlich beizulegen und die Herrschaft des Rechts in den internationalen Beziehungen zu för­dern.

Empfehlung 6

Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, die allgemeine Zuständigkeit des Gerichtshofs an­zu­nehmen. Wenn innerstaatliche Strukturen dies ver­hindern, sollten die Staaten in bilateralen oder multilateralen Übereinkünften ein umfassendes Verzeichnis der Angelegenheiten aufstellen, die sie dem Gerichtshof vorzulegen bereit sind.

Empfehlung 7

Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, bei der Verabschiedung multi­lateraler Verträge unter der Schirmherrschaft der Vereinten Natio­nen Klau­seln zu verabschieden, die die Überwei­sung von Streitigkeiten an den Gerichtshof vor­sehen.

Empfehlung 8

Ich empfehle, dass die Generalversammlung den Generalsekretär und andere Organe der Vereinten Nationen ermächtigt, von der gutachterlichen Kom­petenz des Gerichtshofs Gebrauch zu ma­chen, und dass andere Organe der Vereinten Natio­nen, die bereits dazu ermächtigt sind, sich häufiger zwecks Einholung solcher Gutachten an den Gerichtshof wenden.

   E.  Die Rolle des Generalsekretärs

51.      Seit Gründung der Organisation hat der General­sekretär durch "stille Diplomatie" oder seine "Guten Dien­ste" eine Rolle bei der Verhütung bewaffneter Konflikte inne. Sein Präventionsauftrag leitet sich aus Artikel 99 der Charta der Vereinten Nationen ab, dem zufolge der Gene­ralsekretär die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf jede Angelegenheit lenken kann, die nach seinem Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der inter­nationalen Sicherheit zu gefährden.

52.      Die vorbeugende Diplomatie, deren Ziel darin be­steht, mittels Überzeugungskraft, Vertrauensbildung und Informationsaustausch frühzeitig Lösungen für schwierige Probleme zu finden, ist ein wichtiger Teil meines Verant­wortungsbereichs. Ich betrachte die wachsende Nachfrage nach meiner Beteiligung an Präventivmaßnahmen dieser Art als Anerkennung dessen, dass der Generalsekretär ab­seits vom Rampenlicht der Öffentlichkeit auf stille und diskrete Weise viel erreichen kann, selbst wenn das Ergeb­nis nicht immer sichtbar oder einfach zu bewerten ist.

53.      Es gibt drei Möglichkeiten zur Stärkung der tradi­tionellen präventiven Rolle des Generalsekretärs: erstens durch den vermehrten Einsatz von Ermittlungs- und Vertrauensbildungsmissionen sowie die Ernennung hoch­rangiger Abgesandter und die Einrichtung weiterer regio­na­ler Verbindungsbüros, zweitens durch die Einleitung gemein­samer Präventivmaßnahmen durch den General­sekretär und den Sicherheitsrat und drittens durch die Erhöhung der im Sekretariat vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen für Präventivmaßnahmen, auf die in diesem Be­richt weiter unten eingegangen wird.

           Ermittlungsmissionen

54.      Die Generalversammlung und der Sicherheitsrat ha­ben den vermehrten Einsatz von Ermittlungsmissionen als Teil einer vorbeugenden Diplomatie befürwortet. Ermitt­lungs­missionen können die Interessen der Parteien eines potenziellen Konflikts objektiv feststellen, mit dem Ziel, aufzuzeigen, mit welchen Maßnahmen das System der Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten den Konflikt­parteien dabei helfen können, ihre Differenzen beizulegen oder auszuräumen.

55.      Vor kurzem entsandte ich zwei interinstitutionelle Missionen nach Westafrika. Die erste Mission reiste im November 2000 nach Gambia, um in Gesprächen mit Regierungsbeamten, hochrangigen Parteivertretern, Reprä­sentanten der Zivilgesellschaft und Vertretern des Landes­teams der Vereinten Nationen gemeinsam zu sondieren, wie die Vereinten Nationen dem Land konkret dabei behilflich sein können, die zahlreichen Herausforderungen, die sich ihm stellen, zu bewältigen und so einer Bedrohung des Friedens und der Sicherheit im Land vorzubeugen. Die zweite Mission bereiste im März 2001 elf westafrikanische Länder, um eine Bestandsaufnahme der vorrangigen Be­dürfnisse und Herausforderungen in der Region auf den Gebieten Frieden und Sicherheit, regionale Zusammen­arbeit, humanitäre Angelegenheiten und wirtschaftliche und soziale Entwicklung, einschließlich der Verbindungen zwi­schen ihnen, vorzunehmen. Ich beabsichtige, derartige interdisziplinäre technische Bewertungsmissionen in Zu­kunft auf der Grundlage der vollen Kooperation der jewei­ligen Mitgliedstaaten häufiger für präventive Zwecke ein­zusetzen.

           Vertrauensbildungsmissionen

56.      In der "Agenda für den Frieden" bekundete mein Vorgänger seinen Wunsch, mit den an einer potenziellen, einer zurzeit akuten oder einer vergangenen Streitigkeit beteiligten Parteien und mit den Regionalorganisationen regelmäßige Konsultationen über vertrauensbildende Maß­nahmen zu führen und ihnen jede beraterische Unterstüt­zung angedeihen zu lassen, die das Sekretariat gewähren kann. Ein derartiges Vorgehen wurde von der General­versammlung in ihrer Resolution 47/120 gebilligt. Um zu ermitteln, inwieweit sich solche Maßnahmen unter der gemeinsamen Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und der Regionalorganisationen realisieren lassen, könnten kleine Missionen in die Hauptstädte der jeweils betroffenen Staaten der Region sowie an den Amtssitz der wichtigsten Regionalorganisationen entsandt werden, mit dem Auftrag, die Auffassungen hinsichtlich einer Aufnahme der Zusam­menarbeit auf Arbeitsebene über die Vertrauensbildung in diesen Regionen einzuholen.

57.      Die Entsendung von Vertrauensbildungsmissionen könnte ein konkreter Schritt zur Durchführung von Initia­ti­ven der vorbeugenden Diplomatie in einem regionalen Kontext sein und unterstreichen, welche Bedeutung ich dem vorsorglichen Engagement der Vereinten Nationen in instabilen Regionen beimesse. Ich beabsichtige, diese Mög­lichkeit der vorbeugenden Diplomatie in meinen künftigen Gesprächen mit den Leitern der Regionalorganisationen weiter zu prüfen.

           Informelles Netzwerk herausragender Persönlichkei­ten

58.      Ich beabsichtige, im Anschluss an geeignete Konsul­tationen herausragende Persönlichkeiten zu benennen, die als informelles Netzwerk zur Beratung und zur aktiven Unterstützung meiner Bemühungen um die Verhütung und Beilegung bewaffneter Konflikte fungieren. Gelegentlich würde ich die Mitglieder dieses Netzwerks auch bitten, prä­ventive Diplomatie zu betreiben, um neu auftretende Spannungen einzudämmen oder entschärfen zu helfen.

           Regionale Präsenz

59.      Die 1998 erfolgte Einrichtung des Verbindungsbüros der Vereinten Nationen am Amtssitz der OAU in Addis Abeba stellte einen ersten Schritt zur Förderung der Zusam­menarbeit, namentlich im Rahmen von Konfliktprä­ven­tions­strategien, mit regionalen oder subregionalen Organi­sationen dar. Ich beabsichtige, zu prüfen, inwieweit dieses Konzept auf der Grundlage des in Addis Abeba geschaf­fenen Präzedenzfalls weiterentwickelt werden kann.

60.      Im Oktober 2000 setzte ich die Interinstitutionelle Arbeitsgruppe für Westafrika ein, die erste Initiative, die die Vereinten Nationen ergriffen haben, um einen koordi­nierten und umfassenden Ansatz zur Konfliktprävention zu entwickeln und ein geeignetes Umfeld für die Friedens­konsolidierung in einer bestimmten Subregion zu schaffen. Dieser Ansatz ermöglichte die Prüfung der Probleme so­
wohl aus nationaler als auch aus subregionaler Sicht. Die Arbeitsgruppe verfolgte zudem das Ziel, die Anstrengungen der Vereinten Nationen mit denen der Wirtschafts­gemein­schaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) zu ver­ei­nen, die bei der Konzipierung und Durchführung der In­itia­tive kooperierte und bei der Umsetzung ihrer Empfeh­lun­gen der Hauptpartner der Vereinten Nationen sein wird. Zu diesen Empfehlungen gehört die Schaffung eines Büros der Vereinten Nationen in Westafrika, das unter der Leitung meines Sonderbeauftragten die Kapazität der Organisation auf dem Gebiet der Frühwarnung, der Prävention, der Frie­denskonsolidierung, der Berichterstattung und der Poli­tik­setzung sowie im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der ECOWAS und anderen Organisationen in der Sub­region erweitern würde. Die aus der Westafrika-Initiative gewon­nenen Erkenntnisse könnten einen nützlichen Leit­faden für die Konfliktpräventionsbemühungen der Verein­ten Natio­nen in anderen Teilen der Welt bilden.

Empfehlung 9

Ich beabsichtige, mit Unterstützung der Mitglied­staaten die traditionelle präventive Rolle des Ge­ne­ral­sekretärs auf vierfache Weise zu stärken: er­stens durch den vermehrten Einsatz interdiszi­pli­nä­rer Ermittlungs- und Vertrauensbildungs­mis­sio­nen der Vereinten Nationen in instabilen Re­gio­nen, zweitens durch die Entwicklung regio­naler Präventionsstrategien mit unseren regiona­len Part­nern und den in Betracht kommenden Or­ga­nen und Organisationen der Vereinten Na­tionen, drittens durch den Aufbau eines informel­len Netz­werks herausragender Persönlichkeiten zur Kon­flikt­prävention und viertens durch die Erhöhung der im Sekretariat vorhandenen Fähig­keiten und Ressourcen für Präventivmaßnahmen.



Zweiter Teil

Die Rolle des Systems der Vereinten Nationen und anderer internationaler Ak­teure

 


IV.  Die Rolle und Tätigkeit der Haupt­abteilungen, Organisationen und Programme der Vereinten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Kon­flikte

  A.  Überblick

61.      Seit meinem Amtsantritt habe ich ausgehend von der Prämisse, dass nachhaltige Entwicklung und langfristige Konfliktprävention synergetische Ziele sind, mehrere In­itiativen zur Förderung einer Kultur der Konfliktprävention in der täglichen Arbeit des Sekretariats sowie des Systems der Vereinten Nationen als Ganzes in die Wege geleitet. In den vergangenen fünf Jahren haben nahezu alle Bestand­teile des Systems der Vereinten Nationen, einschließlich der Bretton-Woods-Institutionen, begonnen, sich aktiv mit Prä­ventions- und Friedenskonsolidierungstätigkeiten im Rah­men ihrer jeweiligen Mandate zu befassen.

62.      So unterschiedlich die tieferen Ursachen bewaffneter Konflikte sein können, so breit ist auch das Spektrum ge­eigneter Präventivmaßnahmen und der zu ihrer Durch­führung erforderlichen Ressourcen. Die Frage des richtigen Zeitpunkts ist ebenfalls von großer Bedeutung: manche Präventivmaßnahmen, die zweckmäßig sein können, wenn sie frühzeitig ergriffen werden, können, sofern sich die Streitigkeit verschärft und der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts immer wahrscheinlicher wird, unangemessen oder gar völlig unannehmbar werden. So könnte man sa­gen, dass es sich, sobald eine Situation auf die Tages­ord­nung des Sicherheitsrats gesetzt wird, eher um eine späte anstatt um eine frühzeitige Prävention handelt.

63.      Die Konfliktprävention kann über verschiedene An­sätze zur Herbeiführung größerer Sicherheit und Stabilität zwischen den Staaten erfolgen, namentlich durch Maß­nahmen, die darauf gerichtet sind, gegenseitiges Vertrauen zu fördern, Bedrohungsängste abzubauen, das Risiko eines Überraschungsangriffs zu beseitigen, ein Wettrüsten zu verhindern und ein günstiges Klima für den Abschluss von Rüstungsbegrenzungs- und -reduzierungsvereinbarungen und die Senkung der Militärausgaben herbeizuführen. Sol­che vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen können auf verschiedenen Ebenen verfolgt werden – bilateral, subregional, regional und multilateral; selbst einseitige Maßnahmen sind vorstellbar – und können entsprechend den politischen und sicherheitsbezogenen Merkmalen und Erfordernissen der jeweiligen Situation flexibel angewandt werden.

64.      Insgesamt gesehen verfügt das System der Vereinten Nationen über eine beträchtliche Kapazität für Präventiv­maßnahmen. Dennoch besteht nach wie vor die klare Not­wendigkeit, den Aspekt der Konfliktprävention systema­tischer in die vielschichtigen Programme und Tätigkeiten des Systems der Vereinten Nationen einzubeziehen, damit diese planmäßig und nicht nur zufällig zur Konflikt­prävention beitragen können. Dies wiederum erfordert eine stärkere Kohärenz und Koordinierung im System der Ver­einten Nationen mit besonderem Gewicht auf der Kon­fliktprävention. Des Weiteren bedarf es eines förderlichen Umfelds, in dem die Mitarbeiter der Vereinten Nationen ermutigt werden, eine proaktive, präventive Denkweise zu entwickeln, und in dem ein entsprechendes Anreiz- und Rechenschaftssystem Anwendung findet.

  B.  Maßnahmen zur Förderung der Kohä­renz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen

65.      Im Laufe der vergangenen Jahre wurden die Bemü­hungen zur Förderung der Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen allgemein verstärkt. Die tief verwurzelten Gewohnheiten früherer Jahre, in denen kaum Informationen zwischen den Hauptabteilungen und Orga­nisationen ausgetauscht wurden, weichen zunehmend der Bereitschaft, Analysen auszutauschen und gemeinsame An­strengungen zur Ermittlung und Durchführung geeigneter und konkreter Präventivmaßnahmen zu unternehmen. An dieser Stelle geht es mir insbesondere darum, zu zeigen, wie die Hauptabteilungen, Programme, Bereiche und Orga­nisationen der Vereinten Nationen zu Gunsten der Verhü­tung bewaffneter Konflikte zusammenwirken.

           Verwaltungsausschuss für Koordinierung

66.      Der Verwaltungsausschuss für Koordinierung ist die für die Förderung der Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen zuständige Stelle. Die Leiter der 25 Fonds, Programme und Sonderorganisationen sowie der Welthandelsorganisation (WTO) und der Bretton-Woods-Institutionen wirken unter meinem Vorsitz an der Förderung der Koordinierung innerhalb des Systems mit. 1997 stellte der Verwaltungsausschuss für Koordinierung fest, wie wichtig es ist, die Frühwarnkapazität des Systems insgesamt zu verstärken. Außerdem stellte er einver­nehm­lich fest, wie wichtig die Friedenskonsolidierung als eine umfassende Strategie zur Konfliktprävention ist, und unter­strich die Notwendigkeit, die tieferen politischen, mili­tärischen, humanitären, menschenrechtlichen, ökolo­gi­schen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und demogra­fischen Ursachen von Konflikten anzugehen. Unter diesem Gesichtspunkt beabsichtige ich, mit dem Verwaltungs­aus­schuss für Koordinierung einen zielgerichteten Dialog darüber zu führen, welche konkreten Maßnahmen das System der Vereinten Nationen ergreifen muss, um seine Tätigkeiten auf dem Gebiet der Konfliktprävention kohä­renter zu gestalten.

           Exekutivausschüsse

67.      1997 schuf ich im Rahmen meines Reform­pro­gramms eine Struktur aus vier Exekutivausschüssen auf Untergeneralsekretärsebene, die als interne Entscheidungs­mechanismen für die fünf wichtigsten Tätigkeitsbereiche fungieren: Frieden und Sicherheit, wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Angelegenheiten sowie Menschenrechte als Querschnittsaufgabe. Im Rahmen dieser Struktur ist der Exekutivausschuss für Frieden und Sicherheit die kompe­tente Stelle für die Behandlung von Fragen im Zusam­menhang mit systemweiten Präventivmaßnahmen. Der Exekutivausschuss für humanitäre Angelegenheiten ist das geeignete Organ für die Prüfung von Präventiv- und Bereitschaftsmaßnahmen humanitärer Art, während ent­wicklungs­bezogene Präventivmaßnahmen naturgemäß in den Zuständigkeitsbereich der Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen (UNDG) fallen. Der Exekutivausschuss für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten befasst sich auf vorgeordneter Ebene mit den tieferen Ursachen von Konflikten aus dem Blickwinkel makroökonomischer und sozialer Fragen, der Regierungsführung und der nachhaltigen Entwicklung. Obgleich sich diese Ausschüsse bislang im Rahmen ihrer Tätigkeit zumeist mit anderen Fragen als mit der Konfliktprävention befasst haben, be­absichtige ich, sie in Zukunft verstärkt proaktiv für diesen Zweck einzusetzen.

           Hauptabteilungsübergreifender Rahmen-Koordinie­rungsmechanismus

68.      Die Ausrichtung des Hauptabteilungsübergreifenden Rahmen-Koordinierungsmechanismus, der 1994 geschaffen wurde, um eine bessere Planung und Koordinierung zwischen den Friedenssicherungs-, humanitären und poli­ti­schen Aufgaben zu gewährleisten, wurde seit 1998 auf Frühwarnung und Präventivmaßnahmen verlagert. Eine aus hochrangigen Vertretern von 14 Hauptabteilungen, Organi­sationen, Programmen und Bereichen, einschließlich der Weltbank, bestehende Gruppe des Rahmen-Koordinie­rungs­mechanismus tritt einmal pro Monat zusammen, um Informationen aus ihren jeweiligen Zuständigkeits­be­rei­chen auszutauschen und das Potenzial für bewaffnete Kon­flikte, komplexe Notsituationen oder sonstige Umstände zu analysieren, die hinreichenden Grund für einen Eingriff der Vereinten Nationen bieten könnten. Der Rahmen-Koordi­nie­rungs­mechanismus ist im Einklang mit Resolution 51/242 der Generalversammlung ständig weiterentwickelt und verbessert worden und stellt nunmehr einen wichtigen Mechanismus für die rasche Ausarbeitung von Präventions­strategien innerhalb des Systems der Vereinten Nationen dar.

           Kohärenz auf Landesebene

69.      Auf der Landesebene beteiligt sich das jeweilige Landesteam der Vereinten Nationen unter der Leitung des residierenden Koordinators der Vereinten Nationen und in enger Zusammenarbeit mit der Regierung an einem disziplinenübergreifenden Prozess zur Ausarbeitung der gemeinsamen Landesbewertung. Dieser Prozess wurde in 70 Ländern abgeschlossen und ist in 40 weiteren Ländern im Gange. Im Rahmen der gemeinsamen Landesbewertung werden der Entwicklungsstand des jeweiligen Landes analysiert, die Schlüsselfragen benannt, die als Grundlage für die Lobbyarbeit und den Politikdialog innerhalb des Systems der Vereinten Nationen dienen, sowie die einzel­staatlichen Prioritäten und Herausforderungen und die regionalen Belange und Initiativen behandelt. Der Prozess der gemeinsamen Landesbewertung führt unmittelbar zum Entwicklungshilfe-Programmrahmen der Vereinten Natio­nen, der den Planungsrahmen für die Ausarbeitung von Programmen darstellt, die eine kohärente Entwicklungs­hilfestrategie der Vereinten Nationen auf Landesebene um­fassen. Dieser Prozess gestattet es, Hauptrisikofaktoren und Präventionsfragen bereits in der Anfangsphase des Programmzyklus zu berücksichtigen und so gemeinsame Ziele und Kooperationsstrategien festzulegen.

70.      In Anbetracht dessen, dass gewalttätige Konflikte zu den schwerwiegendsten Bedrohungen für eine nachhaltige Entwicklung gehören, bieten sowohl die gemeinsame Landesbewertung als auch der Entwicklungshilfe-Pro­grammrahmen eine bedeutende Gelegenheit zur Ermittlung und Umsetzung von Friedenskonsolidierungs- und Kon­fliktpräventionsstrategien auf Landesebene. Die Ent­wick­lungs­gruppe der Vereinten Nationen soll daher sicher­stellen, dass Konfliktpräventions- und Friedenskonso­lidie­rungsaspekte in diese Prozesse eingebunden werden, was einen grundlegenden Schritt für eine Entwicklungs­pro­grammierung darstellt, die unter dem Blickwinkel der Kon­flikt­prävention erfolgt und die Landesteams der Vereinten Nationen in die Lage versetzen wird, in Partnerschaft mit den einzelstaatlichen Regierungen und der Zivilgesellschaft Konfliktpräventionsfragen auf Landesebene gemeinsam anzugehen.

71.      Die Kohärenz der Maßnahmen auf dem Gebiet der Konfliktprävention wird außerdem durch das systemweite Ausbildungsprogramm "Frühwarnung und Präventiv­maß­nahmen: Aufbau der Kapazitäten der Vereinten Nationen" gefördert, welches die Fortbildungsakademie der Vereinten Nationen für die Bediensteten der Organisation durchführt. Dieses Programm schafft ein Forum für einen vertieften Meinungsaustausch und eine bessere Koordinierung zwi­schen den Organisationen und Bereichen der Vereinten Nationen, die sich mit den grundsatzpolitischen und den praktischen Aspekten von Präventivmaßnahmen befassen. Die im Rahmen des Programms durchgeführten Arbeits­seminare ergänzen die Ausbildung, die die Landesteams der Vereinten Nationen in Bezug auf die gemeinsame Landesbewertung und den Entwicklungshilfe-Programm­rahmen der Vereinten Nationen erhalten.

72.      Die Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen muss durch eine einheitliche Politik der Mitglied­staaten gegenüber den Vereinten Nationen ergänzt werden. Allzu oft haben die Hauptabteilungen, Organisationen und Programme festgestellt, dass Vorschläge, die in einem Fo­rum die politische Zustimmung von Mitgliedstaaten gefun­den haben, in anderen Foren, insbesondere in Finanzforen, keinerlei Unterstützung seitens derselben Staaten erhalten. Treten derartige Diskrepanzen auf, so lassen sich die insti­tutionellen Verantwortlichkeiten für die jeweiligen Tätig­keiten nicht mehr eindeutig abgrenzen, was die von den Vereinten Nationen unternommenen Anstrengungen zur Aus­arbeitung wirksamer Konfliktpräventionskonzepte ver­kompliziert. Um im Hinblick auf diese Frage möglichst wenige Missverständnisse aufkommen zu lassen, werde ich dafür Sorge tragen, dass das System der Vereinten Nationen seinen Ressourcenbedarf so klar wie möglich begründet.

           Empfehlung 10

Ich lege den Leitungsgremien und anderen zwischen­staatlichen Organen der Fonds und Pro­gramme der Vereinten Nationen sowie den Sonder­organisationen nahe, zu prüfen, wie sie den Aspekt der Konfliktprävention am besten in ihre jeweiligen mandatsmäßigen Aufgaben einbeziehen können.

  C.  Politische Tätigkeit

73.      Innerhalb des Systems der Vereinten Nationen wird der Generalsekretär bei seinen Aufgaben auf politischem Gebiet durch die Hauptabteilung Politische Angelegen­heiten unterstützt, die in vielen Teilbereichen ihrer Tätig­keit eng mit anderen Hauptabteilungen, Bereichen und Organisationen der Vereinten Nationen zusammenarbeitet. Eine der wichtigsten Aufgaben der Hauptabteilung ist es, die politischen Entwicklungen auf der ganzen Welt zu ver­folgen und mögliche Konflikte auszumachen, zu deren Ver­hütung die Vereinten Nationen beitragen könnten. Sie ist außerdem die im System der Vereinten Nationen zuständige Koordinierungsstelle für Konfliktprävention und Friedens­konsolidierung. Zur Unterstützung bei dieser neuen Aufgabe richtete die Hauptabteilung vor drei Jahren die Gruppe Politische Planung ein. 1998 schuf sie außerdem die Gruppe Konfliktprävention, die einen hauptabteilungs­internen Mechanismus für die Ausarbeitung präventiver Handlungsoptionen darstellt. Als die Instanz, die den Exe­kutivausschuss für Frieden und Sicherheit einberuft, fördert die Hauptabteilung darüber hinaus Gespräche auf haupt­abteilungsübergreifender und interinstitutioneller Ebene sowie die Beschlussfassung über präventive Handlungs­optionen.

74.      Die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten hat den Auftrag, potenzielle oder tatsächliche Konflikte zu ermitteln, bei deren Beilegung die Vereinten Nationen eine nützliche Rolle spielen könnten. Jede der vier geogra­fischen Abteilungen innerhalb der Hauptabteilung ist dafür zuständig, potenzielle Krisengebiete ausfindig zu machen und den Generalsekretär frühzeitig auf Entwicklungen und Situationen hinzuweisen, die den Frieden und die Sicher­heit beeinträchtigen könnten. Zu diesem Zweck erstellen die Referenten der vier geografischen Abteilungen der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten Länderprofile für ihre jeweiligen Länder und verfolgen im Laufe der Zeit die weitere Entwicklung der Lage. Durch ihre Beobachtung des natürlichen und normalen Ablaufs des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens sind sie gut posi­tioniert, um Veränderungen und Entwicklungen wahr­zunehmen, die zu einer Krise führen können. Dank mo­derner Kommunikationsmittel und Online-Datenbanken haben die Referenten freien Zugang zu einer gewaltigen Menge an Informationen; dennoch muss die Haupt­ab­teilung ihre Kapazitäten weiter ausbauen, um solche Infor­mationen effektiv nutzen und entsprechend Präventiv­maßnahmen vorschlagen zu können.

75.      Die im jüngsten Bericht des Generalsekretärs über die Umsetzung der Empfehlungen des Sonderausschusses für Friedenssicherungseinsätze und der Sachverständigen­‑
gruppe für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen vorgesehene neue Gruppe für systemweite Politik und Analyse (siehe A/55/977, Ziffern 301-307) könnte, sofern sie eingerichtet wird, dazu beitragen, die Kapazität der Hauptabteilung auf diesem Gebiet zu stärken, indem sie als Sekretariat des Exekutivausschusses für Frieden und Sicherheit fungiert.

76.      Die Generalversammlung hat anerkannt, dass ein rechtzeitiger Einsatz der vorbeugenden Diplomatie das zweckmäßigste und effizienteste Mittel ist, um Spannungen abzubauen, bevor sie zu einem Konflikt führen. Zu diesem Zweck bemüht sich die Hauptabteilung darum, wirksamere Methoden der vorbeugenden Diplomatie zu entwickeln. Dazu gehören Ermittlungsmissionen, die Entsendung von Sonderbotschaftern in kritische Regionen, die Wahr­neh­mung der Guten Dienste des Generalsekretärs und die Schaffung von Gruppen von Freunden des Generalsekretärs in verschiedenen Regionen, die aus einigen unmittelbar interessierten Mitgliedstaaten bestehen.

77.      Ein beträchtlicher Teil der Arbeit der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten auf dem Gebiet der Konflikt­prävention besteht in der Unterstützung der Sonderbeauf­tragten und Sonderbotschafter des Generalsekretärs sowie der Missionen und Büros im Feld. Die Hauptabteilung unter­stützt derzeit Missionen in Afghanistan, Angola, Papua-Neuguinea, Burundi, Guatemala, dem ostafrika­ni­schen Zwischenseengebiet, Libanon, den besetz­ten palästi­nen­si­schen Gebieten* und Somalia. Überdies hat die Haupt­ab­tei­lung Politische Angelegenheiten Büros zur Unter­stützung der Friedenskonsolidierung in der Zentralafrika­ni­schen Republik, Guinea-Bissau, Liberia und Tadschi­ki­stan einge­richtet. Diese Büros arbeiten eng mit Staatsmi­niste­rien, Nationalversammlungen, politischen Parteien, der Zivil­ge­sell­schaft und anderen Akteuren vor Ort zusammen, um die jeweiligen einzelstaatlichen Friedenskonsolidie­rungs­bemü­hungen zu unterstützen.

78.      Die Büros der Vereinten Nationen zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung können durch ihre Unter­stüt­zung der Landesteams und der nichtresidierenden Orga­nisationen/Büros der Vereinten Nationen und in enger Zusammenarbeit mit diesen einen wesentlichen Beitrag zur Ausarbeitung vielschichtiger Programme leisten, mit denen zahlreiche der tieferen Ursachen von Konflikten ange­gangen werden. Dazu gehören beispielsweise die Verbes­serung der Unterstützung für demokratische Grund­sätze wie die Gewährleistung einer fairen Rolle für die Oppo­sition, der gleichberechtigte Zugang zu den öffentlichen Medien, die Reform des Sicherheitssektors, die Förderung der Toleranz und der Achtung der Menschenrechte sowie die Gewährung technischer Hilfe in Verfassungsfragen und zu Gunsten nationaler Institutionen. In Zukunft könnte die Rolle derartiger Büros mit Zustimmung der Mitgliedstaaten auf konfliktanfällige Regionen und Länder ausgeweitet werden.

79.      Die von den Vereinten Nationen geleistete Arbeit zur Unterstützung der Demokratie in ihren Mitgliedstaaten trägt in erheblichem Maße zur Konfliktprävention bei. Dazu gehört eine umfassende Unterstützung auf dem Ge­biet der Staatsführung und der Rechtsstaatlichkeit, ein­schließlich der Wahlhilfe. Es ist nachgewiesen, dass eine solche Unterstützung maßgeblich dazu beiträgt, den Zu­sammenbruch demokratischer Institutionen und Prozesse zu verhindern, insbesondere in im Übergang befindlichen Ge­sellschaften oder in neuen oder wiederhergestellten Demo­kratien. Beispielsweise hat die Abteilung Wahlhilfe der Vereinten Nationen seit ihrer Einrichtung in Zusam­men­arbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Na­tionen (UNDP) bei mehr als 150 Wahlvorgängen Hilfe ge­währt, um die vorhandene Verwaltungskapazität von Mit­glied­staaten zur Durchführung glaubhafter, transpa­ren­ter und fairer Wahlen zu steigern und bei der Festigung demo­kratischer Institutionen behilflich zu sein. Eine nach­haltige Entwicklung ist ohne Zweifel nur dann mög­lich, wenn Menschen frei und effektiv an Entscheidungs­pro­zes­sen teilhaben.

80.      Die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten be­müht sich derzeit darum, ihre Frühwarn- und Analyse­kapazitäten zu verbessern, die Qualität ihrer Mitarbeiter durch Aus- und Fortbildung zu verbessern, ihre Koordi­nierung und Zusammenarbeit mit den anderen Hauptab­teilungen, Fonds und Organisationen der Vereinten Natio­nen zu verbessern, ihre Zusammenarbeit mit den Regie­rungen und den Regionalorganisationen zu verbessern, ihre Kontakte zu den Forschungsinstituten und zuständigen nichtstaatlichen Organisationen auszubauen und über den Treuhandfonds für vorbeugende Maßnahmen die Ermitt­lungs- und Moderationsmissionen sowie die anderen Tätig­keiten zu unterstützen, die darauf gerichtet sind, potenzielle Konflikte zu entschärfen und zu verhindern, dass beste­hende Streitigkeiten in Konflikte ausarten. Außerdem ist sie dabei, ihre Kapazität zur Wahrnehmung ihrer Rolle als Koordinierungsstelle im System der Vereinten Nationen für die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit sowie zur Unterstützung der steigenden Zahl von Friedens­konso­lidierungsmissionen der Vereinten Nationen in Partner­schaft mit anderen Akteuren der Vereinten Nationen zu stärken.

           Empfehlung 11

Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, die Hauptabteilung Politische Angelegen­hei­ten in ihrer Eigenschaft als Koordinie­rungs­stelle für die Konfliktprävention mit ausreichen­den Mit­teln auszustatten, damit sie ihre Aufgaben auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der Friedens­konsolidierung innerhalb des Systems der Verein­ten Nationen erfüllen kann.

  D.  Friedenssicherungseinsätze

81.      Zwar kann argumentiert werden, dass alle Friedens­sicherungseinsätze eine vorbeugende Funktion erfüllen, da ihr Ziel darin besteht, den Ausbruch oder das Wiederauf­flammen von Konflikten zu verhüten, doch wird ihre vorbeugende Rolle immer dann besonders deutlich, wenn sie vor Beginn eines bewaffneten Binnen- oder interna­tio­nalen Konflikts disloziert werden. Dies geschah im Laufe des vergangenen Jahrzehnts drei Mal: mit der Präventiv­einsatztruppe der Vereinten Nationen (UNPREDEP) in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Mission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik (MINURCA) und einer Serie von Einsätzen in Haiti. Neben der Tatsache, dass die jeweiligen Gastländer nicht in einen gewaltsamen Binnen- oder internationalen Konflikt verwickelt waren, hatten alle diese Friedens­siche­rungseinsätze gemein, dass die Möglichkeit, ja sogar die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts bestand, dass die betroffenen Staaten den Einsätzen als einer Form der Prävention zugestimmt hatten und dass jeder Einsatz vom Sicherheitsrat genehmigt worden war.

82.      Aus der Seltenheit vorbeugender Einsätze lässt sich schließen, dass die internationale Gemeinschaft bislang zögert, die für einen Friedenseinsatz notwendigen poli­ti­schen und finanziellen Ressourcen aufzuwenden, wenn der Grund dafür nicht so klar ist wie bei einem offenen Konflikt. Ungeachtet dessen, dass sich der Erfolg eines vorbeugenden Einsatzes definitionsgemäß nur schwer prä­zise messen lässt, liegt es auf der Hand, dass es Situa­tio­nen gibt, in denen ein vorbeugender Friedens­siche­rungseinsatz Menschenleben retten und die Stabilität fördern kann. Die Tatsache, dass während der oben genannten Einsätze kein Konflikt im Gastland ausbrach, legt eindringlich nahe, dass ein vorbeugender Einsatz der Vereinten Nationen als Symbol des Interesses der internationalen Gemeinschaft und als Mittel zur Förderung ihrer Ziele einen ganz entscheidenden Beitrag leisten kann.

83.      Solche Erfahrungen zeigen, dass es notwendig sein kann, einen vorbeugenden Einsatz für einen längeren Zeit­raum aufrechtzuerhalten, wenn die Sicherheit fort­lau­fend bedroht ist, und dass das durch einen solchen Einsatz Er­reichte durch längerfristige friedenskonsolidierende Folge­maßnahmen der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden muss. Bei vorbeugenden Einsätzen bedarf es eben­so wie bei anderen Formen der Friedenssicherung eines mehrdimensionalen Ansatzes, um die tieferen Ursachen von Konflikten anzugehen. Die Reform und die Umstruk­turierung der lokalen Strafverfolgungsbehörden, die Ent­waffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehe­maliger Kombattanten, Aufklärungsprogramme über die Minengefahr und Minenräummaßnahmen sowie der Auf­bau von Menschenrechts- und demokratischen Institutionen können allesamt wesentliche Bestandteile dieser Anstren­gungen sein. Darüber hinaus ist es offenkundig, dass vor­beugende Einsätze wie alle Friedenssicherungseinsätze nur dann zu einem dauerhaften Frieden beitragen können, wenn die jeweiligen Parteien willens sind, die sich ihnen bietende Gelegenheit zu nutzen.

84.      In Anbetracht des engen Zusammenhangs zwischen der Friedenssicherung und der Friedenskonsolidierung be­grüße ich die jüngste Erklärung des Präsidenten des Sicher­heitsrats, in der erneut darauf verwiesen wird, dass es von Nutzen sein kann, in das Mandat von Friedens­siche­rungs­einsätzen gegebenenfalls auch Elemente der Friedenskon­so­li­dierung aufzunehmen. In Anbetracht der bürgerkriegs­ähnlichen Konflikte, die für die Welt nach dem Kalten Krieg charakteristisch sind, muss hierbei besonderes Ge­wicht auf die Zivilpolizei gelegt werden, die eine immer wichtigere vorbeugende Rolle bei der Friedenssicherung der Vereinten Nationen übernommen hat. Sie hat mit dafür gesorgt, dass die für Recht und Ordnung zuständigen Kräfte vor Ort wieder über Rückhalt in der Öffentlichkeit ver­fügen, sei es durch die Ausbildung der örtlichen Polizei und die Überwachung der Wahrnehmung ihrer Dienstpflichten oder durch die Gewährung von Hilfe bei der Neugliederung und Reform der Polizeiinstitutionen.

85.      In diesem Zusammenhang hat die internationale Ge­meinschaft bereits einige Schritte zur Stärkung der Grund­lagen für die Beteiligung von Zivilpolizei an Friedens­sicherungseinsätzen unternommen. Im Jahr 2000 stellte die Generalversammlung zusätzliche Mittel für Unterstüt­zungsstrukturen am Amtssitz bereit, während das Sekre­tariat sich darum bemüht hat, den normativen Rahmen für diese Anstrengungen durch die Ausarbeitung von Grund­sätzen und Richtlinien für Zivilpolizeieinsätze der Verein­ten Nationen zu stärken. Dennoch bedarf es weiterer Anstrengungen auf mehreren Gebieten, die in meinem aktuellen Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen des Sonderausschusses für Friedenssicherungseinsätze und der Sachverständigengruppe für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen (A/55/977) einer detaillierten Analyse unterzogen werden.

           Empfehlung 12

Ich ermutige die Mitgliedstaaten und den Sicher­heitsrat, gegebenenfalls vorbeugende Einsätze ak­ti­ver zu nutzen, bevor ein Konflikt ausbricht.

           Empfehlung 13

Ich lege dem Sicherheitsrat eindringlich nahe, die Aufnahme von Elementen der Friedens­konso­li­die­rung in Friedenssicherungseinsätze zu unter­stüt­zen, soweit relevant, und in dieser Hinsicht die Ka­pazitäten des Sekretariats unter anderem mittels der Maßnahmen zu steigern, die in mei­nem Be­richt über die Umsetzung der Empfeh­lungen des Sonderausschusses für Friedens­siche­rungs­ein­sätze und der Sachverständigengruppe für die Friedens­missionen der Vereinten Nationen (A/55/977) ge­nannt sind.

   E.  Abrüstung

86.      Die Entwicklung der Normen auf dem Gebiet der Abrüstung ist ein fortlaufender Prozess, und noch immer gibt es Bereiche, wie beispielsweise die Flugkörper­ent­wicklung und Kleinwaffen, in denen ein internationaler normativer Rahmen fehlt. Die Abrüstungsverträge und ‑übereinkünfte tragen durch die Förderung der Herrschaft des Völkerrechts zur Verhütung bewaffneter Konflikte bei. Es ist unabdingbar, dass mehr Staaten diesen multilateralen Verträgen beitreten und dass ihre Anwendung verifiziert wird, damit die Nationen darauf vertrauen können, dass ihre Sicherheit gewährleistet ist.

87.      Der Austausch von Informationen und andere For­men der Transparenz auf dem Gebiet der Rüstung und in militärischen Fragen im Allgemeinen können dabei helfen, das Risiko eines Missverständnisses oder einer Fehlein­schätzung so gering wie möglich zu halten, und können auf diese Weise zu größerem Vertrauen und stabileren Bezie­hungen zwischen den Staaten beitragen. Sie können außer­dem als Frühwarnmechanismen dienen und den Erwerb von Waffen einschränken oder bremsen, indem sie dazu bei­tra­gen, Fälle von exzessiver oder destabilisierender Ansamm­lung von Waffen aufzuzeigen. Die Hauptabteilung Ab­rüstungsfragen verwaltet und aktualisiert zwei globale transparenzfördernde Instrumente: das Register der Verein­ten Nationen für konventionelle Waffen und das standar­disierte Berichtssystem der Vereinten Nationen über Militärausgaben.

88.      Ich habe in meinem Millenniums-Bericht (A/54/2000) erklärt, dass die Verbreitung von Kleinwaffen nicht nur eine Frage der Sicherheit ist, sondern auch den Bereich der Menschenrechte und der Entwicklung berührt. Sie verlängert und verschärft bewaffnete Konflikte, bringt Friedenssicherungspersonal und humanitäre Helfer in Ge­fahr, untergräbt die Achtung vor dem humanitären Völker­recht, bedroht rechtmäßige, doch schwache Regierungen und spielt Terroristen und organisierten Kriminellen glei­chermaßen in die Hand. Maßnahmen zur Verhütung des Missbrauchs und des unerlaubten Transfers von Klein­waffen sowie zur Beseitigung der tieferen Ursachen für die Nachfrage nach Kleinwaffen würden in hohem Maße zur Konfliktprävention beitragen.

89.      Konkrete Abrüstungsmaßnahmen haben breite Aner­kennung gefunden, insbesondere die Projekte "Waffen­ab­gabe gegen Entwicklungsförderung", die darauf gerichtet sind, illegale Waffen wiederaufzufinden und einzusammeln und als Gegenleistung dafür gemeinwesengestützte Ent­wicklungsanreize zu schaffen. Zusätzlich zur Einziehung illegaler Waffen aus der Zivilbevölkerung und der im Be­sitz ehemaliger Kombattanten befindlichen Waffen kön­nen die Vernichtung und die Beseitigung solcher Bestände zur Verhütung von Konflikten oder ihres Wiederauf­flam­mens beitragen, indem sie die Anzahl der im Umlauf be­find­li­chen Waffen, die häufig von einem Konflikt zum anderen weitergegeben werden, reduzieren und den leichten Zugang zu ihnen erschweren.

90.      Im Bereich der konkreten Abrüstungsmaßnahmen arbeitet die Hauptabteilung Abrüstungsfragen mit der Gruppe interessierter Staaten zusammen, die im März 1998 auf Grund einer Resolution der Generalversammlung ein­gerichtet wurde, um konkrete Abrüstungsmaßnahmen zu fördern und insbesondere die Friedens­konsoli­dierungs­be­mühungen in Postkonfliktsituationen zu unterstützen, wäh­rend das UNDP seit 1998 im Rahmen seines Treuhand­fonds für Kleinwaffen Projekte zur Einsammlung, Verwal­tung und Vernichtung von Waffen ausarbeitet und unter­stützt. Als Grundlage für diese Tätigkeiten führt die Haupt­abteilung Ermittlungsmissionen durch, in der Regel mit Unterstützung der Hauptabteilung Politische Angelegen­heiten, des UNDP und anderer Organe, bevor die Ausar­beitung der Projektvorschläge abgeschlossen wird. Außer­dem führt das UNDP im Entwicklungskontext auf Feld­ebene kontinuierlich Analysen der Kleinwaffensituation durch, die dabei helfen, lokale und geberorientierte Strate­gien sowie Interventionsmaßnahmen auf Projektebene auszuarbeiten.

91.      Die Hauptabteilung Abrüstungsfragen und das UNDP unterstützen die Mitgliedstaaten auf deren Ersuchen bei der Bewältigung der durch die Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen aufgeworfenen Probleme, insbe­son­dere im Rahmen der Friedenskonsolidierung in der Kon­fliktfolgezeit. Im Juni 1998 richtete ich den Koordinie­rungs­mechanismus für Kleinwaffen ein, mit dem Ziel, alle Kleinwaffen betreffenden Maßnahmen innerhalb des Systems der Vereinten Nationen aufeinander abzustimmen, und ernannte die Hauptabteilung zur Koordinierungsstelle des Mechanismus. Der Koordinierungsmechanismus für Klein­waffen umschließt alle Hauptabteilungen und Organisationen, die an einem oder mehreren Aspekten der von der Verbreitung und dem Missbrauch von Kleinwaffen ausgehenden vielschichtigen Gefahr interessiert sind. Darüber hinaus leistet die Hauptabteilung fachliche Unter­stützung für die erste Konferenz der Vereinten Nationen über den unerlaubten Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten, die im Juli 2001 am Amtssitz der Vereinten Nationen abgehalten wird und die Aus­arbei­tung eines Aktionsprogramms zur Eindämmung des uner­laubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen zum Ziel hat.

92.      Gemeinsam mit dem UNDP spielte die Hauptabtei­lung Abrüstungsfragen eine führende Rolle bei der Konzi­pierung eines Projekts "Waffenabgabe gegen Entwicklungs­förderung", das in Zusammenarbeit mit dem UNDP im Bezirk Gramsch (Albanien) durchgeführt wurde, nachdem die albanische Regierung um Hilfe bei der Einziehung von Kleinwaffen und leichten Waffen ersucht hatte, die wäh­rend Unruhen im Jahr 1997 von der Zivilbevölkerung il­le­gal erworben wurden. Seither wurden in anderen Bezirken Albaniens ähnliche Projekte in die Wege geleitet. Das Konzept "Waffenabgabe gegen Entwicklungsförderung" hat auch in anderen Regionen Aufmerksamkeit und Interesse hervorgerufen. Die Entwaffnung konfliktanfälliger Gesell­schaften ist daher ein wichtiger Bestandteil der Konflikt­prävention.

93.      Ebenso wichtig wie die Entwaffnung konflikt­an­fäl­liger Gesellschaften ist auch die Entwaffnung von Gesell­schaften in der Konfliktfolgezeit, damit ein Rückfall in einen Konflikt verhütet wird. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft ausreichende Ressourcen zur Unterstützung von Entwaffnungs-, Demo­bilisierungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen bereit­stellt. Die Weltbank spielt eine bedeutende Rolle auf die­sem Gebiet: sie gewährt technische Hilfe bei der Aus­arbeitung umfassender Entwaffnungs-, Demobili­sie­rungs- und Wiedereingliederungsprogramme, ist bei der Wieder­eingliederung von Exkombattanten in die Zivil­gesell­schaft behilflich und erteilt Rat in Fragen im Zusam­menhang mit der Regierungs- und Verwaltungsführung und den Staats­ausgaben. Die humanitären Partnerorganisationen spielen bei den Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Wiederein­gliederungsprojekten ebenfalls eine zentrale Rol­le. So ist zum Beispiel das Welternährungsprogramm seit Beginn der neunziger Jahre einer der Hauptpartner bei den von den Vereinten Nationen unterstützten Demobili­sie­rungs­pro­grammen (in Namibia, Angola, Mosambik, Liberia, Sierra Leone und Eritrea). In Anbetracht der Bedeutung der humanitären Hilfe und der Wiederauf­bauhilfe während und nach der Durchführung von Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsprogrammen geht aus den bisherigen Erfahrungen hervor, dass die humanitären Partner­organi­sa­tio­nen frühzeitig an der Pla­nung dieser Programme beteiligt werden müssen. Die Erfahrungen in Liberia und Sierra Leone sind ein ernüch­terndes Beispiel dafür, wie zu einem Wiederaufflammen der Gewalt beigetragen werden kann, wenn keine angemessenen Ressourcen für Entwaffnungs-, Demobi­lisie­rungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen bereitgestellt werden.

           Empfehlung 14

Ich ermutige die Mitgliedstaaten zu größerer Trans­parenz in Militärfragen, namentlich durch eine breitere Beteiligung an den Instrumenten der Vereinten Nationen betreffend die Rüstungs­trans­parenz und die Militärausgaben. Außerdem for­dere ich die Generalversammlung und die anderen Abrüstungsorgane der Vereinten Nationen auf, die bestehenden Frühwarn- und Transparenz­mecha­nismen im Zusammenhang mit der Abrüstung zu stärken, insbesondere im Hinblick auf Klein­waf­fen und leichte Waffen.

           Empfehlung 15

Um ein Wiederaufflammen von Konflikten zu ver­hüten, lege ich dem Sicherheitsrat nahe, gege­benen­falls eine Entwaffnungs-, Demobilisie­rungs- und Wiedereingliederungs­komponente in die Man­date der Friedens­sicherungs- und Frie­dens­kon­solidierungs­einsätze der Vereinten Natio­nen aufzunehmen.

   F.  Maßnahmen auf dem Gebiet der Men­schenrechte

94.      Um bewaffnete Konflikte auf Dauer zu verhüten, müssen auch gezielt die Achtung der Menschenrechte ge­fördert und die grundlegenden Probleme im Zusammen­hang mit Menschenrechtsverletzungen gelöst werden, wo immer sie auftreten. Die Anstrengungen zur Verhütung be­waffneter Konflikte sollen ein breites Spektrum von Menschenrechten fördern, darunter nicht nur die bürger­lichen und politischen Rechte, sondern auch die wirtschaft­lichen, sozialen und kulturellen Rechte einschließlich des Rechts auf Entwicklung.

95.      In ihrer Resolution 48/141 ersuchte die General­ver­sammlung das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), aktiv tätig zu werden, um die Fortdauer von Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt zu verhindern. In ihrem Bericht an die Menschenrechtskommission auf ihrer sechsundfünfzigsten Tagung (E/CN.4/2000/12) unterstrich die Hohe Kommis­sarin, wie wichtig es ist, die Präventionsstrategien in vielen verschiedenen Bereichen der Menschenrechte zu ver­stär­ken.

96.      In dem Bemühen, die Kapazitäten auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes auszubauen und auf diese Weise zur Konfliktprävention beizutragen, führt das OHCHR derzeit in Zusammenarbeit mit Staaten, Organi­sationen der Vereinten Nationen und regionalen Partnern mehr als 50 technische Kooperationsprojekte durch, um den Regierungen, einzelstaatlichen Institutionen und nicht­staatlichen Organisationen bei der Erweiterung ihrer Kapa­zitäten auf dem Gebiet der Menschenrechte behilflich zu sein. Diese Tätigkeiten sowie die Bildungsprogramme stär­ken die Herrschaft des Rechts und die Fähigkeiten der Mit­gliedstaaten auf dem Gebiet der Menschenrechte. Die von den Menschenrechts-Sondermechanismen und -Ver­trags­­­or­ga­nen sowie von den Feldmitarbeitern des OHCHR ein­gehen­den Informationen sollten besser in die Ausar­bei­tung von Präventionsstrategien integriert werden. Den Feld­büros des OHCHR kommt außerdem bei den prä­ventiven Pro­zes­sen eine Rolle zu.

97.      Dem Internationalen Strafgerichtshof wird eine we­sentliche Rolle zukommen, wenn es darum geht, die schwer­wiegendsten Verletzungen der Menschenrechte mit­tels der Durchsetzung des Grundsatzes der internatio­nalen strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu verhindern. Bis zur Einrichtung des Strafgerichtshofs können Gerichtsorgane wie beispielsweise die internationalen Strafgerichtshöfe für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien sowie die auf Grund der Menschenrechtsverträge geschaffenen Gerichts­barkeiten ebenfalls zur Konfliktprävention beitragen, indem sie den Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit für solche Verbrechen durchsetzen und von künftigen Verlet­zungen abschrecken. In diesem Zusammenhang sind die Ratifikation und die Anwendung der Menschenrechts­ver­träge durch die Mitgliedstaaten sowie die Ratifikation des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs beziehungs­weise der Beitritt dazu von besonderer Wichtigkeit.

98.      Vom 31. August bis 7. September 2001 wird die Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende In­toleranz viele der Fragen im Zusammenhang mit Rassen- und ethnischen Konflikten erörtern, und ich hoffe, dass sie konkrete Empfehlungen abgeben wird, namentlich im Hin­blick auf Frühwarnsysteme, vertrauensbildende Maß­nahm­en sowie strukturelle und institutionelle Unterstüt­zungs­mechanismen mit dem Ziel, zu verhindern, dass ethnische Spannungen in bewaffnete Konflikte ausarten.

Empfehlung 16

Ich fordere den Sicherheitsrat und die General­ver­sammlung auf, im Rahmen ihrer Anstren­gun­gen zur Verhütung bewaffneter Kon­flikte die von den Menschenrechts­mecha­nismen und ‑orga­nen eingehenden Informationen und Analysen in vol­lem Umfang zu nutzen.

Empfehlung 17

Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, so­weit nicht bereits geschehen, die Menschen­rechts­verträge und das Statut des Internationalen Straf­gerichtshofs zu ratifizieren beziehungsweise ihnen beizutreten.

  G.  Entwicklungshilfe

99.      Entwicklungshilfe allein kann Konflikte weder ver­hüten noch beenden. Sie kann jedoch Perspektiven eröffnen und die Schaffung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Freiräume erleichtern, innerhalb deren die lokalen Akteure die Ressourcen bestimmen, erschließen und nutzen können, die für den Aufbau einer friedlichen, fairen und gerechten Gesellschaft erforderlich sind. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Entwicklung nur dann nachhaltig sein kann, wenn die Entwicklungsstrategien ihre eigenen Auswirkungen auf die Spannungen berücksichtigen, die zu Gewalt führen können, sowie Maßnahmen fördern, die solchen Spannungen ent­gegenwirken. Kriege und Konflikte bringen Verluste an Menschenleben und Zerstörung mit sich, werfen die betrof­fenen Länder in ihrer Entwicklung zurück und drängen sie an den Rand der Weltwirtschaft.

100.    Die vom System der Vereinten Natio­nen gewährte Entwicklungshilfe muss hauptsächlich darauf gerichtet sein, die wichtigsten strukturellen Risikofaktoren abzu­bauen, die gewaltsame Konflikte fördern: beispiels­weise die Ungerechtigkeit, indem die Disparitäten zwischen Iden­ti­tätsgruppen beseitigt werden; die Ungleichheit, indem ge­gen die Politiken und Praktiken vorgegangen wird, die die Diskriminierung institutionalisieren; die Mängel im Justiz­wesen, indem die Herrschaft des Rechts, ein wirk­samer und fairer Rechtsvollzug und eine ebensolche Rechtspflege sowie gegebenenfalls die ausgewogene Ver­tre­tung in den Institutionen, die der Herrschaft des Rechts dienen, geför­dert werden; und die Unsicherheit, indem eine rechen­schafts­pflichtige und transparente Staatsführung gefördert und die menschliche Sicherheit verstärkt wird. In diesem Lichte ist es nützlich, dass die residierenden Koor­dinatoren der Vereinten Nationen gegebenenfalls und in Zusammen­arbeit mit den Regierungen die Möglichkeit prüfen, einen Gruppenmechanismus zum Thema Konflikt­prävention auf Landesebene einzurichten, der sicherstellen soll, dass gemeinsame kohärente Entwicklungsstrategien zur Bekämpfung der wichtigsten Risikofaktoren ausge­arbeitet werden.

101.    Darüber hinaus sollte die Entwicklungs­zusam­men­arbeit der Vereinten Nationen darauf gerichtet sein, die Gesell­schaft besser in die Lage zu versetzen, Spannungen zu bewältigen, unter Kontrolle zu halten und beizulegen, bevor ein gewaltsamer Konflikt ausbricht. Dazu gehört die Gewährung von Hilfe zur Stärkung der staatlichen Len­kungs­strukturen in den Bereichen, die sich in der Entwick­lung befinden, was dabei helfen wird, instabile Situationen zu bewältigen, das Justizwesen anzugehen, traditionelle Konfliktbeilegungsmechanismen anzuwenden, den politi­schen Willen und die Führungsfähigkeit zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zu entwickeln, Fähigkeiten und Methoden auf dem Gebiet der Konfliktbeilegung zu ent­wickeln, Konsens zu schaffen und einen öffentlichen Politikdialog zu führen sowie partizipative und integrative Entscheidungsprozesse bei zentralen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fragen zu fördern. Alle Entwick­lungspolitiken, -programme und -projekte müssen aus dem Blickwinkel der Konfliktprävention betrachtet werden, damit die sozioökonomischen Ungleichheiten und Unge­rechtigkeiten nicht in gewalttätige Konflikte münden. Dieser Konfliktpräventionsansatz muss zu einem Bestand­teil des Prozesses der gemeinsamen Landesbewertung und des Entwicklungshilfe-Programmrahmens werden.

102.    Auf Ersuchen der Regierungen machen die Tätig­kei­ten, die das UNDP in konfliktanfälligen Ländern auf dem Gebiet der Regierungs- und Verwaltungsführung und der Rechts­staatlichkeit durchführt, mittlerweile mehr als die Hälfte der Programme und Tätigkeiten des UNDP aus; der Jahreshaushalt für diese Tätigkeiten übersteigt 1,2 Milliar­den US-Dollar. Darüber hinaus unterstützen mehrere UNDP-Programme die regionale Zusammenarbeit in grenz­überschreitenden Fragen (z. B. im Einzugsgebiet des Tumen-Flusses in Ostasien), die eindeutig eine konfliktver­hütende Wirkung haben. In Postkonflikt­situa­tionen verfol­gen die UNDP-Programme in den Bereichen Gebietsent­wick­lung (z. B. in Kambodscha und Guatemala), Klein­waf­fen (z. B. in Mali, El Salvador und Albanien) sowie Ent­waff­nung, Demobilisierung und Wiederein­glie­derung (z. B. in Mosambik und Guatemala) das Ziel, ein erneutes Auf­flammen bewaffneter Konflikte zu verhindern.

103.    Eine neue Generation von Entwicklungsprojekten kon­zentriert sich speziell auf die Konfliktprävention. So haben beispielsweise mehrere vom UNDP geleitete Pro­jek­te in Rumänien, Bulgarien, der ehemaligen jugosla­wischen Republik Mazedonien, Jugoslawien und der Ukraine das Ziel, innerhalb der Regierung und der Zivil­gesellschaft die Kapazitäten auf dem Gebiet der Frühwar­nung, der Kon­flikt­analyse und der Beilegung von Konflik­ten auf natio­naler und regionaler Ebene zu schaffen und zu stärken. Ein weiteres Pilotprojekt, das UNDP-Projekt "Vorbeugende Entwicklungsmaßnahmen im Süden Kirgi­sistans", ist darauf gerichtet, die Regierung besser in die Lage zu ver­setzen, Präventivmaßnahmen als Teil des Prozes­ses der Natio­nalstaatsbildung zu ergreifen, und zeigt, wie wichtig ein regionaler Ansatz für das Gelingen vorbeugender Entwicklungsmaßnahmen ist. Die Horn-von-Afrika-Ar­beits­gruppe der Ernährungs- und Landwirt­schafts­­organi­sa­tion der Vereinten Nationen (FAO) emp­fiehlt nach­drück­lich, unter der Schirmherrschaft der Zwischenstaat­lichen Behörde für Entwicklung und der OAU und im Rahmen ihres regionalen Ernährungs­sicherungsprogramms Kapazi­täten auf dem Gebiet der Frühwarnung, der Konflikt­prä­ven­tion und der Konflikt­beilegung in der betref­fenden Region aufzubauen. Das UNDP-Projekt "Aufbau der Kapazitäten des OAU-Mecha­nismus für die Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten" ist ein weiteres Beispiel für die Behandlung dieses Themas aus regionaler Sicht.

104.    Außerdem erstellen das UNDP und die Haupt­ab­tei­lung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der­zeit in Zusammenarbeit mit mehr als zehn afrikanischen Insti­tutionen und Fachleuten auf dem Gebiet der Konflikt­bei­legung Ausbildungsmaterial in vier Bereichen: Konflikt­ana­lyse und Aufbau frühzeitiger Eingreif­kapa­zi­täten, Ent­wick­lung der Fähigkeit zur Konflikttransformation, kon­flikt­sensitive Entwicklungsansätze und Aufbau einzel­staat­licher Kapazitäten auf dem Gebiet des Konflikt­ma­nage­ments.

105.    In den vergangenen Jahren hat sich die Zusammen­arbeit zwischen dem System der Vereinten Nationen und den Bretton-Woods-Institutionen verstärkt, die offen aner­kannt haben, dass Konflikte die Verwirklichung ihrer Ent­wicklungsziele ernsthaft beeinträchtigen und dass das Ver­ständnis von Konflikten und Präventivmaßnahmen als Teil ihres Auftrags angesehen werden sollten. In der Welt­bank hat sich dieser neue Ansatz konkret in der Einrichtung einer Gruppe für Postkonfliktsituationen und in der im Januar dieses Jahres beschlossenen neuen Operativen Grundsatz­richtlinie über Entwicklungs­zusam­menarbeit und Konflikte niedergeschlagen. Die Wirt­schafts­forschung der Weltbank zum Thema Bürgerkrieg ist ein weiterer Bereich, aus dem wichtige operative Empfeh­lungen hervorgingen, die, falls sie umgesetzt werden, Konfliktrisiken senken kön­nen.

106.    Mit der Verstärkung der Aktivitäten jeder einzelnen Organisation auf dem Gebiet der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit, die einen weiteren Aspekt der Konfliktprävention darstellt, haben sich auch die Bezie­hungen zwischen ihnen vertieft. Beispiele für diese Zusam­menarbeit finden sich unter anderem in Osttimor und Haiti. Bislang waren jedoch die diesbezüglichen Kontakte zwischen den jeweiligen Amtssitzen begrenzt und sind gerade erst im Aufbau begriffen. Mit Hilfe dieser Kontakte, insbesondere auf operativer Ebene, können beide Organi­sa­tionen ein besseres Verständnis der Situationen gewinnen, deren Entwicklung sie beide verfolgen. Jede Organisation sollte sich im Rahmen ihres jeweiligen Mandats und nach Bedarf an den Konfliktpräven­tions­mechanismen der ande­ren Organisationen beteiligen. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Weltbank das Angebot der Vereinten Nationen an­ge­nom­men hat, im Exekutiv­aus­schuss für Frieden und Sicher­heit mitzuwirken.

107.    Die Kontakte zwischen den Vereinten Nationen und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), die sich in einem weniger fortgeschrittenen Stadium befinden, müssen weiter ausgebaut werden. So könnten die Vereinten Natio­nen und der IWF zusammenarbeiten, um sicherzu­stellen, dass die Kreditvergabepolitiken weder soziale Spannungen verschärfen noch zum Ausbruch gewaltsamer Konflikte beitragen. Mehrere Bereiche, in denen der IWF eine zen­trale Rolle spielt – insbesondere der Bereich der Staatsausgaben –, können im Kontext der allgemeinen Anstrengungen zur Konfliktprävention eine positive oder negative Wirkung auf die politische Situation ausüben. Um die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und den Bretton-Woods-Institutionen auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der Friedens­kon­soli­dierung zu verbessern, sollte die Schaffung eines Konsultationsmechanismus auf Amtssitzebene in Erwä­gung gezogen werden.

           Empfehlung 18

Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, von den Beratenden Diensten und der technischen Hilfe Gebrauch zu machen, die das UNDP und die anderen Handlungsträger der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Entwicklung anbieten und die darauf gerichtet sind, die einzelstaatlichen Kapa­zi­täten zur Beseitigung der strukturellen Risiko­fak­toren zu verstärken.

           Empfehlung 19

Ich rufe die Geberländer auf, zusätzliche Mittel be­reitzustellen, um die Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen besser in die Lage zu ver­set­zen, wirksam auf Hilfeersuchen der Mitglied­staa­ten zu reagieren, die strukturellen Kapazi­täten auf dem Gebiet der Konfliktprävention zu stärken und die Süd-Süd-Zusammenarbeit auf diesem Ge­biet zu erleichtern.

  H.  Humanitäre Tätigkeiten

     1.   Allgemeine Erwägungen

108.    Humanitäre Tätigkeiten spielen zweifelsohne eine maßgebliche Rolle bei der Linderung der Not der von Krisen betroffenen Zivilbevölkerung, doch können die hu­manitären Akteure auch zur Konfliktprävention beitragen, indem sie Projekte durchführen, die darauf abzielen, ein Wiederaufflammen von Konflikten zu vermeiden. In den Ländern und Regionen, in denen die Gefahr von Verfol­gung, Gewalt und Vertreibung besteht, haben die huma­nitären Organisationen die Aufgabe, eine wirksame Daten­erfassungs- und -analysekapazität zu entwickeln, um zu er­mitteln, welche Länder von humanitären Krisen bedroht sind.

109.    Die Verhütung einer Binnenvertreibung von Zivil­personen spielt eine wichtige und zuweilen entscheidende Rolle im Rahmen der Konfliktprävention. Arbeitslose und entfremdete binnenvertriebene Männer und Jugendliche, insbesondere diejenigen, die in Lagern für Binnen­ver­trie­bene leben, sind in hohem Maße der Gefahr der (häufig zwangsweisen) Rekrutierung durch kriegführende Parteien ausgesetzt. Wenn wir gewährleisten können, dass Zivil­personen in ihrer Heimat bleiben und weiter ihrem Lebens­unterhalt und ihrer Bildung nachgehen können, verringert sich die Gefahr, dass sie zu Schachfiguren in militärischen Aktionen werden und so zu weiteren Konflikten beitragen. Die Initiativen zu Gunsten des Schutzes von Zivilpersonen sollten sich nicht nur an die kriegführenden Parteien richten, sondern auch an die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, um sie dazu zu bewegen, angemessene Präventivmaßnahmen zu ergreifen.

110.    Bei anhaltenden humanitären Krisen ist die von den humanitären Organisationen durchgeführte Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit neben den konsolidierten Beitrags­appellen das hauptsächliche Beispiel für humanitäre Tätig­keiten zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für einen bestimmten Konflikt und seine Folgen. Humanitäre Tätig­keiten schaffen oft das einzige Forum, in dem gegnerische Gruppen zusammenkommen und einen Dialog führen können, was bereits an sich einen nützlichen Schritt auf dem Weg zur künftigen Aussöhnung darstellt. Humanitäre Organisationen haben die Schaffung humanitärer Räume, Routen oder Zonen ausgehandelt, die zu begrenzten Feuer­einstellungen geführt und der humanitären Hilfe Zugang zu Not leidenden Bevölkerungsgruppen verschafft haben.

111.    Es ist besonders wichtig, dass die Mitgliedstaaten zum Schutz des Personals der Vereinten Nationen beitra­gen, das in einem unsicheren Umfeld tätig ist. In diesem Zusammenhang sollten alle Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, vordringlich die Ratifikation des Übereinkommens von 1994 über die Sicherheit von Perso­nal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal erwägen. Außerdem ist zu erwähnen, dass die humanitären Akteure häufig während des gesamten Ablaufs der Ereig­nisse, die zu einer Krise führen, im Feld vertreten sind. Diese Präsenz verschafft ihnen den einzigartigen Vorteil, aus erster Hand Informationen und Analysen zu erhalten, die dem Sicherheitsrat zur Kenntnis gebracht werden sollten, damit er die Gelegenheit zu einem raschen vorbeu­genden Eingreifen nutzen kann.

           Empfehlung 20

Ich fordere den Sicherheitsrat auf, das Amt des Nothilfekoordinators der Vereinten Nationen zu bit­ten, die Mitglieder des Sicherheitsrats regel­mä­ßig über Situationen zu unterrichten, in denen die erhebliche Gefahr einer humanitären Notlage be­steht. Außerdem lege ich dem Rat eindringlich nahe, die Organisationen der Vereinten Nationen aufzufordern, in Situationen, in denen die Gefahr einer humanitären Krise besteht, vorbeugende Schutz- und Hilfsmaßnahmen durchzuführen, und sie dabei zu unterstützen. Ich ersuche die huma­nitä­ren Organisationen der Vereinten Na­tionen, derartige vorbeugende Maßnahmen zuneh­mend zu einem Teil ihrer Arbeit zu machen, bevor es zu einer Krise kommt. In dieser Hinsicht fordere ich die Mitgliedstaaten auf, mehr Ressourcen für die entsprechenden Tätigkeiten dieser Organisationen bereitzustellen.

     2.   Besondere Gesichtspunkte

112.    Die Rolle der Organisationen und Programme der Vereinten Nationen bei der Konfliktpräven­tion fällt, wie im Weiteren beschrieben, unter ihre Tätigkeit in den vier Be­reichen Ernährungssicherung, Flüchtlinge, Gesundheit und Kinder.

    a)   Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelhilfe in Not­standssituationen

113.    Hunger und Konflikte sind eng miteinander verbun­den, da in Kriegen, gleichviel ob innerhalb eines Staates oder zwischen Staaten, die Kontrolle über die Nahrungs­mit­tel­quellen und -versorgung bezie­hungs­weise deren Unter­brechung häufig als Mittel der Kriegsführung und/ oder zum Zweck des Aushungerns der gegnerischen Grup­pen angehörenden Zivilbevölkerung eingesetzt wird, wie beispielsweise in Angola, Sudan, Mosambik und Sierra Leone. Nahrungsmittelproduktion und -versorgung gehören in Konfliktsituationen zu den ersten Opfern. Darüber hinaus werden die Menschen durch Vertreibung daran ge­hindert, Nahrungs­mittel auf gewohnte Weise zu erzeugen beziehungsweise zu erwerben.

114.    Konflikte führen unmittelbar zu einer zunehmend un­sicheren Ernährungslage, wodurch die Überwindung der tieferen Ursachen der Konflikte zusätzlich erschwert wird. Die jüngsten Konflikte und Besetzun­gen landwirt­schaft­licher Betriebe in Ländern des südlichen Afrika sowie die Kämpfe zwischen Weidetier­haltern und sesshaften Bauern im östlichen Afrika machen deutlich, dass der Zugang der Armen zu den auf Grund und Boden beruhenden Res­sour­cen eine wichtige Grundlage für den Frieden und eine nachhaltige Entwicklung darstellt. In ähnlicher Weise ge­hört die Landkonzentration in Verbindung mit der Armut in La­teinamerika zu den Hauptproblemen, die den anhal­ten­den Konflikten in dieser Region zugrunde liegen. Wo Men­schen den Nahrungsmittelbedarf ihrer Familie nur durch die völlige Erschöpfung der natürlichen Res­sourcen oder die Verwendung degradierter Ressourcen decken können, son­diert das Welternährungs­programm (WEP) Wege zur Ge­währung einer Nahrungsmittelhilfe, die die Maßnahmen zur Erschließung der natürli­chen Ressourcen sowie andere Maßnahmen der Boden- und Ressourcenbewirtschaftung unter­stützt. Dies kann Kon­flikte vermeiden helfen, die auf Spannungen auf Grund von begrenzten natürlichen Res­sour­cen beruhen oder damit verbunden sind.

115.    Die grenzüberschreitende Wasserversorgung kann so­wohl Konfliktursache als auch Gelegenheit zur Zusam­men­arbeit sein. Es gibt Anzeichen, dass guten hydro­logischen Informationen unter anderem eine Rolle bei der Verhütung von Konflikten im Zusammenhang mit Wasser­ressourcen zukommt. Die FAO unter­stützt gegenwärtig eine Viel­zahl von internationalen Fluss­becken- und Regional­orga­ni­sationen wie beispielsweise die Entwicklungs­ge­mein­schaft des südlichen Afrika (SADC) bei der Kon­zeption und Durchführung gemeinsamer Strate­gien für die Bewirtschaftung von Wasserressourcen. Dazu gehören die Nilbeckeninitiative, die Kommission für das Tschadsee-Becken und die Nigerbecken-Behörde. Die FAO unterstützt außerdem den Aufbau von Einrichtungen zur Bewirt­schaf­tung gemeinschaftlich genutzter natürlicher Ressourcen, wobei der Abgleich konkurrierender Interessen zwischen vor- und nachgelagerter Wassernutzung in Was­ser­einzugs­gebieten beziehungsweise zwischen mittelstän­di­scher und industrieller Fischerei in Fischfangge­bieten im Mittelpunkt steht.

116.    Zwar werden Präventionsgesichtspunkte in den Pro­grammen des WEP nicht immer konkret als Ziele heraus­gestellt, doch sind sie von der Arbeit des WEP auf den Gebieten der Nothilfe und der Entwicklung nicht zu trennen. Die Nothilfeprogramme des WEP tragen dazu bei, den Dialog zwischen (potenziell) miteinander in Konflikt stehenden Gruppen oder Parteien (wieder-)herzustellen und ein Klima des Vertrau­ens zwischen den Parteien und gegenüber den internationalen humanitären Hilfsorga­ni­sationen zu schaffen beziehungsweise zu erneuern. Die Öffnung von Straßen und der Wiederaufbau der Verkehrs­infrastruktur, mitunter in Verbindung mit humanitären Anti­minen­aktio­nen, können sich ebenfalls auf lange Sicht positiv auswirken, indem sie den ungehinderten Personen- und Güterverkehr, die Wiederöffnung der Märkte und die Kontakte zwischen voneinander getrennten Gemein­schaf­ten über Konfliktlinien hinweg erleichtern.

117.    Das WEP kann einen wichtigen Beitrag zur sozialen und politischen Stabilität leisten, indem es si­cherstellt, dass seine Ressourcen gezielt den gefährdeten und ausgegrenz­ten Bevölkerungsgruppen und Gebieten zugute kommen und dass ihr Grundbedarf an Nahrungsmitteln gedeckt wird. Nahrungsmittelhilfe kann auch als Katalysator für Wiederaufbau und Entwicklung dienen.

118.    Das WEP und die FAO sind außerdem wichtige Ak­teure, wenn es darum geht, Daten und Infor­matio­nen über Ernährungsunsicherheit und davon ausgehende potenzielle Bedrohungen gefährdeter Men­schen und Bevölkerungs­gruppen zu sammeln, auszuwerten und zu verbreiten. Der FAO-Bericht "Stand der Er­nährungsunsicherheit" enthält die absoluten Zahlen und den Anteil der von einer unsiche­ren Ernäh­rungs­lage betroffenen Menschen weltweit und in den einzelnen Staaten. Die Interinstitutionelle Arbeits­grup­pe für Informationen und Kartierungssysteme über Ernäh­rungs­unsicherheit und entsprechende Gefähr­dung ist bestrebt, die Qualität der Informationen über das Auftreten, die Art und die Ursachen chronischer Ernäh­rungs­unsicher­heit und entsprechender Gefährdung zu verbessern. Das Weltweite Informations- und Früh­warnsystem bewertet die aktuelle und die prognostizierte Nahrungsmittel­versor­gungs­lage (FAO) und den Be­darf an Nahrungsmittelhilfe (WEP) auf der Landesebene und erstattet darüber Bericht. Die Auswertung dieser In­dikatoren ermöglicht dem WEP und der FAO die Entwicklung von Strategien, mittels deren sie gezielt den gefährdetsten Bevölkerungsgruppen helfen können. Seit 1999 haben das WEP und die FAO zuneh­mend an einem Prozess des Informationsaustauschs mit anderen Partnern mitgewirkt, insbesondere durch den Dienststellenübergreifenden Koordinierungsrahmen der Vereinten Nationen. In allen Ländern, in denen das WEP tätig ist, besteht gewöhnlich ein Frühwarnmechanismus, häufig in Zusammenarbeit mit den Regie­rungen, den Organisationen der Vereinten Nationen und anderen Part­nern.

    b)   Flüchtlinge

119.    Das Interesse und die Mitwirkung des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Natio­nen (UNHCR) an der Konfliktprävention wurde in Resolu­tio­nen der Generalversammlung aner­kannt, in denen die Entschlossenheit des jeweiligen Hohen Kommissars be­grüßt wurde, Maßnahmen zu sondieren und durchzuführen, die das Entstehen von Bedingungen verhindern sollen, die Flüchtlings­ströme verur­sachen. Die Generalversammlung forderte den Hohen Kommissar außerdem auf, aktiv neue Möglichkeiten für Präventionsstrategien zu erkunden, die mit den Schutzgrundsätzen im Ein­klang stehen.

120.    Erfahrungen haben gezeigt, dass die Vereinten Nationen in einigen Situationen durch die Anwe­sen­heit des UNHCR in Zonen bewaffneter Konflikte in die Lage versetzt wurden, sich für Menschen einzu­setzen, deren Leben und Freiheit auf dem Spiel standen, die schlimmsten Exzesse der kriegführenden Par­teien zu unterbinden und andere Mitglieder der internationalen Gemeinschaft zu ermutigen, geeignete poli­tische Maßnahmen zu ergreifen. Eine proaktive Strategie im Bereich der Öffentlichkeits­arbeit, der Bezie­hungen zu den Medien und der Lobby­arbeit verbunden mit diskreteren diplomatischen Bemü­hungen kön­nen dazu beitragen, dass das UNHCR in sol­chen Situationen größtmögliche Präventivwirkung er­zielen kann. In den Asylländern kommt der Trennung bewaffneter Elemente von gutgläubigen Flüchtlingen sowie der wirk­samen Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in den von Flüchtlingen besiedelten Ge­bieten ebenfalls eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, das Entstehen und die Eskalation von Kon­flikten zu verhindern.

121.    Es zeichnet sich zunehmend ab, dass der komparative Vorteil des UNHCR in Bezug auf die Ver­hin­derung von Situationen, die zu Flüchtlingsströmen führen, dort zum Tragen kommt, wo bewaffnete Kon­flikte vorüber sind oder ihre Intensität nachgelassen hat. Da die Rückkehr einer großen Anzahl von Flücht­lingen und Binnenvertriebenen in der Konfliktfolgezeit oft destabilisierend wirken kann, insbeson­dere wenn diese Rückkehr rasch und unter Zwang erfolgt, können die Anstrengungen des UNHCR, eine dau­erhafte Rückführungslösung durch die Verknüpfung huma­nitärer Hilfe mit einer langfristigen Ent­wicklung zu stabili­sieren, in hohem Maße zur Verhinderung bewaffneter Kon­flikte beitragen. Eine dauer­hafte poli­tische Lösung ist dann am wahrscheinlichsten, wenn die Rückkehrer und andere Menschen zu produktiven Mitglie­dern ihrer eigenen Gesell­schaft werden können.

    c)   Gesundheit

122.    Die universelle Bedeutung der Frage der Gesund­heits­versorgung gibt ihr auf dem Gebiet der Präven­tivmaßnamen besonderes Gewicht. Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens, wie beispiels­weise nationale Impf­tage, haben Wege für den Dialog und die Aussöhnung geöffnet, und sie sollten nicht nur für von Kriegen betrof­fene Länder in Betracht gezogen werden, sondern auch für konfliktträchtige Zo­nen. In Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Afghanistan und Tadschikistan sind Waffenruhen und Tage der Ruhe, die zwischen den Organisationen der Vereinten Na­tionen und allen Konfliktparteien ausgehandelt werden, ein Schlüssel zur Beseitigung der Kinderläh­mung. Mit Hil­fe des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) und der Weltgesundheitsorgani­sation (WHO) wurde in der Demokratischen Republik Kongo 1999 ein Durchbruch er­reicht, als 8,2 Millio­nen der insgesamt 10 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Impfkampagnen gegen die Kinder­lähmung geimpft wurden. Dem auf breiter Ebene bekannt gemachten Aufruf des Generalsekretärs folgend wurden die Kampfhandlungen in 90 Prozent des Landes ausgesetzt. Solche Impfkampagnen an von den Vereinten Na­tionen ausgehandelten Tagen der Ruhe können Gelegenheit zum Dialog zwischen den verschiedenen Seiten eröffnen und zu entscheidender Zeit helfen, den Ausbruch oder die Eskalation bewaffneter Konflikte zu verhindern.

123.    Im subsaharischen Afrika stellt HIV/Aids eine beson­ders ernste Bedrohung für die wirtschaftli­che, soziale und politische Stabilität dar. Nicht nur einzelne Bürger, sondern auch die gesellschaftsprägen­den Institutionen sind davon bedroht. Potenziell besteht die Gefahr, dass sich die HIV/Aids-Epidemie auch in anderen Teilen der Welt rasch ausbreitet. Im Jahr 2000 haben die Generalversammlung, der Sicherheits­rat und der Wirtschafts- und Sozialrat diesem Problem große Aufmerksamkeit gewidmet. Die bevorstehende Sondertagung der Generalversammlung über HIV/Aids bietet eine besonders wichtige Gelegenheit zur Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft zu einer wirksameren Strategie zur Verhütung von HIV/Aids und der damit verbundenen möglicherweise destabilisierenden Auswirkungen.

Empfehlung 21

Ich lege der Generalversammlung eindringlich na­he, auf ihrer bevorstehenden Sonderta­gung über HIV/Aids zu prüfen, wie Strategien zur Ver­hü­tung von HIV/Aids so erweitert werden können, dass ihr wichtiger Beitrag zur Konfliktprävention, insbesondere in schwer betroffenen Regionen, wie dem subsaharischen Afrika, berücksichtigt wer­den kann.

    d)   Kinder

124.    Junge Menschen mit niedrigem Bildungsstand und geringen Beschäftigungschancen sind oftmals die Haupt­an­wärter für eine Rekrutierung durch Konfliktparteien. Ihre fehlenden Zukunftsperspektiven können eine Entfremdung von der Gesellschaft hervorrufen und sie für die Propa­ganda der Befürworter von be­waffneten Konflikten anfällig machen. Dieses Problem kann in denjenigen Ländern, in denen die Zahl der Jugendli­chen im Vergleich zu anderen Altersgruppen überwiegt, besonders ausgeprägt sein. In diesen Ländern kam und kommt es häufig verstärkt zu politischen Unruhen und auch gewalttätigen Konflikten. Die Auseinan­dersetzung mit den Bedürfnissen und Zielen der Jugendlichen ist daher ein wichtiger Aspekt lang­fristi­ger Präventionsstrategien. Darüber hinaus können junge Menschen einen wichtiger Beitrag zum Frieden und zur Konfliktprävention leisten, beispielsweise im Rahmen von Jugendbewegungen für den Frieden und Treffen von Jugendlichen über imaginäre ethnische Grenzen hinweg. Das UNICEF nutzt in seinen Pro­grammen die Bildung als eine Hauptstrategie zur Verhütung von Konflikten und Intoleranz und zur Ge­währleistung eines friedens­fördern­den Umfelds. Eine weitere Priorität besteht darin, ausge­grenzten Grup­pen Zugang zu Bildung zu verschaffen. Durch Friedenserziehungsprogramme will das UNICEF eine Kultur des Friedens fördern, die auf der Achtung der Menschenrechte, auf Toleranz, Partizipation und Solidarität beruht.

125.    Zu den Faktoren, die mit dafür verantwortlich sind, dass ein Land die Eskalation von Streitigkei­ten in gewalt­tätige Konflikte nicht verhindern kann, gehören die von frü­heren gewaltsamen Konflikten zu­rückge­bliebenen Wun­den, insbesondere diejenigen, die Kindern zugefügt wur­den. Werden Kinder Opfer oder Zeugen von Gewalt, so kann dies bei ganzen Generationen zu Gewaltbereitschaft bei der Austragung ih­rer Streitigkeiten führen. Der durch solchen Missbrauch begründete Teufelskreis der Gewalt kann zudem jeden möglicherweise bestehenden politischen Willen oder jede politische Führerschaft, die auf die fried­liche Beilegung von Streitigkeiten gerichtet sind, unter­gra­ben und die von der internationalen Gemeinschaft getrage­nen Kosten der Streitbeilegung steil in die Höhe treiben.

126.    Mein Sonderbeauftragter für Kinder und bewaffnete Konflikte, das UNHCR, das UNICEF, das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte und viele wei­tere zwi­schenstaatliche und nicht­staatliche Organisa­tionen setzen sich dafür ein, die Not der von bewaffneten Konflik­ten be­troffenen Kinder zu lindern und ihre dauer­hafte Re­habi­li­tation sicherzustellen, was entscheidend zur Fähig­keit eines Landes beitragen kann, ein Wiederauf­leben ge­walt­samer Konflikte zu verhindern.

127.    Von Kriegen betroffenen Kindern sollte bei den An­strengungen, den Ausbruch beziehungsweise das Wieder­aufleben von Konflikten zu verhindern, stets klare Priorität eingeräumt werden, namentlich in den Mechanismen, die im Anschluss an Konflikte für Gerechtigkeit und Aussöh­nung sorgen. Durch Mittel wie die unlängst zum Einsatz gebrachten Kinderschutz-Berater können Friedens­siche­rungs­einsätze auch bei der Rehabilitation von Kindern und damit bei der Verhinderung des Wiederauflebens von Konflikten behilflich sein. Die Erfahrungen des UNICEF bei der sozialen und wirtschaftlichen Wiedereingliederung demobili­sierter Kindersoldaten, namentlich in Sudan, Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo, zei­gen, dass diese Aktivitäten entscheidend sind, um ein Wieder­aufleben von Konflikten zu verhindern.

128.    Auf ihrer für den 19. bis 21. September 2001 in New York anberaumten Sondertagung über Kin­der wird die Generalversammlung Fragen betreffend Kinder in Situa­tio­nen potenzieller oder akuter bewaffneter Konflikte erörtern und geeignete Strategien und Maßnahmen für ihren Schutz aufzeigen.

           Empfehlung 22

Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, Vorgehensweisen zu unterstützen und Res­sourcen aufzustocken, die auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in Situa­tionen po­tenzieller Kon­flikte gerichtet sind, da dies ein wichtiger Aspekt langfristiger Stra­tegien zur Konfliktprävention ist.

    I.  Medien und Öffentlichkeitsarbeit

129.    Die Massenmedien haben die Macht, die öffentliche Meinung zu formen und zu mobilisieren, und sie werden häufig von den Konfliktparteien manipuliert, sodass sie zu Gewalt aufstacheln und bewaff­nete Konflikte provozieren. Die Kontrolle über die Massenmedien und den Informa­tionsfluss kann maß­geblich zum Ausgang eines Konflikts beitragen. Sollen die Medien eine mäßigende Rolle spielen und damit zur Konfliktprävention beitragen, so muss ein Umfeld bestehen, das gegensätzlichen Meinungen Raum bietet. Die Achtung des Rechts der freien Meinungs­äuße­rung und der Pressefreiheit ist ein wichtiger Be­standteil der Prävention.

130.    Die Vereinten Nationen können häufig die Aufmerk­samkeit der internationalen Gemeinschaft durch Presse­erklärungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen, das Inter­net und andere Maßnahmen der Öf­fentlich­keitsarbeit auf im Entstehen begriffene Konflikte lenken, sofern stille diplomatische Bemühungen dadurch nicht behindert wer­den. Insbesondere können die Vereinten Nationen durch direkte und von den einzelnen Missionen ausgehende und mit den entsprechenden internationalen, regionalen und nationalen Sendean­stalten abgestimmte Sendungen in be­stimmten Krisensituationen Hetznachrichten entgegen­wirken und die Zielgruppen in konfliktträchtigen Ländern erreichen. Auch muss der "präventive Journalismus" geför­dert werden. Journalisten und Medienorganisationen könn­ten konkrete Situa­tionen erkennen helfen, bevor diese zu bewaffneten Konflikten eskalieren. Die Hauptabteilungen und Organi­sationen der Vereinten Nationen sollten deshalb die Öffentlichkeitsarbeit in die in ihren jeweiligen Zustän­digkeits­berei­chen ausgearbeiteten Präventionsstrategien einbeziehen. Die Vereinten Nationen sollten au­ßerdem Präven­tiv­maßnahmen in ihre Öffentlichkeitsarbeit ein­beziehen.

131.    Die Friedenssicherungs- und politischen Missionen der Vereinten Nationen verfügen meist über ge­wisse Kapazitäten für die Öffentlichkeitsarbeit, teils sogar über vollwertige Informationsbüros und Me­dienstellen, die Informationen in der Öffentlichkeit verbreiten und grobe Verzerrungen in den Medien so­wie Missverständnisse bezüglich ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeit richtigstellen. Die Präsenz der Ver­einten Nationen kann insofern mäßigend wirken, als sie die einheimische Bevölkerung mit unparteiischen Informationen versorgt, und sie kann helfen, Spannungen zwischen den Konfliktparteien abzubauen und die Wiederaufnahme bewaffneter Konflikte zu verhindern.

           Empfehlung 23

Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, zusätzliche Ressourcen für die direk­ten und von den Missionen ausgehenden Sendungen der Vereinten Nationen bereitzustel­len, um Hetz­nach­richten entgegenzuwirken und die Entwicklung der Medien in konflikt­trächtigen Si­tuationen zu fördern. Ich habe die Absicht, dieser Priorität gege­benenfalls in künftigen Haus­haltsanträgen Ausdruck zu verleihen.

   J.  Gleichstellung der Geschlechter

132.    Seit der 1975 in Mexiko abgehaltenen Ersten Welt­frauenkonferenz wird anerkannt, dass Frauen bei der Förde­rung des Friedens eine bedeutende Rolle zukommt. In der auf der Vierten Weltfrauenkonfe­renz 1995 in Beijing verab­schiedeten Aktionsplattform sowie in den einver­nehm­lichen Schlussfolgerungen der Kommission für die Rechts­stellung der Frau von 1998 wurden die Regierungen und die internationalen Organisationen ferner aufgefordert, Frauen in bewaffneten Konflikten zu schützen und ihre Mitwirkung an allen Aspekten der Friedenskonsolidierung zu unterstützen, namentlich bei der Konfliktprävention und
-beilegung und dem Wiederaufbau in der Konfliktfolgezeit. Ein wesentlicher Aspekt der Konfliktpräven­tion ist die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und in diesem Kontext der Schutz der Menschenrechte der Frau, der dadurch erreicht wird, dass bei Verfassungs-, Gesetzes- und Justizreformen sowie bei Reformen des Wahl­systems die Gleich­berech­ti­gung der Frau gezielt einbezogen wird.

133.    In seiner Resolution 1325 (2000) erkannte der Sicher­heitsrat an, dass sich bewaffnete Konflikte auf Frauen unterschiedlich auswirken und dass wirksame institu­tio­nelle Regelungen notwendig sind, um ihren Schutz zu gewähr­leisten. Der Rat erkannte ferner an, dass die volle Mitwirkung von Frauen an Frie­dens­prozessen entscheidend zur Aufrechterhaltung und Förderung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen kann. Er bekundete außerdem seine Bereitschaft, eine Geschlechterperspektive in Friedensmissionen zu integrieren, und forderte Maß­nah­men, die den Schutz und die Achtung der Men­schen­rechte von Frauen und Mädchen sicherstellen, insbesondere im Zusammenhang mit der Verfassung, dem Wahlsystem, der Polizei und der rechtsprechenden Gewalt. In der genannten Resolution wurde ich außerdem aufgefordert, die Rolle von Frauen und Mädchen in Friedensmissionen auszuweiten, um sicher­zustellen, dass für Geschlechter­fragen zuständige Stellen in Feldmissionen aufgenommen werden, und den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Aus- und Fortbildung über den Schutz, die Rechte und die besonderen Bedürfnisse von Frauen sowie für Aufklärungs­maßnahmen über HIV/Aids im Rahmen ihrer einzelstaat­lichen Ausbildungsprogramme für Militärpersonal und Zivilpolizisten zur Verfügung zu stellen.

134.    Das Arbeitsprogramm meiner Sonderberaterin für Gleichstellungsfragen und Frauenförderung und der Ab­tei­lung Frauenförderung hat zu den Erkenntnissen und den Forschungsarbeiten zur Rolle der Frau in der Friedens­schaffung beigetragen. Die Bedrohung aller Bürger, insbe­sondere der Frauen, durch Konfliktsitua­tionen hat erneut ver­deutlicht, dass eine geschlechtsspezifische Analyse in die Frühwarnmaßnahmen ein­bezogen werden muss und dass der Schutz der Frau durch Präventivmaßnahmen verstärkt werden kann. Die Hauptabteilung Friedenssicherungs­ein­sätze, die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten, das UNICEF, das UNHCR, das UNDP und der Entwicklungs­fonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM) haben sich jahrelang für die Einbeziehung einer Geschlech­terperspektive in Frie­densunterstützungs­mis­sio­nen einge­setzt, indem sie zur Mitwirkung von Frauen an Konflikt­prä­ventionsmaßnahmen ermutigt und Frauen in Konflikt- und Postkonfliktsituationen Unterstützung gewährt ha­ben.

135.    Ich habe eine Arbeitsgruppe für Frauen, Frieden und Sicherheit eingerichtet, um bei der Durchfüh­rung der Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrats die Zusammen­arbeit und Koordinierung innerhalb des ge­samten Systems der Vereinten Nationen sicherzustellen. Die Arbeitsgruppe mit Vertretern von 15 Stellen des Systems der Vereinten Nationen ist gegenwärtig damit befasst, einen Aktionsplan für die Durchführung der Ratsresolution auszuarbeiten. Der
Aktionsplan wird darlegen, welche Initiativen die ver­schie­denen Teilbereiche des Systems der Vereinten Natio­nen in Bezug auf jede Ziffer im Beschlussteil der Rats­resolution zu ergreifen haben. Die in der Ratsresolution enthaltene Bitte, die Durchführung einer Studie über die Auswir­kun­gen bewaffneter Konflikte auf Frauen und Mäd­chen, die Rolle der Frau bei der Friedenskonsolidierung und die Geschlechterdimensio­nen von Friedens­prozessen und der Konflikt­bei­legung zu veranlassen, eröffnet die für mich besonders wichtige Chance, das Verständnis der Geschlech­ter­perspektiven bei der Konfliktprävention zu vertiefen und konkrete Empfeh­lungen für das weitere Vorgehen abzu­geben. In dieser Hinsicht müssen die Mitglied­staaten die Anstren­gungen stärker unterstützen, die das System der Vereinten Nationen unternimmt, um lokale Friedensinitia­tiven von Frauen und indigene Konfliktpräventionsprozesse zu unterstützen und Frauen im Einklang mit Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrats in friedenskonsolidierende Maßnahmen einzubeziehen.

           Empfehlung 24

Ich fordere den Sicherheitsrat entsprechend seiner Resolution 1325 (2000) auf, bei seinen Be­mü­hun­gen um Konfliktprävention und Friedens­konsoli­die­rung der Geschlechterper­spektive größere Auf­merk­samkeit zu widmen.

  K.  Drogenkontrolle und Verbrechensverhü­tung

136.    Es ist notwendig, gegen illegale, konfliktschürende Geschäftstätigkeiten anzugehen. Die Verein­ten Nationen müssen ihre beachtlichen Feldpräsenzen mobilisieren, um die Flut der illegalen Ge­schäftstä­tigkeiten zu erkennen und einzudämmen. Die Tätigkeit des Büros für Drogenkontrolle und Verbrechens­verhütung könnte in zwei Hauptbereichen zur Verhütung bewaffneter Konflikte beitragen: zum einen ver­mindern Maßnahmen gegen die grenzüberschreitende Kriminalität, insbesondere den uner­laubten Drogen­handel und die Geldwäsche, die Möglichkeiten potenzieller Auf­ständischer oder Ag­gressoren, sich Mittel zu beschaffen; zum anderen vermindern Maßnahmen zur Eindämmung des uner­laubten Handels mit Schusswaffen die Verfügbarkeit dieser Waffen und damit die Bereitschaft gegneri­scher Parteien, einen bewaffneten Konflikt aufzunehmen. In ihrer Arbeit auf Feldebene sollten die Landes­teams der Vereinten Nationen der Verbrechensverhütung sowie der Verhinde­rung des Drogenhandels und des unerlaubten Han­dels mit Kleinwaffen größere Aufmerksamkeit widmen. Insbeson­dere ist es wichtig, dass möglichst viele Mitgliedstaaten das Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organi­sierte Kriminalität und die da­zugehörigen Protokolle ratifi­‑
zieren, namentlich das Protokoll zur Verhütung, Be­kämp­fung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels.

           Empfehlung 25

Ich fordere die Generalversammlung, den Wirt­schafts- und Sozialrat und die anderen zu­stän­di­gen Organe der Vereinten Nationen auf, mehr Mit­tel für die Tätigkeiten des Büros für Dro­gen­kon­trolle und Verbrechensverhütung bereitzu­stel­len, insbesondere für die Ver­hütung der grenz­über­schreitenden Kriminalität, des Drogenhandels und des unerlaubten Handels mit Klein­waffen.

  V.  Das Zusammenwirken zwischen den Vereinten Nationen und sonsti­gen internationalen Akteuren bei der Verhütung bewaffneter Kon­flikte

  A.  Regionale Abmachungen

137.    Regionalorganisationen können auf verschiedene Weise konkrete Beiträge zur Konfliktpräven­tion leisten. Diese Organisationen schaffen durch häufiges Zusammen­wirken Vertrauen zwischen den Staaten und verfügen über ein besseres Verständnis des geschichtlichen Hintergrunds von Konflikten. We­gen ihrer räumlichen Nähe könnten Regionalorganisationen beispielsweise ein lokales Forum für die Be­mühungen um den Abbau von Spannungen bilden und ein umfassendes regionales Konzept für grenz­über­schreitende Fragen fördern und erleichtern.

138.    Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen erteilt den Vereinten Nationen ein umfassendes Man­dat für das Zusammenwirken mit Regionalorganisationen bei der Kon­fliktprävention. Seit 1994 besteht zwischen den Vereinten Nationen und Regionalorganisationen die Praxis, alle zwei Jahre eine Tagung ab­zuhalten, um die Zusammenarbeit in­nerhalb dieses Rahmens zu fördern.

139.    Auf der 1998 abgehaltenen dritten Tagung auf hoher Ebene der Vereinten Nationen und der Regio­nal­organi­sa­tio­nen lag der Themenschwerpunkt auf der "Zusammen­arbeit bei der Konfliktprävention". Zum ersten Mal haben wir uns auf einen Rahmen für die Zusammenarbeit bei der Konfliktprävention geei­nigt, der auf 13 Modalitäten beruht. Während der vergangenen zwei Jahre wurden bei der Koordinierung und der Konsultation, der Verbesserung des Informationsflusses, den gegenseitigen Besuchen von Fach­personal der verschiedenen Amtssitze, der gemein­samen Aus­bildung von Personal und den gemein­samen Sachver­stän­digentagungen zu konkreten Fällen der Konflikt­prä­ven­tion maßgebliche Fortschritte erzielt.

140.    Auf der im Februar 2001 abgehaltenen vierten Tagung auf hoher Ebene der Vereinten Nationen und der Regionalorganisationen wurde dem Zusatzthema "Zusam­men­arbeit bei der Friedenskonsolidie­rung" sowohl vor als auch nach Konflikten besondere Aufmerksamkeit ge­wid­met. Auf der Tagung wurde das Dokument "Rahmen für die Zusammenarbeit bei der Friedenskonsolidierung" (S/2001/138, Anlage I) ver­abschiedet, in dem die Vereinten Nationen und die Regionalorganisationen Leitgrundsätze für die Zu­sam­menarbeit auf diesem Gebiet sowie mögliche Koopera‑
tions­maßnahmen vereinbarten, beispielsweise die Schaffung von Einheiten für die Friedenskonsolidierung, die Entsendung gemeinsamer Bewertungsmis­sionen ins Feld, die Ausarbeitung von Katalogen bester Verfahrens­weisen und gewonnener Erfahrungen sowie die gemein­same Ab­haltung von Beitragsankündigungs­konfe­renzen. In seiner jüngsten öffentlichen Aussprache zur Friedens­kon­solidie­rung begrüßte der Sicherheitsrat die Ergebnisse der Tagung.

141.    In den letzten Jahren haben einige Regional­organisa­tionen innovative institutionelle Kapazitäten für die Frühwarnung und Konfliktprävention geschaffen. 1993 schuf die OAU den Mechanismus für die Ver­hütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten. 1999 richtete die Wirtschaftsgemeinschaft der west­afrikanischen Staaten (ECOWAS) einen ähnlichen Mechanismus ein. Die Organisation der amerikani­schen Staaten (OAS) entwickelt über ihre Gruppe Demokratieförderung langfristige Strate­gien für die Kon­flikt­prävention, während die Strategie­planungs- und Frühwarneinheit der Europäischen Union (EU) als Koor­dinierungsstelle für die Konfliktprävention und die Friedenskonsolidierung dient. Die EU ist außer­dem dabei, ein europäisches Konfliktpräventionsprogramm aus­zuarbeiten, das der Europäische Rat im Juni 2001 in Göteborg behandeln wird. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ver­fügt durch ihr Büro des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten sowie ihr Konfliktverhütungs­zen­trum ebenfalls über bedeu­tende Kapazitäten in diesem Bereich. Andere Organi­sa­tionen sind dabei, ähn­liche institutionelle Kapazitäten auf­zubauen.

142.    Darüber hinaus gewährleisten einige Kooperations­vereinbarungen die Koordinierung und Zu­sammen­arbeit zwischen dem System der Vereinten Nationen und den Regionalorganisationen und könnten in Zu­kunft gezielter für die Konfliktprävention genutzt werden. So haben beispielsweise das Büro der Ver­einten Nationen in Genf, der Europarat, die EU und die OSZE die Abhaltung jährlicher Tagungen einge­führt, um Meinungen auszu­tauschen und ihre Anstrengungen in Bezug auf ihre Region betreffende Belange zu koor­dinieren. Ein weiteres Beispiel ist die 1998 erfolgte Einrichtung des Verbindungsbüros der Verein­ten Na­tionen am Amtssitz der OAU in Addis Abeba.

Empfehlung 26

Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, den auf der dritten und vierten Tagung auf hoher Ebene der Vereinten Nationen und der Regionalorga­ni­sa­tio­nen eingeleiteten Folgeprozess auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der Friedens­kon­so­lidie­rung zu unterstützen und mehr Mit­tel für den Aus­bau regionaler Kapazitäten in diesen Berei­chen bereitzustel­len.

  B.  Nichtstaatliche Organisationen und die Zivil­gesellschaft

143.    In Artikel 71 der Charta der Vereinten Nationen wer­den die Beiträge anerkannt, die die nichtstaat­lichen Organi­sationen zur Erreichung der Ziele der Vereinten Nationen leisten können. Nicht­staatliche Organisationen können zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beitragen, indem sie früh­zeitig ge­waltlose Wege zur Auseinandersetzung mit den tieferen Ursachen von Konflikten aufzeigen. Dar­über hinaus können nichtstaatliche Organisationen Bürger­diplo­matie anwenden, wenn Regierungen und interna­tionale Organisationen dazu nicht in der Lage sind. Dies war in Mosambik und Burundi der Fall, wo die Gemeinschaft Sant'Egidio ein unparteiisches Umfeld für die Kommu­ni­kation und Verhandlungen zwi­schen entzweiten Gruppen bot. Internationale nichtstaatliche Organisationen erarbeiten außerdem Studien über Frühwarnung und mögliche Gegen­maßnahmen und können als Interessenvertreter fungieren, indem sie die internationale Gemeinschaft für bestimmte Situationen sensibilisieren und auf die öffentliche Mei­nung einwirken.

144.    In den letzten Jahren haben sich wissenschaftliche Einrichtungen und Forschungsinstitute welt­weit gemeinsam mit den Forschungseinrichtungen der Vereinten Nationen, namentlich der Universität der Ver­einten Nationen, der Friedensuniversität und dem Ausbildungs- und Forschungs­institut der Ver­einten Na­tionen (UNITAR), wesentlich intensiver mit Fragen der Frühwarnung und der Prävention befasst. Ich fordere sie nachdrücklich auf, ihre Bemü­hungen fortzusetzen und die Aufmerksamkeit der Fachleute innerhalb der Vereinten Nationen sowie der politischen Gemeinschaft wirksamer auf die Ergebnisse ihrer For­schungs­arbeiten zu lenken. In dieser Hinsicht müssen sich die Feldmissionen der Vereinten Nationen und insbe­son­dere die Organisationen im Feld besser der Stärken und Grenzen der zivilgesellschaftlichen Akteure im Bereich der Konfliktprävention und -beilegung bewusst sein.

145.    Einige Organe der Vereinten Nationen haben begon­nen, Programme für die Zusammenarbeit mit nicht­staat­li­chen Organisationen auf dem Gebiet des Friedens und der Sicherheit auszuarbeiten. So hat zum Beispiel der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau die Rolle der Frauen durch den Aus­bau der Konflikt­bei­legungs­kapa­zi­täten nichtstaatlicher Frauenor­ga­ni­sationen in Sudan, So­malia und Bu­rundi gestärkt. In ähn­licher Weise unterhält die Hauptabteilung Abrüstungs­fragen breit an­gelegte Bezie­­hungen mit nichtstaatlichen Organisationen auf dem Gebiet der Kleinwaffen. Nicht­staat­liche Organi­sa­tio­nen waren wesentlich an der im Dezember 1997 in Ottawa erfolgten Verabschiedung des Überein­kommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antiper­sonenminen und über deren Vernichtung beteiligt und spielen nach wie vor eine bedeutende Rolle bei der Mobilisierung lokaler und internationaler Unterstützung für humanitäre Anti­minenprogramme und die Be­kämpfung der Verbreitung und des Missbrauchs von Kleinwaffen.

146.    Die steigende Zahl der mit Fragen der Konflikt­prä­vention und -beilegung befassten internatio­nalen und regio­nalen nichtstaatlichen Organisationen und die Aus­weitung ihrer Netzwerke im Laufe der letzten Jahre ist eine ermutigende Entwicklung. Darüber hinaus wird gegen­wär­tig eine internationale Kapa­zität zur systematischen Vernetzung von Wissenschaftlern, nichtstaatlichen Organi­sationen und sonstigen zivilge­sellschaftlichen Akteuren mit den Ver­einten Nationen und verschiedenen anderen interna­tionalen und re­gionalen Organisationen entwickelt. Eine weitere kürzlich eingeleitete Initiative sieht Online-Konfe­renzen vor, um den Austausch zwischen auf dem Gebiet der Konfliktprävention tätigen Wissenschaftlern und Praktikern in bestimmten Situationen oder Regionen zu erleichtern. Außerdem ist zu erwähnen, dass das Millenniums-Forum der nicht­staatlichen Organisationen die Vereinten Nationen im Mai 2000 nach­drück­lich aufgefordert hat, eine breite Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen proaktiver in Kon­fliktprä­ventionsmaßnahmen einzubeziehen.

147.    Religiöse Organisationen können auf Grund der moralischen Autorität, die sie in vielen Gemein­schaf­ten innehaben, eine Rolle bei der Verhütung bewaffneter Kon­flikte übernehmen. In einigen Fällen haben religiöse Grup­pen und Führer einen kulturell begründeten kompa­rativen Vorteil bei der Konfliktprä­vention und erzielen daher die größte Wirkung, wenn sie die allen Konfliktparteien gemeinsame Mensch­lichkeit betonen und es ablehnen, sich mit einer bestimmten Partei zu identifizieren. Darüber hinaus können reli­giöse Gruppen dazu aufrufen, abwei­chende Meinungen auf alternativen, gewaltlosen Wegen zum Aus­druck zu brin­gen, bevor es zum Ausbruch bewaf­fneter Konflikte kommt.

           Empfehlung 27

Ich rufe alle mit der Konfliktprävention befassten nichtstaatlichen Organisationen auf, eine interna­tionale Konferenz lokaler, nationaler und inter­na­tionaler nichtstaatlicher Organisa­tionen zu veran­stalten, die ihre Rolle bei der Konflikt­prä­vention und ihr künfti­ges Zusammen­wirken mit den Verein­ten Nationen auf diesem Gebiet zum Thema hat.

  C.  Der Privatsektor

148.    Im Zeitalter der Globalisierung ist das Verständnis gewachsen, dass die Unternehmenswelt ein un­trennbarer Bestandteil des wirtschaftlichen und politischen Lebens der Gesellschaft ist. Zugleich erken­nen die internationalen Akteure zunehmend an, dass Unternehmen potenziell eine wich­tige Rolle dabei über­nehmen können, Konflikte vermeiden oder überwinden zu helfen.

149.    Ich betone, dass die transnationalen Unternehmen ihrer Geschäftstätigkeit stets mit einem sozia­len Gewissen nachgehen müssen. Zu diesem Zweck habe ich 1999 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Globalen Pakt ins Leben gerufen, eine programmatische Initiative, die den Unternehmens­sektor zu einem Partner für den Frieden macht, indem an das soziale Bewusstsein der internatio­nalen Un­ternehmer appelliert wird. In dem Pakt werden die Führungspersönlichkeiten der Wirtschaft aufgefordert, sowohl in ihrer eigenen Unternehmenspraxis als auch durch die Unterstützung der jeweiligen staatlichen Politik in den Bereichen Menschenrechte, Arbeit und Umwelt neun Grundsätze zu fördern. Ausgehend von der Annahme, dass gesellschaftliche Stabilität und Frieden der Wirtschafts­tä­tigkeit förderlich sind, wurden 2001 im Rahmen des Paktes eine Reihe von Dialogen zur Rolle der Unternehmen in Zonen bewaffneter Konflikte abgehalten, um heraus­zufinden, wie Unternehmen innerhalb ihres Einfluss­bereichs die Sicherheit der Menschen erhöhen können.

150.    Darüber hinaus ist es wichtig, dass Unternehmen keine volkswirtschaftlichen Beiträge in Ländern leisten, die Konflikte unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüße ich den in Resolution 55/56 der Gene­ralver­sammlung enthaltenen Aufruf an die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die gegen die Ver­bindung zwischen dem Handel mit Konfliktdiamanten und der Lieferung von Waffen, Treib­stoff oder son­stigem verbotenen Material an Rebellen­bewegungen gerichtet sind. In ähnlicher Weise forderte der Sicher­heitsrat in seiner Resolution 1343 (2001) alle Mit­gliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um si­cher­zustellen, dass die ihrer Hoheitsgewalt unter­ste­hen­den Personen und Unternehmen die Embargos der Ver­einten Nationen befolgen. Ich begrüße außerdem die jüng­sten Resolutionen des Sicher­heitsrats, mit denen Sach­verständigen­gruppen mit dem Ziel eingerichtet wurden, Einzelpersonen und Unternehmen, die gegen Sanktio­nen verstoßen oder zu Konflikten beitragen, öffentlich anzu­prangern.

           Empfehlung 28

Ich lege den Mitgliedstaaten und dem Privatsektor nahe, den Globalen Pakt im Kontext der An­stren­gungen der Vereinten Nationen zur Konflikt­prä­ven­tion zu unterstützen. Insbeson­dere for­dere ich die Unternehmer auf, sich sozialverträgliche Praktiken zu eigen zu ma­chen, die in kon­flikt­träch­tigen Gesellschaften ein Klima des Friedens fördern, Kri­sen­situa­tionen verhindern und ab­schwächen helfen und zum Wiederaufbau und zur Aussöhnung beitragen.

VI. Ausbau der Kapazitäten zur Verhü­tung bewaffneter Konflikte

151.    Der Auf- und Ausbau einzelstaatlicher Kapazitäten ist für die Verhütung bewaffneter Konflikte von entschei­dender Bedeutung. In diesem Bericht habe ich mehrere Vorschläge dazu unterbreitet, wie das Sy­stem der Vereinten Nationen den Mitgliedstaaten dabei behilflich sein könnte, diese einzelstaatlichen Ka­pazitäten in wirksamerer Weise aufzubauen. Der Erfolg der empfohlenen Maßnahmen, so­weit sie durchge­führt werden, hängt weitgehend davon ab, ob das System der Vereinten Nationen beziehungsweise die Mitgliedstaaten ausreichende Kapazitäten und Ressourcen dafür bereitstellen. In diesem Zusammen­hang bin ich der Auffassung, dass die internationale Gemeinschaft ihre Auf­merksamkeit auf die im Folgen­den beschriebenen Gebiete lenken muss, damit sie ihre Kapazitäten auf dem Gebiet der Konfliktprävention aus­bauen kann.

           Aufstockung der öffentlichen Entwicklungshilfe

152.    Erfahrungen haben gezeigt, dass einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung eine wich­tige Rolle bei der Abwendung bewaffneter Konflikte zukommt. Wenngleich die Armut selbst nicht zu den tiefe­ren Ursachen gewalt­tätiger Konflikte gehört, ist es doch eine Tatsache, dass einige der ärmsten Gesell­schaften sich entweder am Rande oder inmitten eines bewaffneten Konflikts befinden. Fort­schritte bei der Bekämpfung der Armut und insbesondere bei der Auseinandersetzung mit Fragen der Ungleichheit, der Gerechtigkeit und der menschlichen Sicherheit in Entwicklungsländern würden langfristig erheblich zur Konfliktprävention beitragen. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, dass die gegenwärtig rückläu­fige Tendenz bei der Vergabe öffentlicher Entwicklungshilfe umgekehrt wird. In diesem Zusammenhang werden die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe für Entwick­lungsfinanzierung wichtige Auswirkun­gen auf unsere künftigen Anstrengungen zur Konfliktprävention haben.

           Ausbau der Konfliktpräventionskapazitäten der Mit­gliedstaaten

153.    Die Fortbildungsakademie der Vereinten Nationen bietet für die Mitgliedstaaten ein neues Pro­gramm landes­spezifischer Fachtagungen über die Konflikt­prä­vention an, das aus ihrem erfolgreichen Pro­jekt für die Personal­schulung hervorgegangen ist. Die Fachtagungen zielen darauf ab, "hausgemachte" Strategien für die Konflikt­präven­tion auszuarbeiten und Mittel und Methoden bereit­zu­stel­len, die konkret auf die Be­dürfnisse der Mitglied­staaten zugeschnitten sind. Zu den Teilnehmern gehören Vertreter einzel­staatlicher Regierungen, der Zivil­gesell­schaft sowie der Landesteams der Vereinten Nationen und ihrer Durchfüh­rungspartner. Weitere Kapazitäts­auf­baumaß­nahmen des Systems der Vereinten Nationen, wie beispiels­weise die auf die Stärkung der Regierungs- und Verwal­tungsführung und der Rechtsstaatlichkeit gerichte­ten Akti­vitäten des UNDP, sind ebenfalls eine lohnende Investition in den Aufbau einzelstaatlicher Kapazitäten, Institutionen und Mecha­nismen für die Konflikt­prävention.

           Ausbau der Konfliktpräventionskapazitäten des Sy­stems der Vereinten Nationen

154.    In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat das System der Vereinten Nationen einen vielver­spre­chenden Anfang dabei gemacht, im Rahmen seiner operativen Tätigkeit eine Kultur der Prävention zu schaffen. Jedoch fehlt es innerhalb des Sekretariats noch immer an ausreichenden Kapazitäten für die Kon­fliktprävention, obwohl diese in zahlreichen Resolutionen und Erklärungen der Generalversammlung und des Sicherheitsrats (siehe Resolution 47/120 A der Generalversammlung, Resolution 1327 (2000) des Si­cherheitsrats, S/PRST/1999/34, S/PRST/2000/25 und S/PRST/2001/5) ebenso gefordert wurden wie in un­ab­hängigen Studien, beispielsweise der Unabhängigen Untersuchung des Handelns der Vereinten Natio­nen während des Völkermordes in Ruanda 1994 und dem Be­richt der Sachverständigengruppe für die Frie­dens­mis­sionen der Vereinten Nationen (siehe S/1999/1257 beziehungsweise A/55/305-S/2000/809).

155.    Die präventive Funktion musste auf Grund der zunehmenden Nachfrage an das Sekretariat nach verschie­denen friedenssichernden, frie­densschaffenden und unter­stützenden Funktionen zurückstehen. Das Sekre­tariat verfügt in den Regionalabteilungen der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten oder ande­ren Gruppen nicht über spezialisierte Mitarbeiter, die hauptamtlich mit Kon­flikt­prä­ventionsmaßnahmen befasst sind. Mit zunehmender Akzeptanz der Kultur der Prävention ist es von entschei­den­der Bedeutung, dass das Sekretariat wirksame Kapazi­täten für die Konfliktprävention erhält, namentlich Kapazi­täten für die systematische Auswertung der erfolgreichen ebenso wie der erfolglosen Präventions­bemühungen und die Anwendung der daraus gewonnenen Erkenntnisse bei der Konzipierung unserer künftigen Präven­tions­strategien.

156.    In ähnlicher Weise müssen auch die Konflikt­prä­ventionskapazitäten der sonstigen zuständigen Stellen im System der Vereinten Nationen gestärkt werden. In dieser Hinsicht zielt der Lehrgang "Frühwar­nung und Präventiv­maßnahmen: Ausbau der Kapazitäten der Vereinten Natio­nen" darauf ab, die fachlichen und die analytischen Fähig­keiten der Bediensteten der Vereinten Nationen und des Personals ihrer Durch­führungspartner auf dem Gebiet der Frühwarnung und der Präventivmaßnahmen zu verbessern und ihr Be­wusstsein dafür zu schärfen. Der größte Teil dieser Lehrgänge, an denen Bedienstete der Ver­einten Natio­nen aus 29 Hauptabteilungen, Programmen, Berei­chen, Fonds und Organisationen teilge­nommen haben, wur­de im Feld abgehalten. Seit 1999 kam diese Ausbildung ungefähr 750 am Amtssitz beziehungsweise im Feld tätigen Bediensteten der Vereinten Nationen, Mitarbeitern der teilnehmen­den nichtstaatlichen Partner­organisationen und Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zugute. Es besteht Bedarf an einer künfti­gen Ausweitung dieses Programms.

           Interinstitutionelle Koordinierungsmechanismen

157.    Wie in diesem Bericht bereits dargestellt, habe ich unlängst interinstitutionelle und hauptabtei­lungs­übergrei­fende Koordinierungsmechanismen im Bereich der Kon­fliktprävention eingerichtet, die sich nach einer anfäng­lichen Testphase nunmehr als vielversprechend erweisen. Der interinstitutionelle Koordinie­rungs­rahmen leidet jedoch noch immer darunter, dass es auf Grund der Ressourcen­knappheit am Amtssitz und im Feld an einer wirksamen Weiterverfolgung und Koordinierung fehlt.

           Finanzmittel für Missionen des Sicherheitsrats

158.    Wie bereits in Abschnitt III.B erwähnt, hat der Sicherheitsrat in jüngster Zeit verstärkt Missio­nen in Spannungs- und Konfliktgebieten eingesetzt. Das Sekre­ta­riat der Vereinten Nationen stieß jedoch regelmä­ßig auf Schwierigkeiten bei der rechtzeitigen Beschaffung der nötigen Finanzmittel und Humanres­sourcen zur Unter­stützung dieser Missionen.

           Änderungen bei der Finanzierung des ordentlichen Haushalts

159.    Die Umsetzung der in diesem Bericht enthaltenen Empfehlungen erfordert zum großen Teil keine zusätz­lichen Mittel, doch müssen die Konfliktpräventions­maß­nahmen der Vereinten Nationen auf eine sta­bilere und berechenbarere finanzielle Grundlage gestellt werden. Wenngleich die großzügigen Bei­träge der Mitgliedstaaten an den Treuhandfonds für vorbeugende Maßnahmen sehr geschätzt werden, sollte die Ge­neralversammlung doch prüfen, ob die Tätigkeiten im Zusammenhang mit Prä­ventivmaßnahmen grund­sätzlich nicht besser aus dem ordentlichen Haushalt als durch außerplanmäßige Mittel finanziert werden sollten. Ich beabsichtige daher, in den kommenden Monaten mit den Mitgliedstaaten einen Dialog darüber zu führen, wie die Konfliktprävention zu einem regulären Bestandteil des Haushalts der Vereinten Natio­nen gemacht werden könnte.

Empfehlung 29

In Bezug auf die langfristigen Präventions­be­mü­hungen der Vereinten Nationen appelliere ich er­neut an die internationale Geber­gemein­schaft, den Entwicklungs­ländern verstärkt Ent­wick­lungs­hilfe zu gewähren. Ins­besondere lege ich den Mit­glied­staaten eindringlich nahe, die Emp­fehlungen der Hochrangigen Gruppe für Entwick­lungs­finanzie­rung ernst­haft in Erwägung zu ziehen.

VII. Schlussfolgerungen

  A.  Überwindung der Hindernisse bei der Kon­fliktprävention

160.    Ich habe in diesem Bericht betont, dass die Konflikt­prävention im Mittelpunkt des Mandats der Ver­einten Na­tionen zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit steht und dass sich unter den Mitgliedstaaten ein allgemeiner Konsens darüber heraus­gebil­det hat, dass umfassende und kohärente Konflikt­prä­ven­tions­­strategien am ehesten geeignet sind, einen dauer­haften Frieden zu för­dern und ein günstiges Umfeld für die nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Darüber hinaus ist hervor­zuhe­ben, dass eine erfolgreiche Konfliktprävention auch einen guten Schutz für die Investitionen in die Ent­wicklung verkörpert. Ich habe dargelegt, dass sowohl die Hauptorgane der Vereinten Nationen als auch das System der Vereinten Nationen über seine vielfältigen Haupt­abteilungen, Organisationen, Bereiche, Fonds und Pro­gramme verstärkt zur Verhütung bewaffneter Konflikte auf der ganzen Welt beigetragen haben.

161.    Das Gebot einer wirksamen Konfliktprävention geht über die Schaffung einer entsprechenden Kultur, die Einrichtung von Mechanismen oder die Einforderung des notwendigen politischen Willens hin­aus. Die Vereinten Nationen tragen auch die moralische Verantwortung dafür, sicherzustellen, dass gefähr­dete Menschen geschützt werden und dass es nie wieder zu einem Völkermord kommt. In der jüngsten Vergan­genheit sind die inter­nationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen jedoch in zwei Fällen, nämlich in Ruanda und im ehemaligen Jugoslawien, ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Aus diesen Erfah­rungen haben wir gelernt, dass der allererste Schritt zur Verhinderung von Völkermord darin besteht, gegen die Umstände anzugehen, die seine Bege­hung ermöglichen. Zwei wichtige Berichte, die ich zu Ruanda und Srebrenica erstellen ließ, legen es zwingend nahe, dass wir uns einem umfassenden Programm für die Konfliktprä­vention verschreiben.

162.    Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg. Wir sind immer noch weit von einer Kultur der Konflikt­prävention entfernt, in der die Staaten um den Rat und die Hilfe der internationalen Gemeinschaft nachsu­chen, um im Bedarfs­fall möglichst frühzeitig die tieferen Ursachen von Kon­flikten zu ermitteln und anzu­gehen. Deshalb bleibt die Frage bestehen, weshalb die Konfliktprävention noch im­mer so sel­ten ange­wandt wird und wir trotz des zweifellos vorhandenen Erfolgspotenzials einer Präventions­strategie so häufig scheitern.

163.    Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen meiner Meinung nach zweierlei: Erstens können Außen­stehende, so auch die Vereinten Nationen, nur sehr wenig tun, wenn sich die betreffende Regierung einzugestehen weigert, dass sie ein Problem hat, das zu einem gewalttätigen Konflikt führen könnte, und Hilfsan­gebote zurückweist. Eine Präventionsstrategie kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Ver­einten Nationen das Einverständnis und die Unterstützung der betreffenden Regierung und sonstiger wich­tiger einzelstaatlicher Akteure erhalten. Zweitens ist es auch dann unwahrscheinlich, dass Präven­tiv­maß­nahmen zum Erfolg führen, wenn wichtige Nach­barn, regionale Verbündete oder andere Mitgliedstaa­ten mit guter Ausgangslage, die Anstrengungen der Vereinten Na­tionen zu unterstützen, nicht den politi­schen Willen auf­bringen, diese Unterstützung zu gewähren.

164.    Es ist klar, dass diese Einstellungen nicht das einzige Hindernis für wirksame Präventiv­maß­nahmen bilden. Ebenso bedeutsam ist die Art und Weise, in der die Mitgliedstaaten der Vereinten Na­tionen in einer bestimmten Krise ihre nationalen Interessen definieren. Selbstver­ständ­lich ist die tradi­tio­nelle Verfolgung natio­naler Interessen stets Teil der internationalen Beziehungen und des Lebens und der Arbeit der Vereinten Nationen. Während sich die Welt seit dem Ende des Kalten Krieges jedoch tief­grei­fend verändert hat, hat sich dieser Wandel in unserem Konzept der nationalen Interessen kaum nieder­ge­schlagen. Eine neue, breiter angelegte und weiter gefasste Definition nationaler Interessen in diesem neuen Jahr­hundert würde die Staaten bei der Verfolgung der grund­legenden Ziele der Charta der Vereinten Nationen zu weitaus größerer Einig­keit führen. Ein globales Zeitalter erfordert globales En­gagement. Im Grunde ge­nommen ist in einem Zeitalter, in dem sich die Menschheit einer wachsenden Zahl von Herausforderungen gegenüber sieht, das gemeinschaftliche Interesse mit dem nationalen Inter­esse identisch.

165.    Selbstverständlich treten bei der Verwirklichung des gemeinschaftlichen Interesses Hindernisse auf. Aber wel­che Alternativen gibt es? Die Frage ist nicht nur von akademischem Interesse. Die meisten Fakto­ren, die die Vereinten Nationen am Eingreifen gehindert haben, um den Völkermord in Ruanda zu verhin­dern, bestehen fort. Wenn wir jedoch untätig bleiben, wenn wir Verbrechen und ethni­sche Säuberungen schweigend hinnehmen, riskieren wir nicht nur, an den Rand der Weltpolitik gedrängt zu werden, sondern wir werden auch das Vertrauen der vielen Millionen Menschen missbrauchen, die von den Ver­einten Na­tionen die Verwirklichung der hehren Ideale ihrer Charta erwarten.

166.    Als Realisten müssen wir selbstverständlich auch anerkennen, dass in einigen Fällen die schiere Hartnäckig­keit von Konflikten und die Unerbittlichkeit der kriegfüh­renden Parteien ein Gelingen unserer Bemühungen unwahr­schein­lich werden lassen. Darüber hinaus handelt es sich sehr häufig um lokale Ban­denführer und sonstige nicht­staatliche Akteure, die sich durch die Beschlüsse des Si­cherheitsrats und die Wün­sche der internationalen Gemein­schaft nicht gebunden fühlen. Selbst Kriege, die nach ihrem Ausbruch nicht mehr aufgehalten werden können, hätten jedoch möglicherweise durch eine wirksame Präventions­po­litik verhindert werden können. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass Präventionsstrategien leicht um­zusetzen wären. Die Kosten der Prävention entstehen heute, doch ihr Nutzen liegt in ferner Zukunft. Dazu kommt, dass dieser Nutzen oftmals nicht greifbar ist: War die Prävention erfolgreich, so tritt sie kaum in Augenschein, doch kann ein förderliches Umfeld mit sozialer Stabilität, Toleranz und stabilen Institutionen die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden.

167.    Wie ich versucht habe, in diesem Bericht darzulegen, besteht der am ehesten Erfolg verheißende An­satz für die Förderung der in der Charta angestrebten friedlichen und gerechten Weltordnung darin, ein­zelstaatliche und inter­nationale Kapazitäten für langfristige Maßnahmen zur Ver­hütung bewaffneter Kon­flikte aufzubauen. Die wichtigste Lehre, die aus den einschlägigen Erfahrungen der Vereinten Nationen gezogen werden kann, besteht darin, dass die Konfliktparteien umso eher bereit sind, in einen kon­struktiven Dialog einzutreten, die tatsächlichen Miss­stände, die den potenziellen Konflikten zugrunde liegen, anzuge­hen und keine Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele anzu­wen­den, je früher die tieferen Ursachen potenzieller Kon­flikte erkannt und wirksam angegangen werden.

168.    Regierungen, die ihrer souveränen Verantwortung ge­recht werden, Situationen, die sich zu einer Ge­fahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit entwickeln könnten, friedlich beizulegen, und die die Vereinten Nationen oder andere internationale Akteure so früh wie nötig um präventive Unterstüt­zung ersuchen, sorgen für den besten Schutz ihrer Bürger vor Einmischung von außen. Auf diese Weise kann die internationale Gemein­schaft durch Präventivmaßnahmen maßgeblich zur Stär­kung der nationalen Souverä­nität der Mitgliedstaaten bei­tragen.

  B.  Wege zu einer Kultur der Konfliktpräven­tion

169.    Dieser Bericht belegt auf vielfältige Weise, dass die Zeit gekommen ist, unsere Anstrengungen zu verstärken, um von einer Kultur der Reaktion zu einer Kultur der Prävention zu gelangen. Ausgehend von den in diesem Bericht dargestellten Erfahrungen und Analysen schlage ich die folgenden zehn Grund­sätze vor, an denen sich das Konzept der Vereinten Nationen für die Konfliktprävention meiner Ansicht nach künftig ausrichten sollte:

         Konfliktprävention gehört zu den in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Hauptpflich­ten der Mit­gliedstaaten, und die Bemühungen der Vereinten Nationen um die Konfliktprävention müssen mit den Zielen und Grundsätzen der Charta übereinstimmen.

         Konfliktprävention erfordert eine einzelstaat­liche Trägerschaft. Die Hauptverantwortung für die Kon­flikt­prävention liegt bei den Regierungen der ein­zelnen Staaten, wobei der Zivilgesellschaft eine wich­tige Rolle zukommt. Die Vereinten Nationen und die internationale Gemein­schaft sollten die einzel­staat­lichen Anstrengungen zur Kon­flikt­prävention und den Aufbau einzelstaatlicher Ka­pazi­tä­ten auf diesem Gebiet unterstützen. Die auf die Konflikt­prä­vention gerichtete Tätigkeit der Vereinten Na­tionen kann daher die Souveränität der Mitgliedstaaten stärken helfen.

         Konfliktprävention ist eine Tätigkeit, die am besten nach Kapitel VI der Charta durchgeführt wird. In dieser Hinsicht stellen die in der Charta beschrie­benen Mittel der friedlichen Konfliktbeilegung, na­mentlich die in Artikel 33 der Charta genannten Mit­tel der Verhandlung, der Unter­suchung, der Vermitt­lung, des Vergleichs, des Schieds­spruchs, der gericht­lichen Entscheidung oder andere fried­li­che Mittel, wichtige Instrumente der Konflikt­prävention dar. Darüber hinaus ist anzuerken­nen, dass bestimmte Maß­nah­men nach Kapitel VII der Charta, beispiels­weise Sank­tionen, eine wichtige abschreckende Wir­kung haben kön­nen.

         Damit Präventivmaßnahmen ihre bestmögliche Wir­kung entfalten können, sollten sie zu einem mög­lichst frü­hen Konfliktstadium einsetzen.

         Der Schwerpunkt von Präventivmaßnahmen sollte da­rin bestehen, die tief verwurzelten sozioöko­no­mi­schen, kulturellen, ökologischen, institutionellen, po­li­tischen und sonstigen strukturellen Ur­sachen anzu­gehen, die den akuten Symptomen von Konflikten häufig zugrunde liegen.

         Eine wirksame Präventionsstrategie erfordert einen um­fassenden Ansatz mit kurz- und langfristi­gen poli­ti­schen, diplomatischen, humanitären, menschen­recht­lichen und entwicklungsbe­zogenen, institutio­nellen und son­sti­gen Maßnahmen, die von der inter­nationalen Gemein­schaft in Zusam­menarbeit mit nationalen und regionalen Akteuren zu ergreifen sind. Darüber hinaus muss be­sonderes Gewicht auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Situation der Kinder gelegt werden.

         Konfliktprävention und eine nachhaltige und ausge­wogene Entwicklung verstärken sich gegensei­tig. In­vesti­tio­nen in nationale und internationale Bemü­hungen um Kon­flikt­prävention sind zu­gleich als Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung anzu­sehen, da letztere in einem Kli­ma dauerhaften Frie­dens am besten gedeihen kann.

         Die voranstehenden Ausführungen legen nahe, dass ein klarer Bedarf besteht, den Aspekt der Kon­flikt­präven­tion in die vielschichtigen Entwicklungs­pro­gramme und ‑tätigkeiten der Vereinten Nationen einzu­beziehen, damit diese planmäßig und nicht nur zufällig zur Konflikt­prä­ven­tion bei­tragen können. Dies wiederum er­for­dert eine stär­ke­re Kohärenz und Koordinierung im System der Ver­einten Na­tionen mit besonderem Gewicht auf der Konflikt­prä­ven­tion.


         Eine erfolgreiche Präventionsstrategie hängt von der Zusammenarbeit vieler Akteure der Verein­ten Nationen ab, namentlich des Generalsekretärs, des Sicher­heitsrats, der Generalversammlung, des Wirt­schafts- und Sozialrats, des Internationalen Gerichts­hofs und der Orga­nisationen, Bü­ros, Fonds und Pro­gramme der Vereinten Nationen sowie der Bretton-Woods-Institutionen. Die Ver­einten Nationen sind jedoch nicht die Einzigen, die auf dem Gebiet der Prä­vention tätig sind, und sie sind auch oftmals nicht am be­sten zur Übernahme der Führungsrolle ge­eignet. Daher kommt den Mitgliedstaaten, den inter­nationalen, regionalen und subregionalen Orga­ni­sationen, dem Pri­vat­sektor, den nichtstaat­lichen Organisationen und anderen Akteuren der Zivil­gesellschaft in diesem Bereich ebenfalls eine überaus wichtige Rolle zu.

         Wirksame Präventivmaßnahmen der Vereinten Natio­nen erfordern den anhaltenden politischen Wil­len der Mit­gliedstaaten. Dies bedeutet zuallererst, dass alle Mit­glied­staaten bereit sein müssen, den Vereinten Nationen die po­litische Unterstützung und die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die für die Durchführung wirksamer Präventiv­maßnahmen in konkreten Situationen erforderlich sind.

170.    Es ist an der Zeit, dass wir das Versprechen der Prä­vention konkrete Wirklichkeit werden lassen. Wir sollten künftigen Generationen damit unter Beweis stellen, dass unsere Generation die politische Weitsicht und den politi­schen Willen hatte, unsere Vorstellung von einer gerechten Weltordnung von einer Vision der Abwesenheit des Krieges in eine Vision des dauerhaften Friedens und der nach­hal­ti­gen Ent­wicklung für alle Menschen umzuformen.

 

 

 

 

Anmerkung

        1  Siehe Preventing Deadly Conflict (Die Verhütung tödlicher Kon­flikte), Schlussbericht der Carnegie-Kommission für die Ver­hütung tödlicher Konflikte.


 

 

 

 



* Büro des Sonderkoordinators der Vereinten Nationen für den Nah­ost­friedensprozess und Persönlicher Beauftragter des General­sekretärs bei der Palästinensischen Befreiungsorganisation und der Palästinen­sischen Behörde.