Generalversammlung Fünfundfünfzigste Tagung Tagesordnungspunkt
10 Bericht des
Generalsekretärs über |
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Sicherheitsrat Sechsundfünfzigstes Jahr
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Verhütung bewaffneter Konflikte
Bericht des Generalsekretärs
Zusammenfassung |
Seit meiner Amtsübernahme habe ich mich dafür
eingesetzt, die Vereinten Nationen von einer Kultur des Reagierens zu einer
Kultur der Prävention zu führen. Der Sicherheitsrat hat mich in der
Erklärung seines Präsidenten vom 20. Juli 2000 gebeten, einen Bericht über
die Verhütung bewaffneter Konflikte vorzulegen, der eine Analyse sowie
Empfehlungen für Initiativen der Vereinten Nationen enthält, unter
Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen sowie der Auffassungen und
Erwägungen der Mitgliedstaaten. Mit diesem Bericht verfolge ich zum einen
das Ziel, die bislang erzielten Fortschritte beim Aufbau der von der Generalversammlung
und vom Sicherheitsrat geforderten Kapazitäten der Vereinten Nationen zur Konfliktverhütung
zu überprüfen. Zum anderen möchte ich konkrete Empfehlungen abgeben, wie die
Anstrengungen des Systems der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet weiter
verstärkt werden können, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, die
letztlich die Hauptverantwortung für die Konfliktverhütung tragen, und mit ihrer
aktiven Mitwirkung. Bei der Ausarbeitung dieses Berichts habe ich mich darum
bemüht, die vielfältigen Auffassungen und Erwägungen der Mitgliedstaaten zu
berücksichtigen, die bei den jüngsten Aussprachen in der Generalversammlung
und im Sicherheitsrat über die Konfliktprävention zum Ausdruck kamen. Es
steht außer Zweifel, dass die aktive Unterstützung und Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten unverzichtbar ist, wenn Konfliktprävention erfolgreich sein
soll. Dieser Bericht hat die konkreten Beiträge, die die Generalversammlung,
der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Internationale
Gerichtshof und der Generalsekretär leisten können, sowie die Zusammenarbeit
zwischen den Vereinten Nationen und externen Akteuren, wie etwa
Regionalorganisationen, nichtstaatlichen Organisationen, der Zivilgesellschaft
und der Geschäftswelt, zum Gegenstand. Die Arbeit des Systems der Vereinten Nationen auf dem
Gebiet der Konfliktprävention ist nicht neu. Viele Entwicklungs- und
sonstige Programme und Projekte des Systems der Vereinten Nationen haben
entweder bereits präventive Wirkung oder verfügen zumindest über
Präventionspotenzial, wenn auch häufig in unstrukturierter und rudimentärer
Form. Hier geht es mir vor allem darum, zu zeigen, wie die Hauptabteilungen,
Programme, Büros und Organisationen der Vereinten Nationen, die allesamt zu
diesem Bericht beigetragen haben, bei der Förderung der Verhütung
bewaffneter Konflikte zusammenwirken. Von besonderer Bedeutung sind die
Anstrengungen, die die Vereinten Nationen unternehmen, um die Konfliktpräventionskapazitäten
der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Wir stehen heute vor der Herausforderung,
das gemeinschaftliche Potenzial des Systems der Vereinten Nationen so zu mobilisieren,
dass eine stärkere Kohärenz und Ausrichtung auf die Konfliktprävention erreicht
wird, ohne dass dies unbedingt umfangreiche Zusatzressourcen erfordern
würde. Dieser Bericht geht von den folgenden
Grundvoraussetzungen aus: • Konfliktprävention
gehört zu den in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Hauptpflichten
der Mitgliedstaaten, und die Bemühungen der Vereinten Nationen um
Konfliktprävention müssen mit den Zielen und Grundsätzen der Charta übereinstimmen.
Konfliktprävention ist außerdem eine Tätigkeit, die am besten im Rahmen von
Kapitel VI der Charta unternommen wird. • Die
Hauptverantwortung für die Konfliktprävention liegt bei den Regierungen der
einzelnen Staaten, wobei der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zukommt.
Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft haben in erster
Linie die Aufgabe, die einzelstaatlichen Anstrengungen zur
Konfliktprävention und den Aufbau einzelstaatlicher Kapazitäten auf diesem
Gebiet zu unterstützen. • Damit
Präventivmaßnahmen ihre bestmögliche Wirkung entfalten können, sollten sie zu
einem möglichst frühen Konfliktstadium einsetzen. Eines der Hauptziele von
Präventivmaßnahmen sollte darin bestehen, die tief verwurzelten
sozioökonomischen, kulturellen, ökologischen, institutionellen und
sonstigen strukturellen Ursachen anzugehen, die den akuten politischen
Symptomen von Konflikten häufig zugrunde liegen. • Eine
wirksame Präventionsstrategie erfordert einen umfassenden Ansatz mit kurz-
und langfristigen politischen, diplomatischen, humanitären,
menschenrechtlichen, entwicklungsbezogenen, institutionellen und sonstigen
Maßnahmen, die von der internationalen Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit
nationalen und regionalen Akteuren zu ergreifen sind. • Konfliktprävention
und eine nachhaltige und ausgewogene Entwicklung verstärken sich gegenseitig.
Investitionen in nationale und internationale Bemühungen um Konfliktprävention
sind zugleich als Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung anzusehen,
da letztere in einem Klima dauerhaften Friedens am besten gedeihen kann. • Eine
erfolgreiche Präventionsstrategie hängt von der Zusammenarbeit vieler Akteure
der Vereinten Nationen ab, namentlich des Generalsekretärs, des
Sicherheitsrats, der Generalversammlung, des Wirtschafts- und Sozialrats,
des Internationalen Gerichtshofs und der Organisationen, Büros, Fonds und
Programme der Vereinten Nationen, sowie der Bretton-Woods-Institutionen. Die
Vereinten Nationen sind nicht die Einzigen, die auf dem Gebiet der
Prävention tätig sind, und sie sind oftmals nicht am besten zur Übernahme
der Führungsrolle geeignet. Daher kommt den Mitgliedstaaten, den internationalen,
regionalen und subregionalen Organisationen, dem Privatsektor, den
nichtstaatlichen Organisationen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft
ebenfalls eine überaus wichtige Rolle in diesem Bereich zu. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass
Präventionsstrategien leicht umzusetzen wären. Die Kosten der Prävention
entstehen heute, doch ihr Nutzen liegt in ferner Zukunft. Die früheren
Erfahrungen der Vereinten Nationen haben klar gezeigt, dass die Konfliktparteien
umso eher bereit sind, in einen konstruktiven Dialog einzutreten, die
tatsächlichen Missstände, die den potenziellen Konflikten zugrunde liegen,
anzugehen, und keine Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele anzuwenden, je früher
die tieferen Ursachen potenzieller Konflikte erkannt und wirksam angegangen
werden. Regierungen, die ihrer souveränen Verantwortung gerecht
werden, eine Situation, die sich zu einer Gefahr für den Weltfrieden und die
internationale Sicherheit entwickeln könnte, friedlich beizulegen, und die
die Vereinten Nationen oder andere internationale Akteure so früh wie nötig
um präventive Unterstützung ersuchen, sorgen für den besten Schutz ihrer
Bürger vor einer unerwünschten Einmischung von außen. Auf diese Weise kann
die internationale Gemeinschaft durch Präventivmaßnahmen maßgeblich zur
Stärkung der nationalen Souveränität der Mitgliedstaaten beitragen. Ich habe in diesem Bericht hervorgehoben, dass die
Konfliktprävention im Mittelpunkt des Mandats der Vereinten Nationen für
die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit steht und
dass sich unter den Mitgliedstaaten ein allgemeiner Konsens abzeichnet,
wonach umfassende und kohärente Konfliktpräventionsstrategien am ehesten
einen dauerhaften Frieden fördern und ein günstiges Umfeld für eine
nachhaltige Entwicklung schaffen. Das Gebot einer wirksamen
Konfliktprävention geht über die Schaffung einer entsprechenden Kultur, die
Einrichtung von Mechanismen oder die Einforderung des notwendigen
politischen Willens hinaus. Die Vereinten Nationen tragen auch die moralische
Verantwortung dafür, sicherzustellen, dass es nie wieder zu einem Völkermord
wie dem kommt, der in Ruanda stattgefunden hat. Es ist an der Zeit, den Diskussionen über die
Konfliktprävention konkrete Taten folgen zu lassen. Ich hege die aufrichtige
Hoffnung, dass das System der Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten in
der Lage sein werden, gemeinsam einen praktischen Wegweiser für die
Umsetzung der konkreten Empfehlungen in diesem Bericht auszuarbeiten. Es
steht außer Zweifel, dass wirksame Präventivmaßnahmen den nachhaltigen
politischen Willen und langfristige Ressourcenzusagen seitens der
Mitgliedstaaten sowie des gesamten Systems der Vereinten Nationen erfordern,
wenn eine echte Kultur der Prävention in der internationalen Gemeinschaft
Wurzel schlagen soll. Dieser Bericht stellt einen ersten Schritt in diese Richtung
dar. |
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Inhalt
|
|
Ziffern |
Seite |
I. Einführung
................................................................................................................................. |
1–16 |
6 |
|
Erster Teil |
17-60 |
9 |
|
II. Mandat
der Vereinten Nationen für die Verhütung bewaffneter Konflikte ...................... |
17‑24 |
9 |
|
A.
Der mit der Charta gesetzte Rahmen ............................................................................ |
17‑20 |
9 |
|
B.
Die Beschlüsse der Generalversammlung und des
Sicherheitsrats sowie die Auffassungen der Mitgliedstaaten zur
Konfliktprävention ..................................... |
21‑24 |
9 |
|
III. Die
Rolle der Hauptorgane der Vereinten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte
.................................................................................................................................... |
25‑60 |
10 |
|
A.
Die Rolle der Generalversammlung .............................................................................. |
25‑32 |
10 |
|
B.
Die Rolle des Sicherheitsrats ........................................................................................ |
33‑39 |
11 |
|
C.
Die Rolle des Wirtschafts- und Sozialrats ................................................................... |
40‑45 |
13 |
|
D.
Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs ................................................................ |
46‑50 |
14 |
|
E.
Die Rolle des Generalsekretärs ..................................................................................... |
51‑60 |
15 |
|
Zweiter Teil |
61-170 |
17 |
|
IV. Die
Rolle und Tätigkeit der Hauptabteilungen, Organisationen und Programme der Vereinten
Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte ........................................... |
61‑136 |
17 |
|
A.
Überblick .......................................................................................................................... |
61‑64 |
17 |
|
B.
Maßnahmen zur Förderung der Kohärenz innerhalb des
Systems der Vereinten Nationen .......................................................................................................................... |
65‑72 |
17 |
|
C.
Politische Tätigkeit ......................................................................................................... |
73‑80 |
19 |
|
D.
Friedenssicherungseinsätze .......................................................................................... |
81‑85 |
21 |
|
E.
Abrüstung ....................................................................................................................... |
86‑93 |
22 |
|
F.
Maßnahmen auf dem Gebiet der Menschenrechte .................................................... |
94‑98 |
23 |
|
G.
Entwicklungshilfe............................................................................................................ |
99‑107 |
24 |
|
H.
Humanitäre Tätigkeiten .................................................................................................. |
108‑128 |
26 |
|
1.
Allgemeine Erwägungen ...................................................................................... |
108‑111 |
26 |
|
2.
Besondere Gesichtspunkte .................................................................................. |
112‑128 |
27 |
|
a)
Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelhilfe in
Notstandssituationen ................................................................................................................. ......................................................................................................................... |
113‑118 |
27 |
|
b)
Flüchtlinge..................................................................................................... |
119‑121 |
28 |
|
c)
Gesundheit.................................................................................................... |
122‑123 |
28 |
|
d)
Kinder............................................................................................................. |
124‑128 |
29 |
|
I.
Medien und Öffentlichkeitsarbeit ................................................................................ |
129‑131 |
30 |
|
J.
Gleichstellung der Geschlechter ................................................................................... |
132‑135 |
30 |
|
K.
Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung ............................................................ |
136 |
31 |
|
V. Das
Zusammenwirken zwischen den Vereinten Nationen und sonstigen internationalen Akteuren bei der Verhütung bewaffneter
Konflikte...................................................... |
137‑150 |
32 |
|
A.
Regionale Abmachungen .............................................................................................. |
137‑142 |
32 |
|
B.
Nichtstaatliche Organisationen und die
Zivilgesellschaft ....................................... |
143‑147 |
33 |
|
C.
Der Privatsektor .............................................................................................................. |
148‑150 |
34 |
|
VI. Ausbau
der Kapazitäten zur Verhütung bewaffneter Konflikte......................................... |
151‑159 |
34 |
|
VII. Schlussfolgerungen
................................................................................................................. |
160‑170 |
36 |
|
A.
Überwindung der Hindernisse bei der
Konfliktprävention ...................................... |
160‑168 |
36 |
|
B.
Wege zu einer Kultur der Konfliktprävention ............................................................ |
169‑170 |
37 |
I. Einführung
1. Die bitterste Erkenntnis der vergangenen zehn Jahre war wohl die, dass die Verhütung gewaltsamer Konflikte weit besser und kostenwirksamer ist als ihre Beilegung. Die Herausforderung liegt nun darin, diese Erkenntnis so umzusetzen, dass Prävention kein Gedankengebäude bleibt, sondern konkrete Wirklichkeit wird. Dies ist leichter gesagt als getan – bestehende Probleme erhalten meistens den Vorrang gegenüber potenziellen; darüber hinaus entstehen die Kosten der Prävention in der Gegenwart, während ihr Nutzen in der Zukunft liegt und schwer zu beziffern ist. Andererseits entstehen enorme Kosten, wenn Gewalt nicht verhindert wird. Zu den menschlichen Kosten eines Krieges gehören nicht nur sichtbare und unmittelbare Folgen – Tod, Verwundung, Zerstörung, Vertreibung –, sondern auch entferntere und indirekte Folgen für Familien, Gemeinwesen, lokale und nationale Institutionen und Volkswirtschaften sowie für Nachbarländer. Um sie zu messen, müssen neben den entstandenen Schäden auch die entgangenen Chancen berücksichtigt werden.
2. Die 1997 geschaffene Carnegie-Kommission für die Verhütung tödlicher Konflikte stellte zum Beispiel fest, dass das Bruttoinlandsprodukt Libanons zu Beginn der neunziger Jahre noch immer um 50 Prozent niedriger war als vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen im Jahr 1974, dass die Aufgabe von schätzungsweise 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Angolas in aller Regel dem Bürgerkrieg und dem weit verbreiteten Einsatz von Landminen zugeschrieben wird und dass die ohnehin schon unzureichende Nahrungsmittelproduktion in Burundi während der jüngsten Konfliktperioden um 17 Prozent zurückging1. Darüber hinaus müssen wir die Kosten berücksichtigen, die externen Akteuren entstehen, wenn sie eingreifen, um der Gewalt Einhalt zu gebieten. Einer Studie der Carnegie-Kommission zufolge wandte die internationale Gemeinschaft für die sieben größten Interventionen in den neunziger Jahren – in Bosnien und Herzegowina, Somalia, Ruanda, Haiti, im Persischen Golf, in Kambodscha und in El Salvador – rund 200 Milliarden US-Dollar auf; dabei sind das Kosovo und Osttimor nicht berücksichtigt. Die Studie berechnete den Unterschied zwischen den für die Konfliktbewältigung beziehungsweise für potenzielle Präventivmaßnahmen anfallenden Kosten und kam zu dem Schluss, dass ein präventives Vorgehen der internationalen Gemeinschaft fast 130 Milliarden Dollar erspart hätte.
3. Nirgendwo fallen diese Erkenntnisse
deutlicher ins Auge als im ostafrikanischen Zwischenseengebiet, wo das
Versäumnis der internationalen Gemeinschaft, in die Kon‑
fliktprävention in Ruanda zu investieren, die Region zutiefst destabilisiert
hat. Nachfolgende Überprüfungen durch die Vereinten Nationen, die Organisation
der afrikanischen Einheit (OAU) und die Parlamente einiger truppenstellender Länder
ergaben übereinstimmend, dass es zahlreiche Frühwarnungen und viele
Gelegenheiten zur Reaktion auf den "verhütbaren Völkermord" vom April
1994 gab. Die Schätzungen des damaligen Truppenkommandeurs, General Romeo
Dallaire, wonach die Dislozierung von etwa 5.000 Soldaten nach Ruanda im
April 1994 ausgereicht hätte, um den Völkermord aufzuhalten, wurden durch
nachfolgende Untersuchungen bestätigt. Im Rahmen der Studie der Carnegie-Kommission
wurde geschätzt, dass die Gesamtkosten einer Aufstockung der Friedensmission
500 Millionen Dollar jährlich betragen und Präventivmaßnahmen in Ruanda
wahrscheinlich 1,3 Milliarden Dollar gekostet hätten; letztlich beliefen
sich die Gesamtkosten der Hilfe für Ruanda im Gefolge des Völkermords auf
4,5 Milliarden Dollar.
4. Wir schulden es den Opfern der Gewalt in Ruanda und anderswo, die Herausforderung der Konfliktprävention ernst zu nehmen. Ich habe mich dem verschrieben, die Vereinten Nationen von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention zu führen. Am 20. Juli 2000 behandelte der Sicherheitsrat die Rolle der Vereinten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte. In einer anschließend herausgegebenen Erklärung seines Präsidenten bat mich der Sicherheitsrat, bis Mai 2001 einen Bericht vorzulegen, der eine Analyse sowie Empfehlungen für Initiativen der Vereinten Nationen zur Verhütung bewaffneter Konflikte enthält, unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen sowie der Auffassungen und Erwägungen der Mitgliedstaaten zur Verhütung bewaffneter Konflikte. Da es in der Natur solcher Präventivmaßnahmen liegt, dass sie im weitesten Sinn das gesamte System der Vereinten Nationen einbeziehen, lege ich diesen Bericht hiermit sowohl dem Sicherheitsrat als auch der Generalversammlung vor, die ihrerseits eine Reihe von Resolutionen zur Konfliktprävention verabschiedet hat.
5. Mit diesem Bericht verfolge ich zum einen das Ziel, die bisher erzielten Fortschritte beim Aufbau der von der Generalversammlung und vom Sicherheitsrat geforderten Kapazitäten der Vereinten Nationen zur Konfliktverhütung zu überprüfen. Zum anderen möchte ich konkrete Empfehlungen abgeben, wie die Anstrengungen des Systems der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet weiter verstärkt werden können, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, die letztlich die Hauptverantwortung für die Konfliktverhütung tragen, und mit ihrer aktiven Mitwirkung.
In
dem Bericht behandelte Fragen
6. Ich gehe von der Grundvoraussetzung aus, dass die Regierungen der einzelnen Länder und andere lokale Akteure die Hauptverantwortung für die Konfliktprävention tragen. Erkennen die einzelstaatlichen Akteure nicht in jedem Fall ihre Verantwortung an, so ist eine erfolgreiche Prävention unwahrscheinlich. Um das Entstehen bewaffneter Konflikte zu verhindern, müssen die einzelstaatlichen Akteure und gegebenenfalls die internationale Gemeinschaft frühzeitig tätig werden. Je früher ein Streitfall oder eine Ungerechtigkeit, die zu einem bewaffneten Konflikt führen könnten, erkannt und erfolgreich angegangen werden, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Situation in Gewalt ausartet. Werden auf nationaler Ebene, gegebenenfalls mit internationaler Unterstützung, frühzeitig Maßnahmen zur Behebung der Umstände ergriffen, die zu bewaffneten Konflikten führen könnten, kann dies die Souveränität der Staaten stärken helfen.
7. Eine frühzeitige Prävention kann nur dann wirksam sein, wenn die vielschichtigen tieferen Ursachen von Konflikten erkannt und angegangen werden. So kann der Ausbruch öffentlicher Unruhen oder ein Protest gegen einen bestimmten Vorfall zwar der unmittelbare Auslöser eines Konflikts sein, doch sind möglicherweise sozioökonomische Ungerechtigkeit und Ungleichheiten, die systematische Diskriminierung bestimmter Volksgruppen, die Verweigerung von Menschenrechten, Streitigkeiten über politische Partizipation oder seit langem bestehende Missstände bei der Verteilung von Land und anderen Ressourcen die tiefer liegenden Ursachen. Vielfach können solche Faktoren in einer Gesellschaft Gruppen zu gewalttätigen Aktionen veranlassen, in anderen jedoch nicht, weil angemessene und wirksame Bewältigungsmechanismen bestehen, namentlich gut funktionierende Institutionen der Staats- und Regierungsführung und rechtsstaatliche Institutionen. Es ist daher sehr wichtig, dass eine zuverlässige Frühwarnung und ein tiefes und gründliches Verständnis der örtlichen Gegebenheiten und Traditionen vorhanden sind; auch müssen grundlegende Ungerechtigkeiten erkannt und im Rahmen der Entwicklungsplanung und der entsprechenden Programme angegangen werden.
8. Die Carnegie-Kommission für die Verhütung tödlicher Konflikte teilt die Präventionsstrategien in zwei Kategorien ein: operative Prävention, das heißt Maßnahmen, die bei akuten Krisen anzuwenden sind, und strukturelle Prävention, das heißt Maßnahmen, die sicherstellen, dass Krisen gar nicht erst entstehen oder zumindest nicht wieder aufleben. Dieser Bericht behandelt das breite Spektrum der Hilfe, die das System der Vereinten Nationen den Staaten auf dem Gebiet der kurzfristigen operativen Prävention und der langfristigen strukturellen Prävention anbietet.
9. Der Sicherheitsrat hat betont, wie wichtig und notwendig es ist, auf die tieferen Ursachen der Konflikte einzugehen und langfristig wirksame Präventionsstrategien zu verfolgen. Der Rat hat ferner festgestellt, dass eine kohärente Friedenskonsolidierungsstrategie, die politische, entwicklungsbezogene, humanitäre und die Menschenrechte betreffende Programme umfasst, bei der Konfliktprävention eine Schlüsselrolle spielen kann. In diesem Zusammenhang möchte ich die regulären Programme der Entwicklungs- und der humanitären Hilfe klar von anderen Programmen abgrenzen, die als Präventiv- oder Friedenskonsolidierungsmaßnahmen in Reaktion auf Probleme durchgeführt werden, die zum Ausbruch oder zum Wiederaufflammen gewaltsamer Konflikte führen könnten.
10. Investitionen in die langfristige strukturelle Prävention stellen letztlich Investitionen in die nachhaltige Entwicklung dar, denn erstens kann offensichtlich inmitten eines akuten oder potenziellen Konflikts keine nachhaltige Entwicklung stattfinden, und zweitens macht ein bewaffneter Konflikt die Entwicklungsleistungen eines Landes wieder zunichte. Wie wir unlängst beobachten konnten, haben in manchen Fällen, beispielsweise in Somalia und Afghanistan, lang anhaltende Konflikte sogar die Existenz des Staates selbst bedroht. Wirksame Konfliktprävention ist eine Voraussetzung für die Herbeiführung und Wahrung eines dauerhaften Friedens, der seinerseits eine Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung ist. Geht die nachhaltige Entwicklung gegen die tieferen Ursachen von Konflikten an, so spielt sie eine wichtige Rolle bei der Konfliktprävention und bei der Förderung des Friedens.
11. In einer Zeit, in der die internationale Entwicklungshilfe rückläufig ist, zeigt sich die internationale Gemeinschaft zunehmend unwillig, Staaten, die vor dem Ausbruch oder inmitten eines Konflikts stehen, Entwicklungshilfe zu gewähren. Wenn in die Konfliktprävention investiert wird, kann dies für die Entwicklung des betreffenden Landes langfristig weitaus ertragreicher sein. Wirksamere Konfliktpräventionsstrategien würden nicht nur Hunderttausende Leben retten, sondern auch Milliarden Dollar einsparen. Die derzeit für Militäraktionen aufgewandten Mittel stünden stattdessen für Armutsminderung und eine ausgewogene nachhaltige Entwicklung zur Verfügung, was das Kriegs- und Katastrophenrisiko weiter verringern würde. Konfliktprävention und nachhaltige Entwicklung verstärken sich gegenseitig.
12. Die Rolle der Vereinten Nationen besteht hauptsächlich darin, die Regierungen der einzelnen Staaten und ihre lokalen Partner bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen, indem sie Hilfe beim Aufbau nationaler und regionaler Kapazitäten für Frühwarnung, Konfliktprävention und langfristige Friedenskonsolidierung anbieten. Diese Hilfe beruht auf dem Grundsatz des Einverständnisses der betroffenen Mitgliedstaaten. In der Praxis sind es häufig der betroffene Staat oder die betroffenen Staaten, die um internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet nachsuchen.
13. Den für Entwicklung und humanitäre Hilfe zuständigen Organisationen des Systems der Vereinten Nationen kommt gemeinsam mit den Bretton-Woods-Institutionen bei der Schaffung eines friedlichen Umfelds und beim Vorgehen gegen die tieferen Ursachen von Konflikten in den Frühstadien der Prävention eine entscheidende Rolle zu. In diesem Bericht wird untersucht, wie viele ihrer regulären Hilfsprogramme zu den Bemühungen um Konfliktprävention beitragen können – und dies auch tun –, und wie ihre Wirksamkeit durch eine stärkere Koordinierung ihrer Bemühungen und eine entsprechende Abstimmung mit den jeweiligen Gastregierungen verbessert werden kann. Der Bericht untersucht auch die den Vereinten Nationen in späteren Präventionsphasen zur Verfügung stehenden Instrumente, unter anderem vorbeugende Diplomatie, vorbeugende Dislozierung von Militär- und Zivilpolizeikontingenten, vorbeugende Abrüstung und damit zusammenhängende Maßnahmen sowie wirksame Strategien zur Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit.
14. Bei der Ausarbeitung dieses Berichts habe
ich mich darum bemüht, die zahlreichen unterschiedlichen Auffassungen und
Überlegungen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, die in den jüngsten
Aussprachen der Generalversammlung und des Sicherheitsrats über die
Konfliktprävention zum Ausdruck kamen. Es steht außer Zweifel, dass die aktive
Unterstützung und Kooperation der Mitgliedstaaten unverzichtbar ist, wenn
Konfliktprävention erfolgreich sein
soll. Dieser Bericht hat die konkreten Beiträge, die der Sicherheitsrat, die
Generalversammlung und die anderen Hauptorgane der Vereinten Nationen leisten
können, sowie die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und externen
Akteuren, wie etwa Regionalorganisationen, nichtstaatlichen Organisationen,
der Zivilgesellschaft und der Geschäftswelt zum Gegenstand.
15. Die Arbeit des Systems der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Konfliktprävention ist nicht neu. Viele Entwicklungs- und sonstige Programme und Projekte der Vereinten Nationen haben entweder bereits präventive Wirkung oder verfügen zumindest über Präventionspotenzial, wenn auch häufig in unstrukturierter und rudimentärer Form. Von besonderer Bedeutung sind die Anstrengungen, die die Vereinten Nationen unternehmen, um die Konfliktpräventionskapazitäten der Mitgliedstaaten auszubauen. Wir stehen heute vor der Herausforderung, das gemeinschaftliche Potenzial des Systems der Vereinten Nationen so zu mobilisieren, dass eine stärkere Kohärenz und Ausrichtung auf die Konfliktprävention erreicht wird, ohne dass dies unbedingt umfangreiche Zusatzressourcen erfordern würde.
16. Bei dieser Gelegenheit möchte ich erneut betonen, dass der Übergang von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention ein wichtiger Schritt nach vorne wäre. In diesem Bericht beschreibe ich die praktischen Maßnahmen, die zu diesem Zweck auf der Grundlage der Mandate der Vereinten Nationen ergriffen wurden und werden, sowie die dabei gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse, und ich unterbreite eine Reihe von Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Zukunft.
Erster Teil
Mandat und Rolle der Hauptorgane der
Vereinten Nationen
II. Mandat der Vereinten Nationen für die
Verhütung bewaffneter Konflikte
A. Der von der Charta vorgegebene Rahmen
17. Nach wie vor besteht die Hauptaufgabe der Vereinten Nationen darin, "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren". Zu diesem Zweck haben sich die Mitgliedstaaten in Artikel 1 Absatz 1 der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet, "wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen…".
18. Nach meiner Auffassung wird den Vereinten Nationen in der Charta ein starkes Mandat für die Verhütung bewaffneter Konflikte übertragen. Es findet sich dort auch ein Hinweis auf zwei prägende Elemente der Philosophie, die dem kollektiven Sicherheitssystem zugrunde liegt: erstens, dass die Verhütung bewaffneter Konflikte eine wünschenswertere und kostenwirksamere Strategie zur Gewährleistung dauerhaften Friedens und dauerhafter Sicherheit ist als der Versuch, solche Konflikte zu beenden oder ihre Symptome zu mildern; und zweitens, dass die Verhütung bewaffneter internationaler Konflikte am besten durch "friedliche Mittel erfolgt, sodass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden", wie in Artikel 2 Absatz 3 der Charta festgeschrieben. Weil ich diese Überzeugung der Verfasser der Charta teile, habe ich vorgeschlagen, die Konfliktprävention zum Eckpfeiler des kollektiven Sicherheitssystems der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert zu machen.
19. Während eines großen Teils der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts war das Streben nach kollektiver Sicherheit weitgehend durch Reaktion statt Prävention gekennzeichnet und wurde fast ausschließlich in militärischen Kategorien definiert. Dieser Ansatz erwies sich für manche Staaten als vorteilhaft und ist nach wie vor gültig. Mit dem Ende des Kalten Krieges entstand jedoch ein neues Verständnis von Frieden und Sicherheit. Das traditionelle Konzept der kollektiven Sicherheit wurde durch ein umfassenderes Eingehen auf das Wesen eines nachhaltigen Friedens und seiner Bestandteile ergänzt, wie etwa soziale und wirtschaftliche Entwicklung, gute Staatsführung und Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. Im 21. Jahrhundert sollte kollektive Sicherheit bedeuten, dass wir alle gehalten sind, uns möglichst frühzeitig um die Überwindung von Spannungen, Missständen, Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Intoleranz und Feindseligkeiten zu bemühen, bevor Frieden und Sicherheit in Gefahr geraten. Dies ist meiner Auffassung nach der eigentliche Kern einer Kultur der Prävention.
20. Dieser Ansatz führt die Vereinten Nationen auf ihre Wurzeln zurück. Artikel 55 der Charta erkennt ausdrücklich an, dass die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art, die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung und die allgemeine Achtung der Menschenrechte wesentliche Voraussetzungen sind, "um jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche Beziehungen herrschen". Die Charta liefert damit die Grundlage für einen umfassenden und langfristigen Ansatz der Konfliktverhütung auf der Grundlage eines erweiterten Konzepts des Friedens und der Sicherheit.
B. Die Beschlüsse der Generalversammlung und
des Sicherheitsrats sowie die Auffassungen der Mitgliedstaaten zur Konfliktprävention
21. Seit dem Ende der achtziger Jahre haben die Generalversammlung und der Sicherheitsrat das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Mandat der Vereinten Nationen für die Konfliktprävention verstärkt. Die Generalversammlung bekräftigte insbesondere in ihrer Resolution 47/120 A "Agenda für den Frieden: Vorbeugende Diplomatie und damit zusammenhängende Fragen" die wichtige Rolle des Generalsekretärs auf dem Gebiet der vorbeugenden Diplomatie und bat ihn, die Kapazität des Sekretariats auf dem Gebiet der Informationsbeschaffung und Analyse zu stärken und einen Frühwarnmechanismus einzurichten. In ihrer Resolution 51/242 "Ergänzung zur 'Agenda für den Frieden'" hob die Generalversammlung weiter hervor, wie wichtig die Verbesserung der systemweiten Koordinierung der Präventivmaßnahmen der Vereinten Nationen ist.
22. Der Sicherheitsrat veranstaltete im November 1999 und im Juli
2000 öffentliche Aussprachen über Konflikt‑
prävention. Dabei brachten eine große Zahl von Mitgliedstaaten ihre generelle
Unterstützung für die Prävention zum Ausdruck, wenn auch mit unterschiedlichen
Handlungsprioritäten. Manche betonten die Notwendigkeit, sich auf die
sozioökonomischen Grundursachen von Konflikten zu konzentrieren, und forderten
die Aufstockung der Entwicklungshilfe, um Konflikten vorzubeugen. Andere nannten
die Förderung der Menschenrechte, gute Staatsführung, Rechtsstaatlichkeit und
Demokratisierung als die wichtigsten Bereiche für die Durchführung von
Präventivmaßnahmen. Mehrere Länder betonten, dass Präventivmaßnahmen
hauptsächlich auf Maßnahmen nach Kapitel VI der Charta beschränkt werden
sollten, stellten jedoch fest, dass Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII ein
legitimes letztes Mittel bleiben müssen, um massive Verletzungen der
grundlegenden Menschenrechte oder andere schwerwiegende Bedrohungen des
Friedens zu verhindern.
23. In den auf diesen beiden Sitzungen verabschiedeten Erklärungen des Präsidenten des Sicherheitsrats wurde unterstrichen, dass Frühwarnung, vorbeugende Diplomatie, vorbeugende Dislozierung, vorbeugende Abrüstung und Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit voneinander abhängige und sich ergänzende Bestandteile einer umfassenden Konfliktpräventionsstrategie sind. Dieser umfassende Ansatz der Konfliktprävention wurde auch bei der jüngsten öffentlichen Aussprache des Sicherheitsrats über Friedenskonsolidierung im Februar 2001 bekräftigt, auf der viele Redner betonten, dass eine gut geplante und koordinierte Friedenskonsolidierungsstrategie eine maßgebliche Rolle bei der Konfliktprävention spielen kann.
24. Konfliktprävention war auch eines der Hauptthemen des Millenniums-Gipfels der Vereinten Nationen, auf dem Führungspersönlichkeiten aus allen Teilen der Welt meinen Aufruf unterstützten, die internationale Gemeinschaft von einer Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention zu führen. Es herrschte breite Übereinstimmung darüber, dass der erfolgversprechendste Ansatz die Entwicklung langfristiger integrierter Strategien ist, die ein breites Spektrum politischer, wirtschaftlicher, sozialer und anderer Maßnahmen vereinen, deren Ziel der Abbau beziehungsweise die Beseitigung der tieferen Ursachen von Konflikten ist. Sowohl die von der Generalversammlung in ihrer Resolution 55/2 verabschiedete Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen als auch die vom Sicherheitsrat auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs verabschiedete Resolution 1318 (2000) erkannten die entscheidend wichtige Rolle aller Teile des Systems der Vereinten Nationen bei der Konfliktprävention an und enthielten die Verpflichtung, die Wirksamkeit der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet zu verstärken.
III. Die
Rolle der Hauptorgane der Vereinten Nationen bei der Verhütung bewaffneter Konflikte
A. Die Rolle der Generalversammlung
25. Im Rahmen der Artikel 10 und 11 der Charta verfügt die Generalversammlung über eine weit gefasste Ermächtigung, die Konfliktverhütung unter allen ihren Aspekten zu behandeln, nach Bedarf Empfehlungen auszuarbeiten oder die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf Situationen zu lenken, die geeignet sind, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gefährden. Nach Artikel 14 kann die Generalversammlung auch Maßnahmen zur friedlichen Bereinigung jeder Situation empfehlen, gleichviel wie sie entstanden ist, wenn diese Situation nach ihrer Auffassung geeignet ist, das allgemeine Wohl oder die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nationen zu beeinträchtigen.
26. Ich erinnere an die wichtige Arbeit der Versammlung auf diesem Gebiet, nämlich die Verabschiedung der Resolutionen 47/120 A und B "Agenda für den Frieden: Vorbeugende Diplomatie und verwandte Fragen", insbesondere Abschnitt VII der Resolution 47/120 A "Rolle der Generalversammlung auf dem Gebiet der vorbeugenden Diplomatie", und der Resolution 51/242 "Ergänzung zur 'Agenda für den Frieden'". Ausgehend von früheren Präzedenzfällen (z.B. 1960 in Südtirol, auf dem Balkan während der ersten zehn Jahre des Bestehens der Organisation sowie im Zusammenhang mit der Apartheid in Südafrika) steht es der Generalversammlung frei, zu prüfen, wie sie ihre in der Charta verankerten Befugnisse zur Behandlung von Präventionsfragen in Zukunft häufiger einsetzen kann. Zu diesem Zweck sollten die nachstehenden Schritte geprüft werden.
Mechanismen
für die friedliche Beilegung von Streitigkeiten
27. Der aktive Einsatz der in Kapitel VI der Charta ausgeführten Methoden zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten durch die Mitgliedstaaten gehört zu den wirkungsvollsten Möglichkeiten der Konfliktprävention. Die Generalversammlung hat im Laufe der Jahre zur Förderung einer entsprechenden Praxis beigetragen, etwa mit ihrer Resolution 268 (III) D von 1949 über die Einrichtung einer Sachverständigengruppe für Untersuchung und Vergleich und mit ihrem Beschluss 44/415 über die Inanspruchnahme einer Kommission für Gute Dienste, Vermittlung oder Vergleich im Rahmen der Vereinten Nationen. Es steht der Generalversammlung frei, die Abgabe weiterer Empfehlungen betreffend die Inanspruchnahme solcher Mechanismen innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu erwägen.
Erklärungen,
Normen und Programme sowie die Schaffung des politischen Willens zur Prävention
28. Ein systematischeres Herangehen der Generalversammlung an die Konfliktprävention wäre ein entscheidender Faktor zur Schaffung einer wahrhaft globalen Kultur der Konfliktprävention, indem Normen für die Rechenschaftspflicht der Mitgliedstaaten festgelegt und Beiträge zur Einführung von Präventionsmaßnahmen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene geleistet würden. Die Versammlung hat sich bereits aktiv mit der Aufstellung von Konfliktpräventionsnormen befasst, etwa in ihrer Resolution 43/51, die eine Anlage mit dem Titel "Erklärung über die Verhütung und Beseitigung von Streitigkeiten und Situationen, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen können, und über die Rolle der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet" enthält.
29. In ihrer Resolution 53/243 verabschiedete die Generalversammlung die Erklärung über eine Kultur des Friedens und das Aktionsprogramm für eine Kultur des Friedens, worin sie die Mitgliedstaaten, die Zivilgesellschaft und das gesamte System der Vereinten Nationen aufrief, Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Konfliktprävention zu fördern. Im Rahmen ihres breiten Verantwortungsbereichs könnte die Generalversammlung auch eine Kultur der Prävention in den vielgestaltigen Tätigkeiten des Systems der Vereinten Nationen fördern. Wie bei ihrer kürzlich verabschiedeten Resolution über Tätigkeiten zu Gunsten einer Kultur des Friedens geschehen, könnte die Generalversammlung bei einer Reihe von Punkten, die derzeit auf ihrer Tagesordnung stehen, wie etwa Abrüstung, Menschenrechte, humanitäre Hilfe, Demokratisierung, Umweltschäden, Terrorismus, Aids und Völkerrecht, jeweils auch den Aspekt der Konfliktverhütung behandeln.
Beratungsfunktionen
30. In verschiedenen Organen der Generalversammlung, beispielsweise im Charta-Ausschuss der Vereinten Nationen, wurden bereits Fragen im Zusammenhang mit der Verhütung und Beilegung von Konflikten erörtert. Diese Art der Prüfung neuer Gedanken und Konzepte durch die entsprechenden Versammlungsorgane sollte fortgesetzt werden. Die Versammlung erhält außerdem Berichte von vielen Organen und Organisationen der Vereinten Nationen, die regelmäßig Konfliktpräventionsfragen in ihre Programme aufnehmen. Die Universität der Vereinten Nationen (UNU), die Friedensuniversität und das Ausbildungs- und Forschungsinstitut der Vereinten Nationen (UNITAR) legen der Versammlung ihre Berichte direkt oder über den Wirtschafts- und Sozialrat vor und führen Programme zu Präventionsfragen durch. Würde die Versammlung diese Programme im Rahmen der Ausarbeitung einer umfassenden Konfliktpräventionsstrategie erörtern, würde ihnen dies breitere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen und weitere Diskussionen über Präventionsfragen anregen.
Zusammenwirken der Generalversammlung
und des Sicherheitsrats auf dem Gebiet der Prävention
31. Eine wichtige Frage, mit der sich alle Mitglieder der Vereinten Nationen beschäftigen müssen, ist die Ausweitung der Rolle der Generalversammlung bei der Konfliktprävention, parallel zur Verstärkung der Tätigkeit des Sicherheitsrats in diesem Bereich. Im Lichte der Aussprachen im Sicherheitsrat, bei denen betont wurde, dass die Friedenskonsolidierung in eine umfassende Konfliktpräventionsstrategie eingebunden werden muss, könnte die vorbeugende Friedenskonsolidierung zum Mittelpunkt eines sinnvollen strategischen Zusammenwirkens zwischen dem Rat und der Versammlung werden.
32. Der Sicherheitsrat befasst sich zumeist mit potenziellen Konfliktsituationen in Ländern, die keine Ratsmitglieder sind. Die Mitglieder der Generalversammlung sollten Gelegenheit erhalten, im Rat ihre Auffassungen zu Fragen der Konfliktprävention häufiger zu Gehör zu bringen. Um das Zusammenwirken zwischen der Versammlung und dem Rat pragmatischer zu gestalten, könnten der Präsident der Generalversammlung und der Präsident des Sicherheitsrats bei ihren monatlichen Treffen Präventionsfragen erörtern. Zur Unterstützung des Versammlungspräsidenten bei der Vorbringung solcher Präventionsfälle könnte auch die Einsetzung einer allen Mitgliedstaaten offen stehenden Arbeitsgruppe erwogen werden.
Empfehlung 1
Ich empfehle der Generalversammlung, in Bezug auf die Konfliktprävention eine aktivere Wahrnehmung ihrer Befugnisse nach den Artikeln 10, 11 und 14 der Charta der Vereinten Nationen zu erwägen.
Empfehlung 2
Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, zu prüfen, wie sie ihr Zusammenwirken mit dem Sicherheitsrat bei der Konfliktprävention ausweiten kann, insbesondere bei der Entwicklung langfristiger Konfliktpräventions- und Friedenskonsolidierungsstrategien.
B. Die Rolle des Sicherheitsrats
33. Als dem Organ der Vereinten Nationen mit der Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit kommt dem Sicherheitsrat bei der Verhütung bewaffneter Konflikte eine Schlüsselrolle zu. Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen, in dem betont wird, dass sich die Parteien einer Streitigkeit oder Situation, deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden, um eine Beilegung bemühen müssen, kann als Grundlage für Präventivmaßnahmen des Sicherheitsrats angesehen werden. Nach Kapitel VI kann der Sicherheitsrat jede Streitigkeit sowie jede Situation, die zu internationalen Reibungen führen oder eine Streitigkeit hervorrufen könnte, untersuchen.
34. Der Sicherheitsrat hat zwar seine Transparenz erhöht und seine Arbeitsmethoden verbessert, doch konzentriert er sich weiterhin fast ausschließlich auf Krisen und Notfälle und schaltet sich in der Regel erst dann ein, wenn es bereits zu Gewalttaten in großem Maßstab gekommen ist. Ich schlage mehrere Maßnahmen vor, die dem Rat die Ermittlung und die Nutzung von Chancen für Präventivmaßnahmen erleichtern könnten.
Periodische
Berichterstattung
35. In den im November 1999 beziehungsweise Juli 2000 abgegebenen Erklärungen seines Präsidenten über Konfliktprävention bat der Sicherheitsrat den Generalsekretär, periodische Berichte über den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohende Streitigkeiten vorzulegen, die auch Frühwarnungen und Vorschläge für Präventivmaßnahmen enthalten.
36. Ich bin der Auffassung, dass eine periodische Berichterstattung dann am nützlichsten ist, wenn sie in informeller und flexibler Weise und nicht als eine fest geplante Verpflichtung gehandhabt wird. Auch wäre es von Vorteil, wenn eine solche Berichterstattung in einen breiteren Kontext gestellt werden könnte. Bei meinen Treffen mit den Leitern von Regionalorganisationen zum Thema Prävention und Friedenskonsolidierung im Juli 1998 beziehungsweise im Februar 2001 zeigte sich, dass ein umfassender Ansatz, der sich auf regionale Präventionsstrategien stützt, sehr nützlich ist und zusammen mit unseren regionalen Partnern und den entsprechenden Organen und Organisationen der Vereinten Nationen weiterverfolgt werden sollte.
37. Ich beabsichtige daher, neben anderen Ansätzen die Praxis einzuführen, dem Sicherheitsrat periodisch regionale oder subregionale Berichte über Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit vorzulegen. In den meisten Fällen würden sich solche Berichte auf regionale Aspekte von Fragen beziehen, die bereits auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats stehen, und sie würden somit die derzeit bestehenden Berichtspflichten ergänzen. Der Schwerpunkt würde auf grenzüberschreitende Probleme gelegt, die eine potenzielle Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit bilden, wie etwa Ströme unerlaubter Waffen, natürliche Ressourcen, Flüchtlinge, Söldner, irreguläre Streitkräfte und die Auswirkungen ihrer Interaktion auf die Sicherheit. Im Rahmen dieser Berichterstattung würden dem Rat auch Handlungsprioritäten vorgeschlagen, indem die genannten regionalen Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ermittelt und entsprechende Maßnahmen ergriffen würden.
Ermittlungsmissionen
des Sicherheitsrats
38. Es ist zu begrüßen, dass der Rat in den vergangenen beiden Jahren diese Missionen wieder aufgenommen hat. Sie verfolgen zwar unterschiedliche Ziele und Zwecke, können jedoch allesamt eine wichtige Präventionswirkung ausüben. Die Praxis wurde 1999 mit einer Mission wieder aufgenommen; im Jahr 2000 fanden dann fünf Ratsmissionen statt – nach Eritrea und Äthiopien, in die Demokratische Republik Kongo, nach Sierra Leone, nach Osttimor und Indonesien sowie zur Durchführung der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats über das Kosovo – und im Jahr 2001 besuchten die jüngsten Missionen die Demokratische Republik Kongo und andere Länder der Region sowie das Kosovo. Der Sicherheitsrat könnte darüber hinaus zur Unterstützung seiner Ermittlungsmissionen in potenzielle Konfliktregionen die Heranziehung von Sachverständigen unterschiedlicher Disziplinen erwägen, damit bei der Ausarbeitung einer umfassenden Präventionsstrategie alle Fachbereiche berücksichtigt werden können.
Neue
Mechanismen für die Diskussion über Konfliktprävention
39. Wie ich im November 1999 in meiner Erklärung an den Rat vorgeschlagen habe, könnte der Sicherheitsrat die Einsetzung einer informellen Ad-hoc-Arbeitsgruppe oder eines anderen Nebenorgans oder eine andere informelle technische Regelung erwägen, um Präventionsfälle kontinuierlicher zu erörtern. Wird eine solche Gruppe eingesetzt, könnten die von mir vorgeschlagenen Frühwarnfälle oder die vom Präsidenten oder anderen Ratsmitgliedern vorgeschlagenen Fälle regelmäßig an sie überwiesen werden, bevor informelle Konsultationen oder öffentliche Ratssitzungen stattfinden. Bei der Erörterung der Fälle, die auf der Tagesordnung der Arbeitsgruppe stehen, könnten sich ihre Mitglieder auf die Informationen stützen, die sie von einzelnen Ratsmitgliedern oder vom Sekretariat erhalten haben. Der Sicherheitsrat könnte auch in Erwägung ziehen, die Arria-Formel oder andere ähnliche Regelungen für informelle Diskussionen außerhalb des Ratssaales für den Meinungsaustausch über Präventionsfragen zu nutzen.
Empfehlung 3
Ich lege dem Sicherheitsrat nahe, innovative Mechanismen zu prüfen, wie etwa die Einsetzung eines Nebenorgans oder einer informellen Ad-hoc-Arbeitsgruppe oder eine andere informelle technische Regelung, um Präventionsfälle kontinuierlich zu erörtern, vor allem im Hinblick auf die periodischen regionalen oder subregionalen Berichte, die ich dem Rat vorzulegen beabsichtige, sowie im Hinblick auf andere Frühwarn- oder Präventionsfälle, die ihm von den Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht werden.
C. Die Rolle des Wirtschafts- und Sozialrats
40. Der Wirtschafts- und Sozialrat hat eine engere Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung aufgenommen, da die internationale Gemeinschaft den Wert eines integrierten Ansatzes für die Verwirklichung von Frieden, Sicherheit, Achtung der Menschenrechte und nachhaltiger Entwicklung erkannt hat. Als der Sicherheitsrat 1998 den Wirtschafts- und Sozialrat bat, an der Gestaltung eines langfristigen Unterstützungsprogramms für Haiti mitzuwirken, begann eine neue Phase. 1999 wurde dann die Ad-hoc-Beratungsgruppe für Haiti eingerichtet, die eine Bewertungsmission in diesem Land durchführte. Im Februar 2000 wurde der Wirtschafts- und Sozialrat ebenfalls um Mitwirkung ersucht, als der Sicherheitsrat ihm vorschlug, eine Tagung einzuberufen, um die Auswirkungen von HIV/Aids auf den Frieden und die Sicherheit in Afrika zu erörtern.
41. In jüngerer Zeit ersuchte die Generalversammlung den Wirtschafts- und Sozialrat in ihrer Resolution 55/217, die Vorschläge der Allen Mitgliedstaaten offen stehenden Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Versammlung über Konfliktursachen, die Förderung dauerhaften Friedens und einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika zu prüfen, insbesondere hinsichtlich der Schaffung einer Ad-hoc-Beratungsgruppe für Länder in Postkonfliktsituationen. Inzwischen wurde für diesen Zweck eine Beratungsgruppe ähnlich derjenigen für Haiti eingesetzt.
42. Ich schlage eine aktivere Einbeziehung des Wirtschafts- und Sozialrats in die Verhütung bewaffneter Konflikte vor, vor allem wegen seiner ausschlaggebenden Rolle bei der Auseinandersetzung mit den tieferen Ursachen von Konflikten in den Kernbereichen seines Mandats. Sein künftiger Beitrag zur Verhütung bewaffneter Konflikte und zur Friedenskonsolidierung könnte entweder aus eigenem Antrieb oder auf Ersuchen anderer Hauptorgane der Vereinten Nationen erfolgen.
Langfristige
Strategien zur Beseitigung der tieferen Ursachen von Konflikten
43. Nach Artikel 62 der Charta der Vereinten Nationen kann der Wirtschafts- und Sozialrat Untersuchungen und Berichte auf allen unter sein Mandat fallenden Gebieten veranlassen. Solche Untersuchungen könnten erforderlich sein, wenn er seine konkrete Mitwirkung an der Entwicklung langfristiger Strategien zur Beseitigung der tieferen Ursachen von Konflikten prüft. Der Wirtschafts- und Sozialrat könnte die verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen, namentlich seine Nebenorgane, den Verwaltungsausschuss für Koordinierung und seine interinstitutionellen Mechanismen, um die Kapazitäten des gesamten Systems der Vereinten Nationen für die Unterstützung der Konzeption und Durchführung solcher Untersuchungen heranzuziehen.
Regionale
Perspektive
44. Eine aktivere Mitwirkung des Wirtschafts- und Sozialrats könnte sich als vorteilhaft erweisen, wenn der Sicherheitsrat Regionalinitiativen zur Verhütung bewaffneter Konflikte einleitet. Zu diesem Zweck sollte der Wirtschafts- und Sozialrat erwägen, zu einer umfassenden und disziplinenübergreifenden Diskussion über die Verhütung bewaffneter Konflikte, insbesondere im regionalen Kontext, beizutragen. Da der Wirtschafts- und Sozialrat bereits Modalitäten ausarbeitet, um in Unterstützung der diesbezüglichen Tätigkeiten des Sicherheitsrats, der Generalversammlung und des Generalsekretärs Beiträge zu den mit Afrika zusammenhängenden Regionalfragen zu leisten, könnte dieses Modell auch auf andere Regionen ausgeweitet werden.
Erörterung
auf hoher Ebene der tieferen Ursachen von Konflikten
45. In den vergangenen Jahren erhielt die Arbeit des Wirtschafts- und Sozialrats durch die Einführung eines Tagungsteils auf hoher Ebene bei seinen ordentlichen Jahrestagungen erheblichen Auftrieb. In Zukunft könnte ein Tagungsteil auf hoher Ebene der Frage gewidmet werden, welche Rolle die Entwicklung und dabei insbesondere der Wirtschafts- und Sozialrat bei der langfristigen Verhütung von Gewalttaten und Konflikten spielen könnten.
Empfehlung 4
Ich schlage vor, künftig einen Tagungsteil auf hoher Ebene der jährlichen Arbeitstagung des Wirtschafts- und Sozialrats der Frage zu widmen, wie die tieferen Ursachen von Konflikten angegangen werden können und welche Rolle die Entwicklung bei der Förderung einer langfristigen Konfliktprävention spielt.
D. Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs
46. Der Internationale Gerichtshof als unverzichtbarer Bestandteil des durch die Charta der Vereinten Nationen geschaffenen Systems zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten hat im Laufe der Jahre maßgeblich zur Beilegung internationaler Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beigetragen. Der Gerichtshof trägt zur friedlichen Beilegung und Lösung von Streitigkeiten bei, indem er in streitigen Verfahren zwischen Staaten Urteile fällt. Der Gerichtshof gewährt Hilfe bei der Konfliktlösung, wenn ihm eine Streitigkeit mittels eines Schiedsvertrags oder der Klageschrift eines Staates vorgelegt wird. Gerichtsverfahren können ausgesetzt werden, wenn die Parteien eine Verhandlungslösung anstreben. Des Weiteren trägt der Gerichtshof zur Verhütung bewaffneter Konflikte bei, indem er den Prozess der vorbeugenden Diplomatie durch Gutachten über Rechtsfragen erleichtert, wofür ihm in Artikel 96 der Charta die Ermächtigung erteilt wurde. Durch seine Urteile und Gutachten hat der Gerichtshof einen wesentlichen Beitrag zur fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts und zur Ermittlung neuer Trends im Völkerrecht geleistet. Der Generalsekretär fordert die Staaten nachdrücklich auf, sich zur Beilegung von Streitigkeiten des Gerichtshofs zu bedienen.
47. Der Internationale Gerichtshof ist heute aktiver als jemals zuvor. Streitigkeiten aus allen Teilen der Welt werden ihm vorgelegt. Ich fordere die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sich in Zukunft des Internationalen Gerichtshofs noch stärker zu bedienen, unter anderem wenn es um die Verhütung von gebiets- und seerechtlichen Streitigkeiten geht.
Obligatorische
Zuständigkeit des Gerichtshofs
48. Bis Ende 2000 hatten 60 Mitgliedstaaten Erklärungen abgegeben, wonach sie die obligatorische Zuständigkeit des Gerichtshofs anerkennen, wenn auch vielfach mit Vorbehalten, die die Wirkung der Klausel der obligatorischen Zuständigkeit tendenziell beschränken oder schmälern. Ich möchte meinen Appell an die Mitgliedstaaten wiederholen, soweit noch nicht geschehen, die Annahme der obligatorischen Zuständigkeit des Gerichtshofs zu erwägen. Außerdem möchte ich die Staaten nachdrücklich auffordern, bei der Verabschiedung multilateraler Verträge unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen Klauseln zu verabschieden, die die Überweisung von Streitigkeiten an den Gerichtshof vorsehen. Je mehr Staaten die obligatorische Zuständigkeit des Gerichtshofs annehmen, desto besser stehen die Chancen, dass potenzielle Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln zügig beigelegt werden können. Der Sicherheitsrat sollte auch erwägen, den Staaten nach Artikel 36 der Charta der Vereinten Nationen zu empfehlen, Streitigkeiten dem Gerichtshof vorzulegen.
Gutachterliche
Kompetenz des Gerichtshofs
49. In der "Agenda für den Frieden" (siehe A/47/277-S/24111) empfahl mein Vorgänger, dass der Generalsekretär nach Artikel 96 Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen ermächtigt werden soll, von der gutachterlichen Kompetenz des Gerichtshofs Gebrauch zu machen, und dass andere Organe der Vereinten Nationen, die bereits dazu ermächtigt sind, sich häufiger zwecks Einholung solcher Gutachten an den Gerichtshof wenden sollen. Die Generalversammlung kam diesen Empfehlungen jedoch nicht nach, und der Sicherheitsrat hat seit 1993 kein Gutachten des Gerichtshofs eingeholt. Ich fordere daher die Versammlung und den Sicherheitsrat nachdrücklich auf, ihre Aufmerksamkeit erneut auf die genannten Empfehlungen, die ich voll unterstütze, zu richten, und auch zu erwägen, andere Organe der Vereinten Nationen zur Einholung von Gutachten des Gerichtshofs zu ermächtigen.
50. Ich möchte die Staaten auch an die Verfügbarkeit des Treuhandfonds des Generalsekretärs zur Unterstützung der Staaten bei der Regelung ihrer Streitigkeiten durch den Internationalen Gerichtshof erinnern, über den Staaten Finanzhilfen zur Deckung der Kosten erhalten können, die ihnen im Zusammenhang mit Streitigkeiten entstanden sind, die dem Gerichtshof im Wege eines Schiedsvertrags vorgelegt wurden.
Empfehlung 5
Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, den Internationalen Gerichtshof früher und häufiger in Anspruch zu nehmen, um ihre Streitigkeiten friedlich beizulegen und die Herrschaft des Rechts in den internationalen Beziehungen zu fördern.
Empfehlung 6
Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, die allgemeine Zuständigkeit des Gerichtshofs anzunehmen. Wenn innerstaatliche Strukturen dies verhindern, sollten die Staaten in bilateralen oder multilateralen Übereinkünften ein umfassendes Verzeichnis der Angelegenheiten aufstellen, die sie dem Gerichtshof vorzulegen bereit sind.
Empfehlung 7
Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, bei der Verabschiedung multilateraler Verträge unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen Klauseln zu verabschieden, die die Überweisung von Streitigkeiten an den Gerichtshof vorsehen.
Empfehlung 8
Ich empfehle, dass die Generalversammlung den Generalsekretär und andere Organe der Vereinten Nationen ermächtigt, von der gutachterlichen Kompetenz des Gerichtshofs Gebrauch zu machen, und dass andere Organe der Vereinten Nationen, die bereits dazu ermächtigt sind, sich häufiger zwecks Einholung solcher Gutachten an den Gerichtshof wenden.
E. Die Rolle des Generalsekretärs
51. Seit Gründung der Organisation hat der Generalsekretär durch "stille Diplomatie" oder seine "Guten Dienste" eine Rolle bei der Verhütung bewaffneter Konflikte inne. Sein Präventionsauftrag leitet sich aus Artikel 99 der Charta der Vereinten Nationen ab, dem zufolge der Generalsekretär die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf jede Angelegenheit lenken kann, die nach seinem Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden.
52. Die vorbeugende Diplomatie, deren Ziel darin besteht, mittels Überzeugungskraft, Vertrauensbildung und Informationsaustausch frühzeitig Lösungen für schwierige Probleme zu finden, ist ein wichtiger Teil meines Verantwortungsbereichs. Ich betrachte die wachsende Nachfrage nach meiner Beteiligung an Präventivmaßnahmen dieser Art als Anerkennung dessen, dass der Generalsekretär abseits vom Rampenlicht der Öffentlichkeit auf stille und diskrete Weise viel erreichen kann, selbst wenn das Ergebnis nicht immer sichtbar oder einfach zu bewerten ist.
53. Es gibt drei Möglichkeiten zur Stärkung der traditionellen präventiven Rolle des Generalsekretärs: erstens durch den vermehrten Einsatz von Ermittlungs- und Vertrauensbildungsmissionen sowie die Ernennung hochrangiger Abgesandter und die Einrichtung weiterer regionaler Verbindungsbüros, zweitens durch die Einleitung gemeinsamer Präventivmaßnahmen durch den Generalsekretär und den Sicherheitsrat und drittens durch die Erhöhung der im Sekretariat vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen für Präventivmaßnahmen, auf die in diesem Bericht weiter unten eingegangen wird.
Ermittlungsmissionen
54. Die Generalversammlung und der Sicherheitsrat haben den vermehrten Einsatz von Ermittlungsmissionen als Teil einer vorbeugenden Diplomatie befürwortet. Ermittlungsmissionen können die Interessen der Parteien eines potenziellen Konflikts objektiv feststellen, mit dem Ziel, aufzuzeigen, mit welchen Maßnahmen das System der Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten den Konfliktparteien dabei helfen können, ihre Differenzen beizulegen oder auszuräumen.
55. Vor kurzem entsandte ich zwei interinstitutionelle Missionen nach Westafrika. Die erste Mission reiste im November 2000 nach Gambia, um in Gesprächen mit Regierungsbeamten, hochrangigen Parteivertretern, Repräsentanten der Zivilgesellschaft und Vertretern des Landesteams der Vereinten Nationen gemeinsam zu sondieren, wie die Vereinten Nationen dem Land konkret dabei behilflich sein können, die zahlreichen Herausforderungen, die sich ihm stellen, zu bewältigen und so einer Bedrohung des Friedens und der Sicherheit im Land vorzubeugen. Die zweite Mission bereiste im März 2001 elf westafrikanische Länder, um eine Bestandsaufnahme der vorrangigen Bedürfnisse und Herausforderungen in der Region auf den Gebieten Frieden und Sicherheit, regionale Zusammenarbeit, humanitäre Angelegenheiten und wirtschaftliche und soziale Entwicklung, einschließlich der Verbindungen zwischen ihnen, vorzunehmen. Ich beabsichtige, derartige interdisziplinäre technische Bewertungsmissionen in Zukunft auf der Grundlage der vollen Kooperation der jeweiligen Mitgliedstaaten häufiger für präventive Zwecke einzusetzen.
Vertrauensbildungsmissionen
56. In der "Agenda für den Frieden" bekundete mein Vorgänger seinen Wunsch, mit den an einer potenziellen, einer zurzeit akuten oder einer vergangenen Streitigkeit beteiligten Parteien und mit den Regionalorganisationen regelmäßige Konsultationen über vertrauensbildende Maßnahmen zu führen und ihnen jede beraterische Unterstützung angedeihen zu lassen, die das Sekretariat gewähren kann. Ein derartiges Vorgehen wurde von der Generalversammlung in ihrer Resolution 47/120 gebilligt. Um zu ermitteln, inwieweit sich solche Maßnahmen unter der gemeinsamen Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und der Regionalorganisationen realisieren lassen, könnten kleine Missionen in die Hauptstädte der jeweils betroffenen Staaten der Region sowie an den Amtssitz der wichtigsten Regionalorganisationen entsandt werden, mit dem Auftrag, die Auffassungen hinsichtlich einer Aufnahme der Zusammenarbeit auf Arbeitsebene über die Vertrauensbildung in diesen Regionen einzuholen.
57. Die Entsendung von Vertrauensbildungsmissionen könnte ein konkreter Schritt zur Durchführung von Initiativen der vorbeugenden Diplomatie in einem regionalen Kontext sein und unterstreichen, welche Bedeutung ich dem vorsorglichen Engagement der Vereinten Nationen in instabilen Regionen beimesse. Ich beabsichtige, diese Möglichkeit der vorbeugenden Diplomatie in meinen künftigen Gesprächen mit den Leitern der Regionalorganisationen weiter zu prüfen.
Informelles
Netzwerk herausragender Persönlichkeiten
58. Ich beabsichtige, im Anschluss an geeignete Konsultationen herausragende Persönlichkeiten zu benennen, die als informelles Netzwerk zur Beratung und zur aktiven Unterstützung meiner Bemühungen um die Verhütung und Beilegung bewaffneter Konflikte fungieren. Gelegentlich würde ich die Mitglieder dieses Netzwerks auch bitten, präventive Diplomatie zu betreiben, um neu auftretende Spannungen einzudämmen oder entschärfen zu helfen.
Regionale
Präsenz
59. Die 1998 erfolgte Einrichtung des Verbindungsbüros der Vereinten Nationen am Amtssitz der OAU in Addis Abeba stellte einen ersten Schritt zur Förderung der Zusammenarbeit, namentlich im Rahmen von Konfliktpräventionsstrategien, mit regionalen oder subregionalen Organisationen dar. Ich beabsichtige, zu prüfen, inwieweit dieses Konzept auf der Grundlage des in Addis Abeba geschaffenen Präzedenzfalls weiterentwickelt werden kann.
60. Im Oktober 2000 setzte ich die
Interinstitutionelle Arbeitsgruppe für Westafrika ein, die erste Initiative,
die die Vereinten Nationen ergriffen haben, um einen koordinierten und
umfassenden Ansatz zur Konfliktprävention zu entwickeln und ein geeignetes
Umfeld für die Friedenskonsolidierung in einer bestimmten Subregion zu
schaffen. Dieser Ansatz ermöglichte die Prüfung der Probleme so
wohl aus nationaler als auch aus subregionaler Sicht. Die Arbeitsgruppe
verfolgte zudem das Ziel, die Anstrengungen der Vereinten Nationen mit denen
der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) zu vereinen,
die bei der Konzipierung und Durchführung der Initiative kooperierte und bei
der Umsetzung ihrer Empfehlungen der Hauptpartner der Vereinten Nationen sein
wird. Zu diesen Empfehlungen gehört die Schaffung eines Büros der Vereinten
Nationen in Westafrika, das unter der Leitung meines Sonderbeauftragten die
Kapazität der Organisation auf dem Gebiet der Frühwarnung, der Prävention, der
Friedenskonsolidierung, der Berichterstattung und der Politiksetzung sowie
im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der ECOWAS und anderen Organisationen in
der Subregion erweitern würde. Die aus der Westafrika-Initiative gewonnenen
Erkenntnisse könnten einen nützlichen Leitfaden für die
Konfliktpräventionsbemühungen der Vereinten Nationen in anderen Teilen der
Welt bilden.
Empfehlung 9
Ich beabsichtige, mit Unterstützung der Mitgliedstaaten die traditionelle präventive Rolle des Generalsekretärs auf vierfache Weise zu stärken: erstens durch den vermehrten Einsatz interdisziplinärer Ermittlungs- und Vertrauensbildungsmissionen der Vereinten Nationen in instabilen Regionen, zweitens durch die Entwicklung regionaler Präventionsstrategien mit unseren regionalen Partnern und den in Betracht kommenden Organen und Organisationen der Vereinten Nationen, drittens durch den Aufbau eines informellen Netzwerks herausragender Persönlichkeiten zur Konfliktprävention und viertens durch die Erhöhung der im Sekretariat vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen für Präventivmaßnahmen.
Zweiter Teil
Die Rolle des Systems der Vereinten Nationen und
anderer internationaler Akteure
IV. Die Rolle und Tätigkeit der Hauptabteilungen,
Organisationen und Programme der Vereinten Nationen bei der Verhütung
bewaffneter Konflikte
A. Überblick
61. Seit meinem Amtsantritt habe ich ausgehend von der Prämisse, dass nachhaltige Entwicklung und langfristige Konfliktprävention synergetische Ziele sind, mehrere Initiativen zur Förderung einer Kultur der Konfliktprävention in der täglichen Arbeit des Sekretariats sowie des Systems der Vereinten Nationen als Ganzes in die Wege geleitet. In den vergangenen fünf Jahren haben nahezu alle Bestandteile des Systems der Vereinten Nationen, einschließlich der Bretton-Woods-Institutionen, begonnen, sich aktiv mit Präventions- und Friedenskonsolidierungstätigkeiten im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate zu befassen.
62. So unterschiedlich die tieferen Ursachen bewaffneter Konflikte sein können, so breit ist auch das Spektrum geeigneter Präventivmaßnahmen und der zu ihrer Durchführung erforderlichen Ressourcen. Die Frage des richtigen Zeitpunkts ist ebenfalls von großer Bedeutung: manche Präventivmaßnahmen, die zweckmäßig sein können, wenn sie frühzeitig ergriffen werden, können, sofern sich die Streitigkeit verschärft und der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts immer wahrscheinlicher wird, unangemessen oder gar völlig unannehmbar werden. So könnte man sagen, dass es sich, sobald eine Situation auf die Tagesordnung des Sicherheitsrats gesetzt wird, eher um eine späte anstatt um eine frühzeitige Prävention handelt.
63. Die Konfliktprävention kann über verschiedene Ansätze zur Herbeiführung größerer Sicherheit und Stabilität zwischen den Staaten erfolgen, namentlich durch Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, gegenseitiges Vertrauen zu fördern, Bedrohungsängste abzubauen, das Risiko eines Überraschungsangriffs zu beseitigen, ein Wettrüsten zu verhindern und ein günstiges Klima für den Abschluss von Rüstungsbegrenzungs- und -reduzierungsvereinbarungen und die Senkung der Militärausgaben herbeizuführen. Solche vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen können auf verschiedenen Ebenen verfolgt werden – bilateral, subregional, regional und multilateral; selbst einseitige Maßnahmen sind vorstellbar – und können entsprechend den politischen und sicherheitsbezogenen Merkmalen und Erfordernissen der jeweiligen Situation flexibel angewandt werden.
64. Insgesamt gesehen verfügt das System der Vereinten Nationen über eine beträchtliche Kapazität für Präventivmaßnahmen. Dennoch besteht nach wie vor die klare Notwendigkeit, den Aspekt der Konfliktprävention systematischer in die vielschichtigen Programme und Tätigkeiten des Systems der Vereinten Nationen einzubeziehen, damit diese planmäßig und nicht nur zufällig zur Konfliktprävention beitragen können. Dies wiederum erfordert eine stärkere Kohärenz und Koordinierung im System der Vereinten Nationen mit besonderem Gewicht auf der Konfliktprävention. Des Weiteren bedarf es eines förderlichen Umfelds, in dem die Mitarbeiter der Vereinten Nationen ermutigt werden, eine proaktive, präventive Denkweise zu entwickeln, und in dem ein entsprechendes Anreiz- und Rechenschaftssystem Anwendung findet.
B. Maßnahmen
zur Förderung der Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen
65. Im Laufe der vergangenen Jahre wurden die Bemühungen zur Förderung der Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen allgemein verstärkt. Die tief verwurzelten Gewohnheiten früherer Jahre, in denen kaum Informationen zwischen den Hauptabteilungen und Organisationen ausgetauscht wurden, weichen zunehmend der Bereitschaft, Analysen auszutauschen und gemeinsame Anstrengungen zur Ermittlung und Durchführung geeigneter und konkreter Präventivmaßnahmen zu unternehmen. An dieser Stelle geht es mir insbesondere darum, zu zeigen, wie die Hauptabteilungen, Programme, Bereiche und Organisationen der Vereinten Nationen zu Gunsten der Verhütung bewaffneter Konflikte zusammenwirken.
Verwaltungsausschuss für
Koordinierung
66. Der Verwaltungsausschuss für Koordinierung ist die für die Förderung der Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen zuständige Stelle. Die Leiter der 25 Fonds, Programme und Sonderorganisationen sowie der Welthandelsorganisation (WTO) und der Bretton-Woods-Institutionen wirken unter meinem Vorsitz an der Förderung der Koordinierung innerhalb des Systems mit. 1997 stellte der Verwaltungsausschuss für Koordinierung fest, wie wichtig es ist, die Frühwarnkapazität des Systems insgesamt zu verstärken. Außerdem stellte er einvernehmlich fest, wie wichtig die Friedenskonsolidierung als eine umfassende Strategie zur Konfliktprävention ist, und unterstrich die Notwendigkeit, die tieferen politischen, militärischen, humanitären, menschenrechtlichen, ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und demografischen Ursachen von Konflikten anzugehen. Unter diesem Gesichtspunkt beabsichtige ich, mit dem Verwaltungsausschuss für Koordinierung einen zielgerichteten Dialog darüber zu führen, welche konkreten Maßnahmen das System der Vereinten Nationen ergreifen muss, um seine Tätigkeiten auf dem Gebiet der Konfliktprävention kohärenter zu gestalten.
Exekutivausschüsse
67. 1997 schuf ich im Rahmen meines Reformprogramms eine Struktur aus vier Exekutivausschüssen auf Untergeneralsekretärsebene, die als interne Entscheidungsmechanismen für die fünf wichtigsten Tätigkeitsbereiche fungieren: Frieden und Sicherheit, wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Angelegenheiten sowie Menschenrechte als Querschnittsaufgabe. Im Rahmen dieser Struktur ist der Exekutivausschuss für Frieden und Sicherheit die kompetente Stelle für die Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit systemweiten Präventivmaßnahmen. Der Exekutivausschuss für humanitäre Angelegenheiten ist das geeignete Organ für die Prüfung von Präventiv- und Bereitschaftsmaßnahmen humanitärer Art, während entwicklungsbezogene Präventivmaßnahmen naturgemäß in den Zuständigkeitsbereich der Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen (UNDG) fallen. Der Exekutivausschuss für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten befasst sich auf vorgeordneter Ebene mit den tieferen Ursachen von Konflikten aus dem Blickwinkel makroökonomischer und sozialer Fragen, der Regierungsführung und der nachhaltigen Entwicklung. Obgleich sich diese Ausschüsse bislang im Rahmen ihrer Tätigkeit zumeist mit anderen Fragen als mit der Konfliktprävention befasst haben, beabsichtige ich, sie in Zukunft verstärkt proaktiv für diesen Zweck einzusetzen.
Hauptabteilungsübergreifender
Rahmen-Koordinierungsmechanismus
68. Die Ausrichtung des Hauptabteilungsübergreifenden Rahmen-Koordinierungsmechanismus, der 1994 geschaffen wurde, um eine bessere Planung und Koordinierung zwischen den Friedenssicherungs-, humanitären und politischen Aufgaben zu gewährleisten, wurde seit 1998 auf Frühwarnung und Präventivmaßnahmen verlagert. Eine aus hochrangigen Vertretern von 14 Hauptabteilungen, Organisationen, Programmen und Bereichen, einschließlich der Weltbank, bestehende Gruppe des Rahmen-Koordinierungsmechanismus tritt einmal pro Monat zusammen, um Informationen aus ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen auszutauschen und das Potenzial für bewaffnete Konflikte, komplexe Notsituationen oder sonstige Umstände zu analysieren, die hinreichenden Grund für einen Eingriff der Vereinten Nationen bieten könnten. Der Rahmen-Koordinierungsmechanismus ist im Einklang mit Resolution 51/242 der Generalversammlung ständig weiterentwickelt und verbessert worden und stellt nunmehr einen wichtigen Mechanismus für die rasche Ausarbeitung von Präventionsstrategien innerhalb des Systems der Vereinten Nationen dar.
Kohärenz
auf Landesebene
69. Auf der Landesebene beteiligt sich das jeweilige Landesteam der Vereinten Nationen unter der Leitung des residierenden Koordinators der Vereinten Nationen und in enger Zusammenarbeit mit der Regierung an einem disziplinenübergreifenden Prozess zur Ausarbeitung der gemeinsamen Landesbewertung. Dieser Prozess wurde in 70 Ländern abgeschlossen und ist in 40 weiteren Ländern im Gange. Im Rahmen der gemeinsamen Landesbewertung werden der Entwicklungsstand des jeweiligen Landes analysiert, die Schlüsselfragen benannt, die als Grundlage für die Lobbyarbeit und den Politikdialog innerhalb des Systems der Vereinten Nationen dienen, sowie die einzelstaatlichen Prioritäten und Herausforderungen und die regionalen Belange und Initiativen behandelt. Der Prozess der gemeinsamen Landesbewertung führt unmittelbar zum Entwicklungshilfe-Programmrahmen der Vereinten Nationen, der den Planungsrahmen für die Ausarbeitung von Programmen darstellt, die eine kohärente Entwicklungshilfestrategie der Vereinten Nationen auf Landesebene umfassen. Dieser Prozess gestattet es, Hauptrisikofaktoren und Präventionsfragen bereits in der Anfangsphase des Programmzyklus zu berücksichtigen und so gemeinsame Ziele und Kooperationsstrategien festzulegen.
70. In Anbetracht dessen, dass gewalttätige Konflikte zu den schwerwiegendsten Bedrohungen für eine nachhaltige Entwicklung gehören, bieten sowohl die gemeinsame Landesbewertung als auch der Entwicklungshilfe-Programmrahmen eine bedeutende Gelegenheit zur Ermittlung und Umsetzung von Friedenskonsolidierungs- und Konfliktpräventionsstrategien auf Landesebene. Die Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen soll daher sicherstellen, dass Konfliktpräventions- und Friedenskonsolidierungsaspekte in diese Prozesse eingebunden werden, was einen grundlegenden Schritt für eine Entwicklungsprogrammierung darstellt, die unter dem Blickwinkel der Konfliktprävention erfolgt und die Landesteams der Vereinten Nationen in die Lage versetzen wird, in Partnerschaft mit den einzelstaatlichen Regierungen und der Zivilgesellschaft Konfliktpräventionsfragen auf Landesebene gemeinsam anzugehen.
71. Die Kohärenz der Maßnahmen auf dem Gebiet der Konfliktprävention wird außerdem durch das systemweite Ausbildungsprogramm "Frühwarnung und Präventivmaßnahmen: Aufbau der Kapazitäten der Vereinten Nationen" gefördert, welches die Fortbildungsakademie der Vereinten Nationen für die Bediensteten der Organisation durchführt. Dieses Programm schafft ein Forum für einen vertieften Meinungsaustausch und eine bessere Koordinierung zwischen den Organisationen und Bereichen der Vereinten Nationen, die sich mit den grundsatzpolitischen und den praktischen Aspekten von Präventivmaßnahmen befassen. Die im Rahmen des Programms durchgeführten Arbeitsseminare ergänzen die Ausbildung, die die Landesteams der Vereinten Nationen in Bezug auf die gemeinsame Landesbewertung und den Entwicklungshilfe-Programmrahmen der Vereinten Nationen erhalten.
72. Die Kohärenz innerhalb des Systems der Vereinten Nationen muss durch eine einheitliche Politik der Mitgliedstaaten gegenüber den Vereinten Nationen ergänzt werden. Allzu oft haben die Hauptabteilungen, Organisationen und Programme festgestellt, dass Vorschläge, die in einem Forum die politische Zustimmung von Mitgliedstaaten gefunden haben, in anderen Foren, insbesondere in Finanzforen, keinerlei Unterstützung seitens derselben Staaten erhalten. Treten derartige Diskrepanzen auf, so lassen sich die institutionellen Verantwortlichkeiten für die jeweiligen Tätigkeiten nicht mehr eindeutig abgrenzen, was die von den Vereinten Nationen unternommenen Anstrengungen zur Ausarbeitung wirksamer Konfliktpräventionskonzepte verkompliziert. Um im Hinblick auf diese Frage möglichst wenige Missverständnisse aufkommen zu lassen, werde ich dafür Sorge tragen, dass das System der Vereinten Nationen seinen Ressourcenbedarf so klar wie möglich begründet.
Empfehlung 10
Ich lege den Leitungsgremien und anderen zwischenstaatlichen Organen der Fonds und Programme der Vereinten Nationen sowie den Sonderorganisationen nahe, zu prüfen, wie sie den Aspekt der Konfliktprävention am besten in ihre jeweiligen mandatsmäßigen Aufgaben einbeziehen können.
C. Politische Tätigkeit
73. Innerhalb des Systems der Vereinten Nationen wird der Generalsekretär bei seinen Aufgaben auf politischem Gebiet durch die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten unterstützt, die in vielen Teilbereichen ihrer Tätigkeit eng mit anderen Hauptabteilungen, Bereichen und Organisationen der Vereinten Nationen zusammenarbeitet. Eine der wichtigsten Aufgaben der Hauptabteilung ist es, die politischen Entwicklungen auf der ganzen Welt zu verfolgen und mögliche Konflikte auszumachen, zu deren Verhütung die Vereinten Nationen beitragen könnten. Sie ist außerdem die im System der Vereinten Nationen zuständige Koordinierungsstelle für Konfliktprävention und Friedenskonsolidierung. Zur Unterstützung bei dieser neuen Aufgabe richtete die Hauptabteilung vor drei Jahren die Gruppe Politische Planung ein. 1998 schuf sie außerdem die Gruppe Konfliktprävention, die einen hauptabteilungsinternen Mechanismus für die Ausarbeitung präventiver Handlungsoptionen darstellt. Als die Instanz, die den Exekutivausschuss für Frieden und Sicherheit einberuft, fördert die Hauptabteilung darüber hinaus Gespräche auf hauptabteilungsübergreifender und interinstitutioneller Ebene sowie die Beschlussfassung über präventive Handlungsoptionen.
74. Die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten hat den Auftrag, potenzielle oder tatsächliche Konflikte zu ermitteln, bei deren Beilegung die Vereinten Nationen eine nützliche Rolle spielen könnten. Jede der vier geografischen Abteilungen innerhalb der Hauptabteilung ist dafür zuständig, potenzielle Krisengebiete ausfindig zu machen und den Generalsekretär frühzeitig auf Entwicklungen und Situationen hinzuweisen, die den Frieden und die Sicherheit beeinträchtigen könnten. Zu diesem Zweck erstellen die Referenten der vier geografischen Abteilungen der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten Länderprofile für ihre jeweiligen Länder und verfolgen im Laufe der Zeit die weitere Entwicklung der Lage. Durch ihre Beobachtung des natürlichen und normalen Ablaufs des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens sind sie gut positioniert, um Veränderungen und Entwicklungen wahrzunehmen, die zu einer Krise führen können. Dank moderner Kommunikationsmittel und Online-Datenbanken haben die Referenten freien Zugang zu einer gewaltigen Menge an Informationen; dennoch muss die Hauptabteilung ihre Kapazitäten weiter ausbauen, um solche Informationen effektiv nutzen und entsprechend Präventivmaßnahmen vorschlagen zu können.
75. Die im jüngsten Bericht des
Generalsekretärs über die Umsetzung der Empfehlungen des Sonderausschusses für
Friedenssicherungseinsätze und der Sachverständigen‑
gruppe für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen vorgesehene neue Gruppe
für systemweite Politik und Analyse (siehe A/55/977, Ziffern 301-307) könnte,
sofern sie eingerichtet wird, dazu beitragen, die Kapazität der Hauptabteilung
auf diesem Gebiet zu stärken, indem sie als Sekretariat des Exekutivausschusses
für Frieden und Sicherheit fungiert.
76. Die Generalversammlung hat anerkannt, dass ein rechtzeitiger Einsatz der vorbeugenden Diplomatie das zweckmäßigste und effizienteste Mittel ist, um Spannungen abzubauen, bevor sie zu einem Konflikt führen. Zu diesem Zweck bemüht sich die Hauptabteilung darum, wirksamere Methoden der vorbeugenden Diplomatie zu entwickeln. Dazu gehören Ermittlungsmissionen, die Entsendung von Sonderbotschaftern in kritische Regionen, die Wahrnehmung der Guten Dienste des Generalsekretärs und die Schaffung von Gruppen von Freunden des Generalsekretärs in verschiedenen Regionen, die aus einigen unmittelbar interessierten Mitgliedstaaten bestehen.
77. Ein beträchtlicher Teil der Arbeit der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten auf dem Gebiet der Konfliktprävention besteht in der Unterstützung der Sonderbeauftragten und Sonderbotschafter des Generalsekretärs sowie der Missionen und Büros im Feld. Die Hauptabteilung unterstützt derzeit Missionen in Afghanistan, Angola, Papua-Neuguinea, Burundi, Guatemala, dem ostafrikanischen Zwischenseengebiet, Libanon, den besetzten palästinensischen Gebieten* und Somalia. Überdies hat die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten Büros zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung in der Zentralafrikanischen Republik, Guinea-Bissau, Liberia und Tadschikistan eingerichtet. Diese Büros arbeiten eng mit Staatsministerien, Nationalversammlungen, politischen Parteien, der Zivilgesellschaft und anderen Akteuren vor Ort zusammen, um die jeweiligen einzelstaatlichen Friedenskonsolidierungsbemühungen zu unterstützen.
78. Die Büros der Vereinten Nationen zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung können durch ihre Unterstützung der Landesteams und der nichtresidierenden Organisationen/Büros der Vereinten Nationen und in enger Zusammenarbeit mit diesen einen wesentlichen Beitrag zur Ausarbeitung vielschichtiger Programme leisten, mit denen zahlreiche der tieferen Ursachen von Konflikten angegangen werden. Dazu gehören beispielsweise die Verbesserung der Unterstützung für demokratische Grundsätze wie die Gewährleistung einer fairen Rolle für die Opposition, der gleichberechtigte Zugang zu den öffentlichen Medien, die Reform des Sicherheitssektors, die Förderung der Toleranz und der Achtung der Menschenrechte sowie die Gewährung technischer Hilfe in Verfassungsfragen und zu Gunsten nationaler Institutionen. In Zukunft könnte die Rolle derartiger Büros mit Zustimmung der Mitgliedstaaten auf konfliktanfällige Regionen und Länder ausgeweitet werden.
79. Die von den Vereinten Nationen geleistete Arbeit zur Unterstützung der Demokratie in ihren Mitgliedstaaten trägt in erheblichem Maße zur Konfliktprävention bei. Dazu gehört eine umfassende Unterstützung auf dem Gebiet der Staatsführung und der Rechtsstaatlichkeit, einschließlich der Wahlhilfe. Es ist nachgewiesen, dass eine solche Unterstützung maßgeblich dazu beiträgt, den Zusammenbruch demokratischer Institutionen und Prozesse zu verhindern, insbesondere in im Übergang befindlichen Gesellschaften oder in neuen oder wiederhergestellten Demokratien. Beispielsweise hat die Abteilung Wahlhilfe der Vereinten Nationen seit ihrer Einrichtung in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) bei mehr als 150 Wahlvorgängen Hilfe gewährt, um die vorhandene Verwaltungskapazität von Mitgliedstaaten zur Durchführung glaubhafter, transparenter und fairer Wahlen zu steigern und bei der Festigung demokratischer Institutionen behilflich zu sein. Eine nachhaltige Entwicklung ist ohne Zweifel nur dann möglich, wenn Menschen frei und effektiv an Entscheidungsprozessen teilhaben.
80. Die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten bemüht sich derzeit darum, ihre Frühwarn- und Analysekapazitäten zu verbessern, die Qualität ihrer Mitarbeiter durch Aus- und Fortbildung zu verbessern, ihre Koordinierung und Zusammenarbeit mit den anderen Hauptabteilungen, Fonds und Organisationen der Vereinten Nationen zu verbessern, ihre Zusammenarbeit mit den Regierungen und den Regionalorganisationen zu verbessern, ihre Kontakte zu den Forschungsinstituten und zuständigen nichtstaatlichen Organisationen auszubauen und über den Treuhandfonds für vorbeugende Maßnahmen die Ermittlungs- und Moderationsmissionen sowie die anderen Tätigkeiten zu unterstützen, die darauf gerichtet sind, potenzielle Konflikte zu entschärfen und zu verhindern, dass bestehende Streitigkeiten in Konflikte ausarten. Außerdem ist sie dabei, ihre Kapazität zur Wahrnehmung ihrer Rolle als Koordinierungsstelle im System der Vereinten Nationen für die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit sowie zur Unterstützung der steigenden Zahl von Friedenskonsolidierungsmissionen der Vereinten Nationen in Partnerschaft mit anderen Akteuren der Vereinten Nationen zu stärken.
Empfehlung 11
Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten in ihrer Eigenschaft als Koordinierungsstelle für die Konfliktprävention mit ausreichenden Mitteln auszustatten, damit sie ihre Aufgaben auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der Friedenskonsolidierung innerhalb des Systems der Vereinten Nationen erfüllen kann.
D. Friedenssicherungseinsätze
81. Zwar kann argumentiert werden, dass alle Friedenssicherungseinsätze eine vorbeugende Funktion erfüllen, da ihr Ziel darin besteht, den Ausbruch oder das Wiederaufflammen von Konflikten zu verhüten, doch wird ihre vorbeugende Rolle immer dann besonders deutlich, wenn sie vor Beginn eines bewaffneten Binnen- oder internationalen Konflikts disloziert werden. Dies geschah im Laufe des vergangenen Jahrzehnts drei Mal: mit der Präventiveinsatztruppe der Vereinten Nationen (UNPREDEP) in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Mission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik (MINURCA) und einer Serie von Einsätzen in Haiti. Neben der Tatsache, dass die jeweiligen Gastländer nicht in einen gewaltsamen Binnen- oder internationalen Konflikt verwickelt waren, hatten alle diese Friedenssicherungseinsätze gemein, dass die Möglichkeit, ja sogar die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts bestand, dass die betroffenen Staaten den Einsätzen als einer Form der Prävention zugestimmt hatten und dass jeder Einsatz vom Sicherheitsrat genehmigt worden war.
82. Aus der Seltenheit vorbeugender Einsätze lässt sich schließen, dass die internationale Gemeinschaft bislang zögert, die für einen Friedenseinsatz notwendigen politischen und finanziellen Ressourcen aufzuwenden, wenn der Grund dafür nicht so klar ist wie bei einem offenen Konflikt. Ungeachtet dessen, dass sich der Erfolg eines vorbeugenden Einsatzes definitionsgemäß nur schwer präzise messen lässt, liegt es auf der Hand, dass es Situationen gibt, in denen ein vorbeugender Friedenssicherungseinsatz Menschenleben retten und die Stabilität fördern kann. Die Tatsache, dass während der oben genannten Einsätze kein Konflikt im Gastland ausbrach, legt eindringlich nahe, dass ein vorbeugender Einsatz der Vereinten Nationen als Symbol des Interesses der internationalen Gemeinschaft und als Mittel zur Förderung ihrer Ziele einen ganz entscheidenden Beitrag leisten kann.
83. Solche Erfahrungen zeigen, dass es notwendig sein kann, einen vorbeugenden Einsatz für einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, wenn die Sicherheit fortlaufend bedroht ist, und dass das durch einen solchen Einsatz Erreichte durch längerfristige friedenskonsolidierende Folgemaßnahmen der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden muss. Bei vorbeugenden Einsätzen bedarf es ebenso wie bei anderen Formen der Friedenssicherung eines mehrdimensionalen Ansatzes, um die tieferen Ursachen von Konflikten anzugehen. Die Reform und die Umstrukturierung der lokalen Strafverfolgungsbehörden, die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten, Aufklärungsprogramme über die Minengefahr und Minenräummaßnahmen sowie der Aufbau von Menschenrechts- und demokratischen Institutionen können allesamt wesentliche Bestandteile dieser Anstrengungen sein. Darüber hinaus ist es offenkundig, dass vorbeugende Einsätze wie alle Friedenssicherungseinsätze nur dann zu einem dauerhaften Frieden beitragen können, wenn die jeweiligen Parteien willens sind, die sich ihnen bietende Gelegenheit zu nutzen.
84. In Anbetracht des engen Zusammenhangs zwischen der Friedenssicherung und der Friedenskonsolidierung begrüße ich die jüngste Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats, in der erneut darauf verwiesen wird, dass es von Nutzen sein kann, in das Mandat von Friedenssicherungseinsätzen gegebenenfalls auch Elemente der Friedenskonsolidierung aufzunehmen. In Anbetracht der bürgerkriegsähnlichen Konflikte, die für die Welt nach dem Kalten Krieg charakteristisch sind, muss hierbei besonderes Gewicht auf die Zivilpolizei gelegt werden, die eine immer wichtigere vorbeugende Rolle bei der Friedenssicherung der Vereinten Nationen übernommen hat. Sie hat mit dafür gesorgt, dass die für Recht und Ordnung zuständigen Kräfte vor Ort wieder über Rückhalt in der Öffentlichkeit verfügen, sei es durch die Ausbildung der örtlichen Polizei und die Überwachung der Wahrnehmung ihrer Dienstpflichten oder durch die Gewährung von Hilfe bei der Neugliederung und Reform der Polizeiinstitutionen.
85. In diesem Zusammenhang hat die internationale Gemeinschaft bereits einige Schritte zur Stärkung der Grundlagen für die Beteiligung von Zivilpolizei an Friedenssicherungseinsätzen unternommen. Im Jahr 2000 stellte die Generalversammlung zusätzliche Mittel für Unterstützungsstrukturen am Amtssitz bereit, während das Sekretariat sich darum bemüht hat, den normativen Rahmen für diese Anstrengungen durch die Ausarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Zivilpolizeieinsätze der Vereinten Nationen zu stärken. Dennoch bedarf es weiterer Anstrengungen auf mehreren Gebieten, die in meinem aktuellen Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen des Sonderausschusses für Friedenssicherungseinsätze und der Sachverständigengruppe für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen (A/55/977) einer detaillierten Analyse unterzogen werden.
Empfehlung 12
Ich ermutige die Mitgliedstaaten und den Sicherheitsrat, gegebenenfalls vorbeugende Einsätze aktiver zu nutzen, bevor ein Konflikt ausbricht.
Empfehlung 13
Ich lege dem Sicherheitsrat eindringlich nahe, die Aufnahme von Elementen der Friedenskonsolidierung in Friedenssicherungseinsätze zu unterstützen, soweit relevant, und in dieser Hinsicht die Kapazitäten des Sekretariats unter anderem mittels der Maßnahmen zu steigern, die in meinem Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen des Sonderausschusses für Friedenssicherungseinsätze und der Sachverständigengruppe für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen (A/55/977) genannt sind.
E. Abrüstung
86. Die Entwicklung der Normen auf dem Gebiet der Abrüstung ist ein fortlaufender Prozess, und noch immer gibt es Bereiche, wie beispielsweise die Flugkörperentwicklung und Kleinwaffen, in denen ein internationaler normativer Rahmen fehlt. Die Abrüstungsverträge und ‑übereinkünfte tragen durch die Förderung der Herrschaft des Völkerrechts zur Verhütung bewaffneter Konflikte bei. Es ist unabdingbar, dass mehr Staaten diesen multilateralen Verträgen beitreten und dass ihre Anwendung verifiziert wird, damit die Nationen darauf vertrauen können, dass ihre Sicherheit gewährleistet ist.
87. Der Austausch von Informationen und andere Formen der Transparenz auf dem Gebiet der Rüstung und in militärischen Fragen im Allgemeinen können dabei helfen, das Risiko eines Missverständnisses oder einer Fehleinschätzung so gering wie möglich zu halten, und können auf diese Weise zu größerem Vertrauen und stabileren Beziehungen zwischen den Staaten beitragen. Sie können außerdem als Frühwarnmechanismen dienen und den Erwerb von Waffen einschränken oder bremsen, indem sie dazu beitragen, Fälle von exzessiver oder destabilisierender Ansammlung von Waffen aufzuzeigen. Die Hauptabteilung Abrüstungsfragen verwaltet und aktualisiert zwei globale transparenzfördernde Instrumente: das Register der Vereinten Nationen für konventionelle Waffen und das standardisierte Berichtssystem der Vereinten Nationen über Militärausgaben.
88. Ich habe in meinem Millenniums-Bericht (A/54/2000) erklärt, dass die Verbreitung von Kleinwaffen nicht nur eine Frage der Sicherheit ist, sondern auch den Bereich der Menschenrechte und der Entwicklung berührt. Sie verlängert und verschärft bewaffnete Konflikte, bringt Friedenssicherungspersonal und humanitäre Helfer in Gefahr, untergräbt die Achtung vor dem humanitären Völkerrecht, bedroht rechtmäßige, doch schwache Regierungen und spielt Terroristen und organisierten Kriminellen gleichermaßen in die Hand. Maßnahmen zur Verhütung des Missbrauchs und des unerlaubten Transfers von Kleinwaffen sowie zur Beseitigung der tieferen Ursachen für die Nachfrage nach Kleinwaffen würden in hohem Maße zur Konfliktprävention beitragen.
89. Konkrete Abrüstungsmaßnahmen haben breite Anerkennung gefunden, insbesondere die Projekte "Waffenabgabe gegen Entwicklungsförderung", die darauf gerichtet sind, illegale Waffen wiederaufzufinden und einzusammeln und als Gegenleistung dafür gemeinwesengestützte Entwicklungsanreize zu schaffen. Zusätzlich zur Einziehung illegaler Waffen aus der Zivilbevölkerung und der im Besitz ehemaliger Kombattanten befindlichen Waffen können die Vernichtung und die Beseitigung solcher Bestände zur Verhütung von Konflikten oder ihres Wiederaufflammens beitragen, indem sie die Anzahl der im Umlauf befindlichen Waffen, die häufig von einem Konflikt zum anderen weitergegeben werden, reduzieren und den leichten Zugang zu ihnen erschweren.
90. Im Bereich der konkreten Abrüstungsmaßnahmen arbeitet die Hauptabteilung Abrüstungsfragen mit der Gruppe interessierter Staaten zusammen, die im März 1998 auf Grund einer Resolution der Generalversammlung eingerichtet wurde, um konkrete Abrüstungsmaßnahmen zu fördern und insbesondere die Friedenskonsolidierungsbemühungen in Postkonfliktsituationen zu unterstützen, während das UNDP seit 1998 im Rahmen seines Treuhandfonds für Kleinwaffen Projekte zur Einsammlung, Verwaltung und Vernichtung von Waffen ausarbeitet und unterstützt. Als Grundlage für diese Tätigkeiten führt die Hauptabteilung Ermittlungsmissionen durch, in der Regel mit Unterstützung der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten, des UNDP und anderer Organe, bevor die Ausarbeitung der Projektvorschläge abgeschlossen wird. Außerdem führt das UNDP im Entwicklungskontext auf Feldebene kontinuierlich Analysen der Kleinwaffensituation durch, die dabei helfen, lokale und geberorientierte Strategien sowie Interventionsmaßnahmen auf Projektebene auszuarbeiten.
91. Die Hauptabteilung Abrüstungsfragen und das UNDP unterstützen die Mitgliedstaaten auf deren Ersuchen bei der Bewältigung der durch die Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen aufgeworfenen Probleme, insbesondere im Rahmen der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit. Im Juni 1998 richtete ich den Koordinierungsmechanismus für Kleinwaffen ein, mit dem Ziel, alle Kleinwaffen betreffenden Maßnahmen innerhalb des Systems der Vereinten Nationen aufeinander abzustimmen, und ernannte die Hauptabteilung zur Koordinierungsstelle des Mechanismus. Der Koordinierungsmechanismus für Kleinwaffen umschließt alle Hauptabteilungen und Organisationen, die an einem oder mehreren Aspekten der von der Verbreitung und dem Missbrauch von Kleinwaffen ausgehenden vielschichtigen Gefahr interessiert sind. Darüber hinaus leistet die Hauptabteilung fachliche Unterstützung für die erste Konferenz der Vereinten Nationen über den unerlaubten Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten, die im Juli 2001 am Amtssitz der Vereinten Nationen abgehalten wird und die Ausarbeitung eines Aktionsprogramms zur Eindämmung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen zum Ziel hat.
92. Gemeinsam mit dem UNDP spielte die Hauptabteilung Abrüstungsfragen eine führende Rolle bei der Konzipierung eines Projekts "Waffenabgabe gegen Entwicklungsförderung", das in Zusammenarbeit mit dem UNDP im Bezirk Gramsch (Albanien) durchgeführt wurde, nachdem die albanische Regierung um Hilfe bei der Einziehung von Kleinwaffen und leichten Waffen ersucht hatte, die während Unruhen im Jahr 1997 von der Zivilbevölkerung illegal erworben wurden. Seither wurden in anderen Bezirken Albaniens ähnliche Projekte in die Wege geleitet. Das Konzept "Waffenabgabe gegen Entwicklungsförderung" hat auch in anderen Regionen Aufmerksamkeit und Interesse hervorgerufen. Die Entwaffnung konfliktanfälliger Gesellschaften ist daher ein wichtiger Bestandteil der Konfliktprävention.
93. Ebenso wichtig wie die Entwaffnung konfliktanfälliger Gesellschaften ist auch die Entwaffnung von Gesellschaften in der Konfliktfolgezeit, damit ein Rückfall in einen Konflikt verhütet wird. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft ausreichende Ressourcen zur Unterstützung von Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen bereitstellt. Die Weltbank spielt eine bedeutende Rolle auf diesem Gebiet: sie gewährt technische Hilfe bei der Ausarbeitung umfassender Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsprogramme, ist bei der Wiedereingliederung von Exkombattanten in die Zivilgesellschaft behilflich und erteilt Rat in Fragen im Zusammenhang mit der Regierungs- und Verwaltungsführung und den Staatsausgaben. Die humanitären Partnerorganisationen spielen bei den Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsprojekten ebenfalls eine zentrale Rolle. So ist zum Beispiel das Welternährungsprogramm seit Beginn der neunziger Jahre einer der Hauptpartner bei den von den Vereinten Nationen unterstützten Demobilisierungsprogrammen (in Namibia, Angola, Mosambik, Liberia, Sierra Leone und Eritrea). In Anbetracht der Bedeutung der humanitären Hilfe und der Wiederaufbauhilfe während und nach der Durchführung von Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsprogrammen geht aus den bisherigen Erfahrungen hervor, dass die humanitären Partnerorganisationen frühzeitig an der Planung dieser Programme beteiligt werden müssen. Die Erfahrungen in Liberia und Sierra Leone sind ein ernüchterndes Beispiel dafür, wie zu einem Wiederaufflammen der Gewalt beigetragen werden kann, wenn keine angemessenen Ressourcen für Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen bereitgestellt werden.
Empfehlung 14
Ich ermutige die Mitgliedstaaten zu größerer Transparenz in Militärfragen, namentlich durch eine breitere Beteiligung an den Instrumenten der Vereinten Nationen betreffend die Rüstungstransparenz und die Militärausgaben. Außerdem fordere ich die Generalversammlung und die anderen Abrüstungsorgane der Vereinten Nationen auf, die bestehenden Frühwarn- und Transparenzmechanismen im Zusammenhang mit der Abrüstung zu stärken, insbesondere im Hinblick auf Kleinwaffen und leichte Waffen.
Empfehlung 15
Um ein Wiederaufflammen von Konflikten zu verhüten, lege ich dem Sicherheitsrat nahe, gegebenenfalls eine Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungskomponente in die Mandate der Friedenssicherungs- und Friedenskonsolidierungseinsätze der Vereinten Nationen aufzunehmen.
F. Maßnahmen auf dem Gebiet der Menschenrechte
94. Um bewaffnete Konflikte auf Dauer zu verhüten, müssen auch gezielt die Achtung der Menschenrechte gefördert und die grundlegenden Probleme im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen gelöst werden, wo immer sie auftreten. Die Anstrengungen zur Verhütung bewaffneter Konflikte sollen ein breites Spektrum von Menschenrechten fördern, darunter nicht nur die bürgerlichen und politischen Rechte, sondern auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte einschließlich des Rechts auf Entwicklung.
95. In ihrer Resolution 48/141 ersuchte die Generalversammlung das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), aktiv tätig zu werden, um die Fortdauer von Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt zu verhindern. In ihrem Bericht an die Menschenrechtskommission auf ihrer sechsundfünfzigsten Tagung (E/CN.4/2000/12) unterstrich die Hohe Kommissarin, wie wichtig es ist, die Präventionsstrategien in vielen verschiedenen Bereichen der Menschenrechte zu verstärken.
96. In dem Bemühen, die Kapazitäten auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes auszubauen und auf diese Weise zur Konfliktprävention beizutragen, führt das OHCHR derzeit in Zusammenarbeit mit Staaten, Organisationen der Vereinten Nationen und regionalen Partnern mehr als 50 technische Kooperationsprojekte durch, um den Regierungen, einzelstaatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Organisationen bei der Erweiterung ihrer Kapazitäten auf dem Gebiet der Menschenrechte behilflich zu sein. Diese Tätigkeiten sowie die Bildungsprogramme stärken die Herrschaft des Rechts und die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Menschenrechte. Die von den Menschenrechts-Sondermechanismen und -Vertragsorganen sowie von den Feldmitarbeitern des OHCHR eingehenden Informationen sollten besser in die Ausarbeitung von Präventionsstrategien integriert werden. Den Feldbüros des OHCHR kommt außerdem bei den präventiven Prozessen eine Rolle zu.
97. Dem Internationalen Strafgerichtshof wird eine wesentliche Rolle zukommen, wenn es darum geht, die schwerwiegendsten Verletzungen der Menschenrechte mittels der Durchsetzung des Grundsatzes der internationalen strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu verhindern. Bis zur Einrichtung des Strafgerichtshofs können Gerichtsorgane wie beispielsweise die internationalen Strafgerichtshöfe für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien sowie die auf Grund der Menschenrechtsverträge geschaffenen Gerichtsbarkeiten ebenfalls zur Konfliktprävention beitragen, indem sie den Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit für solche Verbrechen durchsetzen und von künftigen Verletzungen abschrecken. In diesem Zusammenhang sind die Ratifikation und die Anwendung der Menschenrechtsverträge durch die Mitgliedstaaten sowie die Ratifikation des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs beziehungsweise der Beitritt dazu von besonderer Wichtigkeit.
98. Vom 31. August bis 7. September 2001 wird die Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz viele der Fragen im Zusammenhang mit Rassen- und ethnischen Konflikten erörtern, und ich hoffe, dass sie konkrete Empfehlungen abgeben wird, namentlich im Hinblick auf Frühwarnsysteme, vertrauensbildende Maßnahmen sowie strukturelle und institutionelle Unterstützungsmechanismen mit dem Ziel, zu verhindern, dass ethnische Spannungen in bewaffnete Konflikte ausarten.
Empfehlung 16
Ich fordere den Sicherheitsrat und die Generalversammlung auf, im Rahmen ihrer Anstrengungen zur Verhütung bewaffneter Konflikte die von den Menschenrechtsmechanismen und ‑organen eingehenden Informationen und Analysen in vollem Umfang zu nutzen.
Empfehlung 17
Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, soweit nicht bereits geschehen, die Menschenrechtsverträge und das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren beziehungsweise ihnen beizutreten.
G. Entwicklungshilfe
99. Entwicklungshilfe allein kann Konflikte weder verhüten noch beenden. Sie kann jedoch Perspektiven eröffnen und die Schaffung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Freiräume erleichtern, innerhalb deren die lokalen Akteure die Ressourcen bestimmen, erschließen und nutzen können, die für den Aufbau einer friedlichen, fairen und gerechten Gesellschaft erforderlich sind. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Entwicklung nur dann nachhaltig sein kann, wenn die Entwicklungsstrategien ihre eigenen Auswirkungen auf die Spannungen berücksichtigen, die zu Gewalt führen können, sowie Maßnahmen fördern, die solchen Spannungen entgegenwirken. Kriege und Konflikte bringen Verluste an Menschenleben und Zerstörung mit sich, werfen die betroffenen Länder in ihrer Entwicklung zurück und drängen sie an den Rand der Weltwirtschaft.
100. Die vom System der Vereinten Nationen gewährte Entwicklungshilfe muss hauptsächlich darauf gerichtet sein, die wichtigsten strukturellen Risikofaktoren abzubauen, die gewaltsame Konflikte fördern: beispielsweise die Ungerechtigkeit, indem die Disparitäten zwischen Identitätsgruppen beseitigt werden; die Ungleichheit, indem gegen die Politiken und Praktiken vorgegangen wird, die die Diskriminierung institutionalisieren; die Mängel im Justizwesen, indem die Herrschaft des Rechts, ein wirksamer und fairer Rechtsvollzug und eine ebensolche Rechtspflege sowie gegebenenfalls die ausgewogene Vertretung in den Institutionen, die der Herrschaft des Rechts dienen, gefördert werden; und die Unsicherheit, indem eine rechenschaftspflichtige und transparente Staatsführung gefördert und die menschliche Sicherheit verstärkt wird. In diesem Lichte ist es nützlich, dass die residierenden Koordinatoren der Vereinten Nationen gegebenenfalls und in Zusammenarbeit mit den Regierungen die Möglichkeit prüfen, einen Gruppenmechanismus zum Thema Konfliktprävention auf Landesebene einzurichten, der sicherstellen soll, dass gemeinsame kohärente Entwicklungsstrategien zur Bekämpfung der wichtigsten Risikofaktoren ausgearbeitet werden.
101. Darüber hinaus sollte die Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen darauf gerichtet sein, die Gesellschaft besser in die Lage zu versetzen, Spannungen zu bewältigen, unter Kontrolle zu halten und beizulegen, bevor ein gewaltsamer Konflikt ausbricht. Dazu gehört die Gewährung von Hilfe zur Stärkung der staatlichen Lenkungsstrukturen in den Bereichen, die sich in der Entwicklung befinden, was dabei helfen wird, instabile Situationen zu bewältigen, das Justizwesen anzugehen, traditionelle Konfliktbeilegungsmechanismen anzuwenden, den politischen Willen und die Führungsfähigkeit zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zu entwickeln, Fähigkeiten und Methoden auf dem Gebiet der Konfliktbeilegung zu entwickeln, Konsens zu schaffen und einen öffentlichen Politikdialog zu führen sowie partizipative und integrative Entscheidungsprozesse bei zentralen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fragen zu fördern. Alle Entwicklungspolitiken, -programme und -projekte müssen aus dem Blickwinkel der Konfliktprävention betrachtet werden, damit die sozioökonomischen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten nicht in gewalttätige Konflikte münden. Dieser Konfliktpräventionsansatz muss zu einem Bestandteil des Prozesses der gemeinsamen Landesbewertung und des Entwicklungshilfe-Programmrahmens werden.
102. Auf Ersuchen der Regierungen machen die Tätigkeiten, die das UNDP in konfliktanfälligen Ländern auf dem Gebiet der Regierungs- und Verwaltungsführung und der Rechtsstaatlichkeit durchführt, mittlerweile mehr als die Hälfte der Programme und Tätigkeiten des UNDP aus; der Jahreshaushalt für diese Tätigkeiten übersteigt 1,2 Milliarden US-Dollar. Darüber hinaus unterstützen mehrere UNDP-Programme die regionale Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Fragen (z. B. im Einzugsgebiet des Tumen-Flusses in Ostasien), die eindeutig eine konfliktverhütende Wirkung haben. In Postkonfliktsituationen verfolgen die UNDP-Programme in den Bereichen Gebietsentwicklung (z. B. in Kambodscha und Guatemala), Kleinwaffen (z. B. in Mali, El Salvador und Albanien) sowie Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung (z. B. in Mosambik und Guatemala) das Ziel, ein erneutes Aufflammen bewaffneter Konflikte zu verhindern.
103. Eine neue Generation von Entwicklungsprojekten konzentriert sich speziell auf die Konfliktprävention. So haben beispielsweise mehrere vom UNDP geleitete Projekte in Rumänien, Bulgarien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Jugoslawien und der Ukraine das Ziel, innerhalb der Regierung und der Zivilgesellschaft die Kapazitäten auf dem Gebiet der Frühwarnung, der Konfliktanalyse und der Beilegung von Konflikten auf nationaler und regionaler Ebene zu schaffen und zu stärken. Ein weiteres Pilotprojekt, das UNDP-Projekt "Vorbeugende Entwicklungsmaßnahmen im Süden Kirgisistans", ist darauf gerichtet, die Regierung besser in die Lage zu versetzen, Präventivmaßnahmen als Teil des Prozesses der Nationalstaatsbildung zu ergreifen, und zeigt, wie wichtig ein regionaler Ansatz für das Gelingen vorbeugender Entwicklungsmaßnahmen ist. Die Horn-von-Afrika-Arbeitsgruppe der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) empfiehlt nachdrücklich, unter der Schirmherrschaft der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung und der OAU und im Rahmen ihres regionalen Ernährungssicherungsprogramms Kapazitäten auf dem Gebiet der Frühwarnung, der Konfliktprävention und der Konfliktbeilegung in der betreffenden Region aufzubauen. Das UNDP-Projekt "Aufbau der Kapazitäten des OAU-Mechanismus für die Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten" ist ein weiteres Beispiel für die Behandlung dieses Themas aus regionaler Sicht.
104. Außerdem erstellen das UNDP und die Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten derzeit in Zusammenarbeit mit mehr als zehn afrikanischen Institutionen und Fachleuten auf dem Gebiet der Konfliktbeilegung Ausbildungsmaterial in vier Bereichen: Konfliktanalyse und Aufbau frühzeitiger Eingreifkapazitäten, Entwicklung der Fähigkeit zur Konflikttransformation, konfliktsensitive Entwicklungsansätze und Aufbau einzelstaatlicher Kapazitäten auf dem Gebiet des Konfliktmanagements.
105. In den vergangenen Jahren hat sich die Zusammenarbeit zwischen dem System der Vereinten Nationen und den Bretton-Woods-Institutionen verstärkt, die offen anerkannt haben, dass Konflikte die Verwirklichung ihrer Entwicklungsziele ernsthaft beeinträchtigen und dass das Verständnis von Konflikten und Präventivmaßnahmen als Teil ihres Auftrags angesehen werden sollten. In der Weltbank hat sich dieser neue Ansatz konkret in der Einrichtung einer Gruppe für Postkonfliktsituationen und in der im Januar dieses Jahres beschlossenen neuen Operativen Grundsatzrichtlinie über Entwicklungszusammenarbeit und Konflikte niedergeschlagen. Die Wirtschaftsforschung der Weltbank zum Thema Bürgerkrieg ist ein weiterer Bereich, aus dem wichtige operative Empfehlungen hervorgingen, die, falls sie umgesetzt werden, Konfliktrisiken senken können.
106. Mit der Verstärkung der Aktivitäten jeder einzelnen Organisation auf dem Gebiet der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit, die einen weiteren Aspekt der Konfliktprävention darstellt, haben sich auch die Beziehungen zwischen ihnen vertieft. Beispiele für diese Zusammenarbeit finden sich unter anderem in Osttimor und Haiti. Bislang waren jedoch die diesbezüglichen Kontakte zwischen den jeweiligen Amtssitzen begrenzt und sind gerade erst im Aufbau begriffen. Mit Hilfe dieser Kontakte, insbesondere auf operativer Ebene, können beide Organisationen ein besseres Verständnis der Situationen gewinnen, deren Entwicklung sie beide verfolgen. Jede Organisation sollte sich im Rahmen ihres jeweiligen Mandats und nach Bedarf an den Konfliktpräventionsmechanismen der anderen Organisationen beteiligen. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Weltbank das Angebot der Vereinten Nationen angenommen hat, im Exekutivausschuss für Frieden und Sicherheit mitzuwirken.
107. Die Kontakte zwischen den Vereinten Nationen und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), die sich in einem weniger fortgeschrittenen Stadium befinden, müssen weiter ausgebaut werden. So könnten die Vereinten Nationen und der IWF zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Kreditvergabepolitiken weder soziale Spannungen verschärfen noch zum Ausbruch gewaltsamer Konflikte beitragen. Mehrere Bereiche, in denen der IWF eine zentrale Rolle spielt – insbesondere der Bereich der Staatsausgaben –, können im Kontext der allgemeinen Anstrengungen zur Konfliktprävention eine positive oder negative Wirkung auf die politische Situation ausüben. Um die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und den Bretton-Woods-Institutionen auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der Friedenskonsolidierung zu verbessern, sollte die Schaffung eines Konsultationsmechanismus auf Amtssitzebene in Erwägung gezogen werden.
Empfehlung 18
Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, von den Beratenden Diensten und der technischen Hilfe Gebrauch zu machen, die das UNDP und die anderen Handlungsträger der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Entwicklung anbieten und die darauf gerichtet sind, die einzelstaatlichen Kapazitäten zur Beseitigung der strukturellen Risikofaktoren zu verstärken.
Empfehlung 19
Ich rufe die Geberländer auf, zusätzliche Mittel bereitzustellen, um die Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen besser in die Lage zu versetzen, wirksam auf Hilfeersuchen der Mitgliedstaaten zu reagieren, die strukturellen Kapazitäten auf dem Gebiet der Konfliktprävention zu stärken und die Süd-Süd-Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu erleichtern.
H. Humanitäre Tätigkeiten
1. Allgemeine Erwägungen
108. Humanitäre Tätigkeiten spielen zweifelsohne eine maßgebliche Rolle bei der Linderung der Not der von Krisen betroffenen Zivilbevölkerung, doch können die humanitären Akteure auch zur Konfliktprävention beitragen, indem sie Projekte durchführen, die darauf abzielen, ein Wiederaufflammen von Konflikten zu vermeiden. In den Ländern und Regionen, in denen die Gefahr von Verfolgung, Gewalt und Vertreibung besteht, haben die humanitären Organisationen die Aufgabe, eine wirksame Datenerfassungs- und -analysekapazität zu entwickeln, um zu ermitteln, welche Länder von humanitären Krisen bedroht sind.
109. Die Verhütung einer Binnenvertreibung von Zivilpersonen spielt eine wichtige und zuweilen entscheidende Rolle im Rahmen der Konfliktprävention. Arbeitslose und entfremdete binnenvertriebene Männer und Jugendliche, insbesondere diejenigen, die in Lagern für Binnenvertriebene leben, sind in hohem Maße der Gefahr der (häufig zwangsweisen) Rekrutierung durch kriegführende Parteien ausgesetzt. Wenn wir gewährleisten können, dass Zivilpersonen in ihrer Heimat bleiben und weiter ihrem Lebensunterhalt und ihrer Bildung nachgehen können, verringert sich die Gefahr, dass sie zu Schachfiguren in militärischen Aktionen werden und so zu weiteren Konflikten beitragen. Die Initiativen zu Gunsten des Schutzes von Zivilpersonen sollten sich nicht nur an die kriegführenden Parteien richten, sondern auch an die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, um sie dazu zu bewegen, angemessene Präventivmaßnahmen zu ergreifen.
110. Bei anhaltenden humanitären Krisen ist die von den humanitären Organisationen durchgeführte Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit neben den konsolidierten Beitragsappellen das hauptsächliche Beispiel für humanitäre Tätigkeiten zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für einen bestimmten Konflikt und seine Folgen. Humanitäre Tätigkeiten schaffen oft das einzige Forum, in dem gegnerische Gruppen zusammenkommen und einen Dialog führen können, was bereits an sich einen nützlichen Schritt auf dem Weg zur künftigen Aussöhnung darstellt. Humanitäre Organisationen haben die Schaffung humanitärer Räume, Routen oder Zonen ausgehandelt, die zu begrenzten Feuereinstellungen geführt und der humanitären Hilfe Zugang zu Not leidenden Bevölkerungsgruppen verschafft haben.
111. Es ist besonders wichtig, dass die Mitgliedstaaten zum Schutz des Personals der Vereinten Nationen beitragen, das in einem unsicheren Umfeld tätig ist. In diesem Zusammenhang sollten alle Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, vordringlich die Ratifikation des Übereinkommens von 1994 über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal erwägen. Außerdem ist zu erwähnen, dass die humanitären Akteure häufig während des gesamten Ablaufs der Ereignisse, die zu einer Krise führen, im Feld vertreten sind. Diese Präsenz verschafft ihnen den einzigartigen Vorteil, aus erster Hand Informationen und Analysen zu erhalten, die dem Sicherheitsrat zur Kenntnis gebracht werden sollten, damit er die Gelegenheit zu einem raschen vorbeugenden Eingreifen nutzen kann.
Empfehlung 20
Ich fordere den Sicherheitsrat auf, das Amt des Nothilfekoordinators der Vereinten Nationen zu bitten, die Mitglieder des Sicherheitsrats regelmäßig über Situationen zu unterrichten, in denen die erhebliche Gefahr einer humanitären Notlage besteht. Außerdem lege ich dem Rat eindringlich nahe, die Organisationen der Vereinten Nationen aufzufordern, in Situationen, in denen die Gefahr einer humanitären Krise besteht, vorbeugende Schutz- und Hilfsmaßnahmen durchzuführen, und sie dabei zu unterstützen. Ich ersuche die humanitären Organisationen der Vereinten Nationen, derartige vorbeugende Maßnahmen zunehmend zu einem Teil ihrer Arbeit zu machen, bevor es zu einer Krise kommt. In dieser Hinsicht fordere ich die Mitgliedstaaten auf, mehr Ressourcen für die entsprechenden Tätigkeiten dieser Organisationen bereitzustellen.
2. Besondere
Gesichtspunkte
112. Die Rolle der Organisationen und Programme der Vereinten Nationen bei der Konfliktprävention fällt, wie im Weiteren beschrieben, unter ihre Tätigkeit in den vier Bereichen Ernährungssicherung, Flüchtlinge, Gesundheit und Kinder.
a) Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelhilfe
in Notstandssituationen
113. Hunger und Konflikte sind eng miteinander verbunden, da in Kriegen, gleichviel ob innerhalb eines Staates oder zwischen Staaten, die Kontrolle über die Nahrungsmittelquellen und -versorgung beziehungsweise deren Unterbrechung häufig als Mittel der Kriegsführung und/ oder zum Zweck des Aushungerns der gegnerischen Gruppen angehörenden Zivilbevölkerung eingesetzt wird, wie beispielsweise in Angola, Sudan, Mosambik und Sierra Leone. Nahrungsmittelproduktion und -versorgung gehören in Konfliktsituationen zu den ersten Opfern. Darüber hinaus werden die Menschen durch Vertreibung daran gehindert, Nahrungsmittel auf gewohnte Weise zu erzeugen beziehungsweise zu erwerben.
114. Konflikte führen unmittelbar zu einer zunehmend unsicheren Ernährungslage, wodurch die Überwindung der tieferen Ursachen der Konflikte zusätzlich erschwert wird. Die jüngsten Konflikte und Besetzungen landwirtschaftlicher Betriebe in Ländern des südlichen Afrika sowie die Kämpfe zwischen Weidetierhaltern und sesshaften Bauern im östlichen Afrika machen deutlich, dass der Zugang der Armen zu den auf Grund und Boden beruhenden Ressourcen eine wichtige Grundlage für den Frieden und eine nachhaltige Entwicklung darstellt. In ähnlicher Weise gehört die Landkonzentration in Verbindung mit der Armut in Lateinamerika zu den Hauptproblemen, die den anhaltenden Konflikten in dieser Region zugrunde liegen. Wo Menschen den Nahrungsmittelbedarf ihrer Familie nur durch die völlige Erschöpfung der natürlichen Ressourcen oder die Verwendung degradierter Ressourcen decken können, sondiert das Welternährungsprogramm (WEP) Wege zur Gewährung einer Nahrungsmittelhilfe, die die Maßnahmen zur Erschließung der natürlichen Ressourcen sowie andere Maßnahmen der Boden- und Ressourcenbewirtschaftung unterstützt. Dies kann Konflikte vermeiden helfen, die auf Spannungen auf Grund von begrenzten natürlichen Ressourcen beruhen oder damit verbunden sind.
115. Die grenzüberschreitende Wasserversorgung kann sowohl Konfliktursache als auch Gelegenheit zur Zusammenarbeit sein. Es gibt Anzeichen, dass guten hydrologischen Informationen unter anderem eine Rolle bei der Verhütung von Konflikten im Zusammenhang mit Wasserressourcen zukommt. Die FAO unterstützt gegenwärtig eine Vielzahl von internationalen Flussbecken- und Regionalorganisationen wie beispielsweise die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) bei der Konzeption und Durchführung gemeinsamer Strategien für die Bewirtschaftung von Wasserressourcen. Dazu gehören die Nilbeckeninitiative, die Kommission für das Tschadsee-Becken und die Nigerbecken-Behörde. Die FAO unterstützt außerdem den Aufbau von Einrichtungen zur Bewirtschaftung gemeinschaftlich genutzter natürlicher Ressourcen, wobei der Abgleich konkurrierender Interessen zwischen vor- und nachgelagerter Wassernutzung in Wassereinzugsgebieten beziehungsweise zwischen mittelständischer und industrieller Fischerei in Fischfanggebieten im Mittelpunkt steht.
116. Zwar werden Präventionsgesichtspunkte in den Programmen des WEP nicht immer konkret als Ziele herausgestellt, doch sind sie von der Arbeit des WEP auf den Gebieten der Nothilfe und der Entwicklung nicht zu trennen. Die Nothilfeprogramme des WEP tragen dazu bei, den Dialog zwischen (potenziell) miteinander in Konflikt stehenden Gruppen oder Parteien (wieder-)herzustellen und ein Klima des Vertrauens zwischen den Parteien und gegenüber den internationalen humanitären Hilfsorganisationen zu schaffen beziehungsweise zu erneuern. Die Öffnung von Straßen und der Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur, mitunter in Verbindung mit humanitären Antiminenaktionen, können sich ebenfalls auf lange Sicht positiv auswirken, indem sie den ungehinderten Personen- und Güterverkehr, die Wiederöffnung der Märkte und die Kontakte zwischen voneinander getrennten Gemeinschaften über Konfliktlinien hinweg erleichtern.
117. Das WEP kann einen wichtigen Beitrag zur sozialen und politischen Stabilität leisten, indem es sicherstellt, dass seine Ressourcen gezielt den gefährdeten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen und Gebieten zugute kommen und dass ihr Grundbedarf an Nahrungsmitteln gedeckt wird. Nahrungsmittelhilfe kann auch als Katalysator für Wiederaufbau und Entwicklung dienen.
118. Das WEP und die FAO sind außerdem wichtige Akteure, wenn es darum geht, Daten und Informationen über Ernährungsunsicherheit und davon ausgehende potenzielle Bedrohungen gefährdeter Menschen und Bevölkerungsgruppen zu sammeln, auszuwerten und zu verbreiten. Der FAO-Bericht "Stand der Ernährungsunsicherheit" enthält die absoluten Zahlen und den Anteil der von einer unsicheren Ernährungslage betroffenen Menschen weltweit und in den einzelnen Staaten. Die Interinstitutionelle Arbeitsgruppe für Informationen und Kartierungssysteme über Ernährungsunsicherheit und entsprechende Gefährdung ist bestrebt, die Qualität der Informationen über das Auftreten, die Art und die Ursachen chronischer Ernährungsunsicherheit und entsprechender Gefährdung zu verbessern. Das Weltweite Informations- und Frühwarnsystem bewertet die aktuelle und die prognostizierte Nahrungsmittelversorgungslage (FAO) und den Bedarf an Nahrungsmittelhilfe (WEP) auf der Landesebene und erstattet darüber Bericht. Die Auswertung dieser Indikatoren ermöglicht dem WEP und der FAO die Entwicklung von Strategien, mittels deren sie gezielt den gefährdetsten Bevölkerungsgruppen helfen können. Seit 1999 haben das WEP und die FAO zunehmend an einem Prozess des Informationsaustauschs mit anderen Partnern mitgewirkt, insbesondere durch den Dienststellenübergreifenden Koordinierungsrahmen der Vereinten Nationen. In allen Ländern, in denen das WEP tätig ist, besteht gewöhnlich ein Frühwarnmechanismus, häufig in Zusammenarbeit mit den Regierungen, den Organisationen der Vereinten Nationen und anderen Partnern.
b) Flüchtlinge
119. Das Interesse und die Mitwirkung des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) an der Konfliktprävention wurde in Resolutionen der Generalversammlung anerkannt, in denen die Entschlossenheit des jeweiligen Hohen Kommissars begrüßt wurde, Maßnahmen zu sondieren und durchzuführen, die das Entstehen von Bedingungen verhindern sollen, die Flüchtlingsströme verursachen. Die Generalversammlung forderte den Hohen Kommissar außerdem auf, aktiv neue Möglichkeiten für Präventionsstrategien zu erkunden, die mit den Schutzgrundsätzen im Einklang stehen.
120. Erfahrungen haben gezeigt, dass die Vereinten Nationen in einigen Situationen durch die Anwesenheit des UNHCR in Zonen bewaffneter Konflikte in die Lage versetzt wurden, sich für Menschen einzusetzen, deren Leben und Freiheit auf dem Spiel standen, die schlimmsten Exzesse der kriegführenden Parteien zu unterbinden und andere Mitglieder der internationalen Gemeinschaft zu ermutigen, geeignete politische Maßnahmen zu ergreifen. Eine proaktive Strategie im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, der Beziehungen zu den Medien und der Lobbyarbeit verbunden mit diskreteren diplomatischen Bemühungen können dazu beitragen, dass das UNHCR in solchen Situationen größtmögliche Präventivwirkung erzielen kann. In den Asylländern kommt der Trennung bewaffneter Elemente von gutgläubigen Flüchtlingen sowie der wirksamen Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in den von Flüchtlingen besiedelten Gebieten ebenfalls eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, das Entstehen und die Eskalation von Konflikten zu verhindern.
121. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass der komparative Vorteil des UNHCR in Bezug auf die Verhinderung von Situationen, die zu Flüchtlingsströmen führen, dort zum Tragen kommt, wo bewaffnete Konflikte vorüber sind oder ihre Intensität nachgelassen hat. Da die Rückkehr einer großen Anzahl von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in der Konfliktfolgezeit oft destabilisierend wirken kann, insbesondere wenn diese Rückkehr rasch und unter Zwang erfolgt, können die Anstrengungen des UNHCR, eine dauerhafte Rückführungslösung durch die Verknüpfung humanitärer Hilfe mit einer langfristigen Entwicklung zu stabilisieren, in hohem Maße zur Verhinderung bewaffneter Konflikte beitragen. Eine dauerhafte politische Lösung ist dann am wahrscheinlichsten, wenn die Rückkehrer und andere Menschen zu produktiven Mitgliedern ihrer eigenen Gesellschaft werden können.
c) Gesundheit
122. Die universelle Bedeutung der Frage der Gesundheitsversorgung gibt ihr auf dem Gebiet der Präventivmaßnamen besonderes Gewicht. Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens, wie beispielsweise nationale Impftage, haben Wege für den Dialog und die Aussöhnung geöffnet, und sie sollten nicht nur für von Kriegen betroffene Länder in Betracht gezogen werden, sondern auch für konfliktträchtige Zonen. In Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Afghanistan und Tadschikistan sind Waffenruhen und Tage der Ruhe, die zwischen den Organisationen der Vereinten Nationen und allen Konfliktparteien ausgehandelt werden, ein Schlüssel zur Beseitigung der Kinderlähmung. Mit Hilfe des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde in der Demokratischen Republik Kongo 1999 ein Durchbruch erreicht, als 8,2 Millionen der insgesamt 10 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Impfkampagnen gegen die Kinderlähmung geimpft wurden. Dem auf breiter Ebene bekannt gemachten Aufruf des Generalsekretärs folgend wurden die Kampfhandlungen in 90 Prozent des Landes ausgesetzt. Solche Impfkampagnen an von den Vereinten Nationen ausgehandelten Tagen der Ruhe können Gelegenheit zum Dialog zwischen den verschiedenen Seiten eröffnen und zu entscheidender Zeit helfen, den Ausbruch oder die Eskalation bewaffneter Konflikte zu verhindern.
123. Im subsaharischen Afrika stellt HIV/Aids eine besonders ernste Bedrohung für die wirtschaftliche, soziale und politische Stabilität dar. Nicht nur einzelne Bürger, sondern auch die gesellschaftsprägenden Institutionen sind davon bedroht. Potenziell besteht die Gefahr, dass sich die HIV/Aids-Epidemie auch in anderen Teilen der Welt rasch ausbreitet. Im Jahr 2000 haben die Generalversammlung, der Sicherheitsrat und der Wirtschafts- und Sozialrat diesem Problem große Aufmerksamkeit gewidmet. Die bevorstehende Sondertagung der Generalversammlung über HIV/Aids bietet eine besonders wichtige Gelegenheit zur Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft zu einer wirksameren Strategie zur Verhütung von HIV/Aids und der damit verbundenen möglicherweise destabilisierenden Auswirkungen.
Empfehlung 21
Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, auf ihrer bevorstehenden Sondertagung über HIV/Aids zu prüfen, wie Strategien zur Verhütung von HIV/Aids so erweitert werden können, dass ihr wichtiger Beitrag zur Konfliktprävention, insbesondere in schwer betroffenen Regionen, wie dem subsaharischen Afrika, berücksichtigt werden kann.
d) Kinder
124. Junge Menschen mit niedrigem Bildungsstand und geringen Beschäftigungschancen sind oftmals die Hauptanwärter für eine Rekrutierung durch Konfliktparteien. Ihre fehlenden Zukunftsperspektiven können eine Entfremdung von der Gesellschaft hervorrufen und sie für die Propaganda der Befürworter von bewaffneten Konflikten anfällig machen. Dieses Problem kann in denjenigen Ländern, in denen die Zahl der Jugendlichen im Vergleich zu anderen Altersgruppen überwiegt, besonders ausgeprägt sein. In diesen Ländern kam und kommt es häufig verstärkt zu politischen Unruhen und auch gewalttätigen Konflikten. Die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Zielen der Jugendlichen ist daher ein wichtiger Aspekt langfristiger Präventionsstrategien. Darüber hinaus können junge Menschen einen wichtiger Beitrag zum Frieden und zur Konfliktprävention leisten, beispielsweise im Rahmen von Jugendbewegungen für den Frieden und Treffen von Jugendlichen über imaginäre ethnische Grenzen hinweg. Das UNICEF nutzt in seinen Programmen die Bildung als eine Hauptstrategie zur Verhütung von Konflikten und Intoleranz und zur Gewährleistung eines friedensfördernden Umfelds. Eine weitere Priorität besteht darin, ausgegrenzten Gruppen Zugang zu Bildung zu verschaffen. Durch Friedenserziehungsprogramme will das UNICEF eine Kultur des Friedens fördern, die auf der Achtung der Menschenrechte, auf Toleranz, Partizipation und Solidarität beruht.
125. Zu den Faktoren, die mit dafür verantwortlich sind, dass ein Land die Eskalation von Streitigkeiten in gewalttätige Konflikte nicht verhindern kann, gehören die von früheren gewaltsamen Konflikten zurückgebliebenen Wunden, insbesondere diejenigen, die Kindern zugefügt wurden. Werden Kinder Opfer oder Zeugen von Gewalt, so kann dies bei ganzen Generationen zu Gewaltbereitschaft bei der Austragung ihrer Streitigkeiten führen. Der durch solchen Missbrauch begründete Teufelskreis der Gewalt kann zudem jeden möglicherweise bestehenden politischen Willen oder jede politische Führerschaft, die auf die friedliche Beilegung von Streitigkeiten gerichtet sind, untergraben und die von der internationalen Gemeinschaft getragenen Kosten der Streitbeilegung steil in die Höhe treiben.
126. Mein Sonderbeauftragter für Kinder und bewaffnete Konflikte, das UNHCR, das UNICEF, das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte und viele weitere zwischenstaatliche und nichtstaatliche Organisationen setzen sich dafür ein, die Not der von bewaffneten Konflikten betroffenen Kinder zu lindern und ihre dauerhafte Rehabilitation sicherzustellen, was entscheidend zur Fähigkeit eines Landes beitragen kann, ein Wiederaufleben gewaltsamer Konflikte zu verhindern.
127. Von Kriegen betroffenen Kindern sollte bei den Anstrengungen, den Ausbruch beziehungsweise das Wiederaufleben von Konflikten zu verhindern, stets klare Priorität eingeräumt werden, namentlich in den Mechanismen, die im Anschluss an Konflikte für Gerechtigkeit und Aussöhnung sorgen. Durch Mittel wie die unlängst zum Einsatz gebrachten Kinderschutz-Berater können Friedenssicherungseinsätze auch bei der Rehabilitation von Kindern und damit bei der Verhinderung des Wiederauflebens von Konflikten behilflich sein. Die Erfahrungen des UNICEF bei der sozialen und wirtschaftlichen Wiedereingliederung demobilisierter Kindersoldaten, namentlich in Sudan, Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo, zeigen, dass diese Aktivitäten entscheidend sind, um ein Wiederaufleben von Konflikten zu verhindern.
128. Auf ihrer für den 19. bis 21. September 2001 in New York anberaumten Sondertagung über Kinder wird die Generalversammlung Fragen betreffend Kinder in Situationen potenzieller oder akuter bewaffneter Konflikte erörtern und geeignete Strategien und Maßnahmen für ihren Schutz aufzeigen.
Empfehlung 22
Ich lege den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, Vorgehensweisen zu unterstützen und Ressourcen aufzustocken, die auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in Situationen potenzieller Konflikte gerichtet sind, da dies ein wichtiger Aspekt langfristiger Strategien zur Konfliktprävention ist.
I. Medien und Öffentlichkeitsarbeit
129. Die Massenmedien haben die Macht, die öffentliche Meinung zu formen und zu mobilisieren, und sie werden häufig von den Konfliktparteien manipuliert, sodass sie zu Gewalt aufstacheln und bewaffnete Konflikte provozieren. Die Kontrolle über die Massenmedien und den Informationsfluss kann maßgeblich zum Ausgang eines Konflikts beitragen. Sollen die Medien eine mäßigende Rolle spielen und damit zur Konfliktprävention beitragen, so muss ein Umfeld bestehen, das gegensätzlichen Meinungen Raum bietet. Die Achtung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit ist ein wichtiger Bestandteil der Prävention.
130. Die Vereinten Nationen können häufig die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft durch Presseerklärungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen, das Internet und andere Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit auf im Entstehen begriffene Konflikte lenken, sofern stille diplomatische Bemühungen dadurch nicht behindert werden. Insbesondere können die Vereinten Nationen durch direkte und von den einzelnen Missionen ausgehende und mit den entsprechenden internationalen, regionalen und nationalen Sendeanstalten abgestimmte Sendungen in bestimmten Krisensituationen Hetznachrichten entgegenwirken und die Zielgruppen in konfliktträchtigen Ländern erreichen. Auch muss der "präventive Journalismus" gefördert werden. Journalisten und Medienorganisationen könnten konkrete Situationen erkennen helfen, bevor diese zu bewaffneten Konflikten eskalieren. Die Hauptabteilungen und Organisationen der Vereinten Nationen sollten deshalb die Öffentlichkeitsarbeit in die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen ausgearbeiteten Präventionsstrategien einbeziehen. Die Vereinten Nationen sollten außerdem Präventivmaßnahmen in ihre Öffentlichkeitsarbeit einbeziehen.
131. Die Friedenssicherungs- und politischen Missionen der Vereinten Nationen verfügen meist über gewisse Kapazitäten für die Öffentlichkeitsarbeit, teils sogar über vollwertige Informationsbüros und Medienstellen, die Informationen in der Öffentlichkeit verbreiten und grobe Verzerrungen in den Medien sowie Missverständnisse bezüglich ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeit richtigstellen. Die Präsenz der Vereinten Nationen kann insofern mäßigend wirken, als sie die einheimische Bevölkerung mit unparteiischen Informationen versorgt, und sie kann helfen, Spannungen zwischen den Konfliktparteien abzubauen und die Wiederaufnahme bewaffneter Konflikte zu verhindern.
Empfehlung 23
Ich lege der Generalversammlung eindringlich nahe, zusätzliche Ressourcen für die direkten und von den Missionen ausgehenden Sendungen der Vereinten Nationen bereitzustellen, um Hetznachrichten entgegenzuwirken und die Entwicklung der Medien in konfliktträchtigen Situationen zu fördern. Ich habe die Absicht, dieser Priorität gegebenenfalls in künftigen Haushaltsanträgen Ausdruck zu verleihen.
J. Gleichstellung der Geschlechter
132. Seit der 1975 in Mexiko abgehaltenen Ersten
Weltfrauenkonferenz wird anerkannt, dass Frauen bei der Förderung des
Friedens eine bedeutende Rolle zukommt. In der auf der Vierten Weltfrauenkonferenz
1995 in Beijing verabschiedeten Aktionsplattform sowie in den einvernehmlichen
Schlussfolgerungen der Kommission für die Rechtsstellung der Frau von 1998
wurden die Regierungen und die internationalen Organisationen ferner
aufgefordert, Frauen in bewaffneten Konflikten zu schützen und ihre Mitwirkung
an allen Aspekten der Friedenskonsolidierung zu unterstützen, namentlich bei
der Konfliktprävention und
-beilegung und dem Wiederaufbau in der Konfliktfolgezeit. Ein wesentlicher
Aspekt der Konfliktprävention ist die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und in
diesem Kontext der Schutz der Menschenrechte der Frau, der dadurch erreicht
wird, dass bei Verfassungs-, Gesetzes- und Justizreformen sowie bei Reformen
des Wahlsystems die Gleichberechtigung der Frau gezielt einbezogen wird.
133. In seiner Resolution 1325 (2000) erkannte der Sicherheitsrat an, dass sich bewaffnete Konflikte auf Frauen unterschiedlich auswirken und dass wirksame institutionelle Regelungen notwendig sind, um ihren Schutz zu gewährleisten. Der Rat erkannte ferner an, dass die volle Mitwirkung von Frauen an Friedensprozessen entscheidend zur Aufrechterhaltung und Förderung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen kann. Er bekundete außerdem seine Bereitschaft, eine Geschlechterperspektive in Friedensmissionen zu integrieren, und forderte Maßnahmen, die den Schutz und die Achtung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen sicherstellen, insbesondere im Zusammenhang mit der Verfassung, dem Wahlsystem, der Polizei und der rechtsprechenden Gewalt. In der genannten Resolution wurde ich außerdem aufgefordert, die Rolle von Frauen und Mädchen in Friedensmissionen auszuweiten, um sicherzustellen, dass für Geschlechterfragen zuständige Stellen in Feldmissionen aufgenommen werden, und den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Aus- und Fortbildung über den Schutz, die Rechte und die besonderen Bedürfnisse von Frauen sowie für Aufklärungsmaßnahmen über HIV/Aids im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Ausbildungsprogramme für Militärpersonal und Zivilpolizisten zur Verfügung zu stellen.
134. Das Arbeitsprogramm meiner Sonderberaterin für Gleichstellungsfragen und Frauenförderung und der Abteilung Frauenförderung hat zu den Erkenntnissen und den Forschungsarbeiten zur Rolle der Frau in der Friedensschaffung beigetragen. Die Bedrohung aller Bürger, insbesondere der Frauen, durch Konfliktsituationen hat erneut verdeutlicht, dass eine geschlechtsspezifische Analyse in die Frühwarnmaßnahmen einbezogen werden muss und dass der Schutz der Frau durch Präventivmaßnahmen verstärkt werden kann. Die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze, die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten, das UNICEF, das UNHCR, das UNDP und der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM) haben sich jahrelang für die Einbeziehung einer Geschlechterperspektive in Friedensunterstützungsmissionen eingesetzt, indem sie zur Mitwirkung von Frauen an Konfliktpräventionsmaßnahmen ermutigt und Frauen in Konflikt- und Postkonfliktsituationen Unterstützung gewährt haben.
135. Ich habe eine Arbeitsgruppe für Frauen,
Frieden und Sicherheit eingerichtet, um bei der Durchführung der Resolution
1325 (2000) des Sicherheitsrats die Zusammenarbeit und Koordinierung innerhalb
des gesamten Systems der Vereinten Nationen sicherzustellen. Die Arbeitsgruppe
mit Vertretern von 15 Stellen des Systems der Vereinten Nationen ist
gegenwärtig damit befasst, einen Aktionsplan für die Durchführung der
Ratsresolution auszuarbeiten. Der
Aktionsplan wird darlegen, welche Initiativen die verschiedenen Teilbereiche
des Systems der Vereinten Nationen in Bezug auf jede Ziffer im Beschlussteil
der Ratsresolution zu ergreifen haben. Die in der Ratsresolution enthaltene
Bitte, die Durchführung einer Studie über die Auswirkungen bewaffneter
Konflikte auf Frauen und Mädchen, die Rolle der Frau bei der
Friedenskonsolidierung und die Geschlechterdimensionen von Friedensprozessen
und der Konfliktbeilegung zu veranlassen, eröffnet die für mich besonders
wichtige Chance, das Verständnis der Geschlechterperspektiven bei der
Konfliktprävention zu vertiefen und konkrete Empfehlungen für das weitere
Vorgehen abzugeben. In dieser Hinsicht müssen die Mitgliedstaaten die Anstrengungen
stärker unterstützen, die das System der Vereinten Nationen unternimmt, um
lokale Friedensinitiativen von Frauen und indigene Konfliktpräventionsprozesse
zu unterstützen und Frauen im Einklang mit Resolution 1325 (2000) des
Sicherheitsrats in friedenskonsolidierende Maßnahmen einzubeziehen.
Empfehlung 24
Ich fordere den Sicherheitsrat entsprechend seiner Resolution 1325 (2000) auf, bei seinen Bemühungen um Konfliktprävention und Friedenskonsolidierung der Geschlechterperspektive größere Aufmerksamkeit zu widmen.
K. Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung
136. Es ist notwendig, gegen illegale,
konfliktschürende Geschäftstätigkeiten anzugehen. Die Vereinten Nationen müssen
ihre beachtlichen Feldpräsenzen mobilisieren, um die Flut der illegalen Geschäftstätigkeiten
zu erkennen und einzudämmen. Die Tätigkeit des Büros für Drogenkontrolle und
Verbrechensverhütung könnte in zwei Hauptbereichen zur Verhütung bewaffneter
Konflikte beitragen: zum einen vermindern Maßnahmen gegen die
grenzüberschreitende Kriminalität, insbesondere den unerlaubten Drogenhandel
und die Geldwäsche, die Möglichkeiten potenzieller Aufständischer oder Aggressoren,
sich Mittel zu beschaffen; zum anderen vermindern Maßnahmen zur Eindämmung des
unerlaubten Handels mit Schusswaffen die Verfügbarkeit dieser Waffen und damit
die Bereitschaft gegnerischer Parteien, einen bewaffneten Konflikt
aufzunehmen. In ihrer Arbeit auf Feldebene sollten die Landesteams der
Vereinten Nationen der Verbrechensverhütung sowie der Verhinderung des
Drogenhandels und des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen größere
Aufmerksamkeit widmen. Insbesondere ist es wichtig, dass möglichst viele
Mitgliedstaaten das Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte
Kriminalität und die dazugehörigen Protokolle ratifi‑
zieren, namentlich das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des
Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels.
Empfehlung 25
Ich fordere die Generalversammlung, den Wirtschafts- und Sozialrat und die anderen zuständigen Organe der Vereinten Nationen auf, mehr Mittel für die Tätigkeiten des Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung bereitzustellen, insbesondere für die Verhütung der grenzüberschreitenden Kriminalität, des Drogenhandels und des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen.
V. Das
Zusammenwirken zwischen den Vereinten Nationen und sonstigen internationalen
Akteuren bei der Verhütung bewaffneter Konflikte
A. Regionale
Abmachungen
137. Regionalorganisationen können auf verschiedene Weise konkrete Beiträge zur Konfliktprävention leisten. Diese Organisationen schaffen durch häufiges Zusammenwirken Vertrauen zwischen den Staaten und verfügen über ein besseres Verständnis des geschichtlichen Hintergrunds von Konflikten. Wegen ihrer räumlichen Nähe könnten Regionalorganisationen beispielsweise ein lokales Forum für die Bemühungen um den Abbau von Spannungen bilden und ein umfassendes regionales Konzept für grenzüberschreitende Fragen fördern und erleichtern.
138. Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen erteilt den Vereinten Nationen ein umfassendes Mandat für das Zusammenwirken mit Regionalorganisationen bei der Konfliktprävention. Seit 1994 besteht zwischen den Vereinten Nationen und Regionalorganisationen die Praxis, alle zwei Jahre eine Tagung abzuhalten, um die Zusammenarbeit innerhalb dieses Rahmens zu fördern.
139. Auf der 1998 abgehaltenen dritten Tagung auf hoher Ebene der Vereinten Nationen und der Regionalorganisationen lag der Themenschwerpunkt auf der "Zusammenarbeit bei der Konfliktprävention". Zum ersten Mal haben wir uns auf einen Rahmen für die Zusammenarbeit bei der Konfliktprävention geeinigt, der auf 13 Modalitäten beruht. Während der vergangenen zwei Jahre wurden bei der Koordinierung und der Konsultation, der Verbesserung des Informationsflusses, den gegenseitigen Besuchen von Fachpersonal der verschiedenen Amtssitze, der gemeinsamen Ausbildung von Personal und den gemeinsamen Sachverständigentagungen zu konkreten Fällen der Konfliktprävention maßgebliche Fortschritte erzielt.
140. Auf der im Februar 2001 abgehaltenen vierten
Tagung auf hoher Ebene der Vereinten Nationen und der Regionalorganisationen
wurde dem Zusatzthema "Zusammenarbeit bei der Friedenskonsolidierung"
sowohl vor als auch nach Konflikten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Auf
der Tagung wurde das Dokument "Rahmen für die Zusammenarbeit bei der
Friedenskonsolidierung" (S/2001/138, Anlage I) verabschiedet, in dem die
Vereinten Nationen und die Regionalorganisationen Leitgrundsätze für die Zusammenarbeit
auf diesem Gebiet sowie mögliche Koopera‑
tionsmaßnahmen vereinbarten, beispielsweise die Schaffung von Einheiten für
die Friedenskonsolidierung, die Entsendung gemeinsamer Bewertungsmissionen ins
Feld, die Ausarbeitung von Katalogen bester Verfahrensweisen und gewonnener
Erfahrungen sowie die gemeinsame Abhaltung von Beitragsankündigungskonferenzen.
In seiner jüngsten öffentlichen Aussprache zur Friedenskonsolidierung begrüßte
der Sicherheitsrat die Ergebnisse der Tagung.
141. In den letzten Jahren haben einige Regionalorganisationen innovative institutionelle Kapazitäten für die Frühwarnung und Konfliktprävention geschaffen. 1993 schuf die OAU den Mechanismus für die Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten. 1999 richtete die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) einen ähnlichen Mechanismus ein. Die Organisation der amerikanischen Staaten (OAS) entwickelt über ihre Gruppe Demokratieförderung langfristige Strategien für die Konfliktprävention, während die Strategieplanungs- und Frühwarneinheit der Europäischen Union (EU) als Koordinierungsstelle für die Konfliktprävention und die Friedenskonsolidierung dient. Die EU ist außerdem dabei, ein europäisches Konfliktpräventionsprogramm auszuarbeiten, das der Europäische Rat im Juni 2001 in Göteborg behandeln wird. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verfügt durch ihr Büro des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten sowie ihr Konfliktverhütungszentrum ebenfalls über bedeutende Kapazitäten in diesem Bereich. Andere Organisationen sind dabei, ähnliche institutionelle Kapazitäten aufzubauen.
142. Darüber hinaus gewährleisten einige Kooperationsvereinbarungen die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen dem System der Vereinten Nationen und den Regionalorganisationen und könnten in Zukunft gezielter für die Konfliktprävention genutzt werden. So haben beispielsweise das Büro der Vereinten Nationen in Genf, der Europarat, die EU und die OSZE die Abhaltung jährlicher Tagungen eingeführt, um Meinungen auszutauschen und ihre Anstrengungen in Bezug auf ihre Region betreffende Belange zu koordinieren. Ein weiteres Beispiel ist die 1998 erfolgte Einrichtung des Verbindungsbüros der Vereinten Nationen am Amtssitz der OAU in Addis Abeba.
Empfehlung 26
Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, den auf der dritten und vierten Tagung auf hoher Ebene der Vereinten Nationen und der Regionalorganisationen eingeleiteten Folgeprozess auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der Friedenskonsolidierung zu unterstützen und mehr Mittel für den Ausbau regionaler Kapazitäten in diesen Bereichen bereitzustellen.
B. Nichtstaatliche
Organisationen und die Zivilgesellschaft
143. In Artikel 71 der Charta der Vereinten Nationen werden die Beiträge anerkannt, die die nichtstaatlichen Organisationen zur Erreichung der Ziele der Vereinten Nationen leisten können. Nichtstaatliche Organisationen können zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beitragen, indem sie frühzeitig gewaltlose Wege zur Auseinandersetzung mit den tieferen Ursachen von Konflikten aufzeigen. Darüber hinaus können nichtstaatliche Organisationen Bürgerdiplomatie anwenden, wenn Regierungen und internationale Organisationen dazu nicht in der Lage sind. Dies war in Mosambik und Burundi der Fall, wo die Gemeinschaft Sant'Egidio ein unparteiisches Umfeld für die Kommunikation und Verhandlungen zwischen entzweiten Gruppen bot. Internationale nichtstaatliche Organisationen erarbeiten außerdem Studien über Frühwarnung und mögliche Gegenmaßnahmen und können als Interessenvertreter fungieren, indem sie die internationale Gemeinschaft für bestimmte Situationen sensibilisieren und auf die öffentliche Meinung einwirken.
144. In den letzten Jahren haben sich wissenschaftliche Einrichtungen und Forschungsinstitute weltweit gemeinsam mit den Forschungseinrichtungen der Vereinten Nationen, namentlich der Universität der Vereinten Nationen, der Friedensuniversität und dem Ausbildungs- und Forschungsinstitut der Vereinten Nationen (UNITAR), wesentlich intensiver mit Fragen der Frühwarnung und der Prävention befasst. Ich fordere sie nachdrücklich auf, ihre Bemühungen fortzusetzen und die Aufmerksamkeit der Fachleute innerhalb der Vereinten Nationen sowie der politischen Gemeinschaft wirksamer auf die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten zu lenken. In dieser Hinsicht müssen sich die Feldmissionen der Vereinten Nationen und insbesondere die Organisationen im Feld besser der Stärken und Grenzen der zivilgesellschaftlichen Akteure im Bereich der Konfliktprävention und -beilegung bewusst sein.
145. Einige Organe der Vereinten Nationen haben begonnen, Programme für die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen auf dem Gebiet des Friedens und der Sicherheit auszuarbeiten. So hat zum Beispiel der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau die Rolle der Frauen durch den Ausbau der Konfliktbeilegungskapazitäten nichtstaatlicher Frauenorganisationen in Sudan, Somalia und Burundi gestärkt. In ähnlicher Weise unterhält die Hauptabteilung Abrüstungsfragen breit angelegte Beziehungen mit nichtstaatlichen Organisationen auf dem Gebiet der Kleinwaffen. Nichtstaatliche Organisationen waren wesentlich an der im Dezember 1997 in Ottawa erfolgten Verabschiedung des Übereinkommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung beteiligt und spielen nach wie vor eine bedeutende Rolle bei der Mobilisierung lokaler und internationaler Unterstützung für humanitäre Antiminenprogramme und die Bekämpfung der Verbreitung und des Missbrauchs von Kleinwaffen.
146. Die steigende Zahl der mit Fragen der Konfliktprävention und -beilegung befassten internationalen und regionalen nichtstaatlichen Organisationen und die Ausweitung ihrer Netzwerke im Laufe der letzten Jahre ist eine ermutigende Entwicklung. Darüber hinaus wird gegenwärtig eine internationale Kapazität zur systematischen Vernetzung von Wissenschaftlern, nichtstaatlichen Organisationen und sonstigen zivilgesellschaftlichen Akteuren mit den Vereinten Nationen und verschiedenen anderen internationalen und regionalen Organisationen entwickelt. Eine weitere kürzlich eingeleitete Initiative sieht Online-Konferenzen vor, um den Austausch zwischen auf dem Gebiet der Konfliktprävention tätigen Wissenschaftlern und Praktikern in bestimmten Situationen oder Regionen zu erleichtern. Außerdem ist zu erwähnen, dass das Millenniums-Forum der nichtstaatlichen Organisationen die Vereinten Nationen im Mai 2000 nachdrücklich aufgefordert hat, eine breite Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen proaktiver in Konfliktpräventionsmaßnahmen einzubeziehen.
147. Religiöse Organisationen können auf Grund der moralischen Autorität, die sie in vielen Gemeinschaften innehaben, eine Rolle bei der Verhütung bewaffneter Konflikte übernehmen. In einigen Fällen haben religiöse Gruppen und Führer einen kulturell begründeten komparativen Vorteil bei der Konfliktprävention und erzielen daher die größte Wirkung, wenn sie die allen Konfliktparteien gemeinsame Menschlichkeit betonen und es ablehnen, sich mit einer bestimmten Partei zu identifizieren. Darüber hinaus können religiöse Gruppen dazu aufrufen, abweichende Meinungen auf alternativen, gewaltlosen Wegen zum Ausdruck zu bringen, bevor es zum Ausbruch bewaffneter Konflikte kommt.
Empfehlung 27
Ich rufe alle mit der Konfliktprävention befassten nichtstaatlichen Organisationen auf, eine internationale Konferenz lokaler, nationaler und internationaler nichtstaatlicher Organisationen zu veranstalten, die ihre Rolle bei der Konfliktprävention und ihr künftiges Zusammenwirken mit den Vereinten Nationen auf diesem Gebiet zum Thema hat.
C. Der Privatsektor
148. Im Zeitalter der Globalisierung ist das Verständnis gewachsen, dass die Unternehmenswelt ein untrennbarer Bestandteil des wirtschaftlichen und politischen Lebens der Gesellschaft ist. Zugleich erkennen die internationalen Akteure zunehmend an, dass Unternehmen potenziell eine wichtige Rolle dabei übernehmen können, Konflikte vermeiden oder überwinden zu helfen.
149. Ich betone, dass die transnationalen Unternehmen ihrer Geschäftstätigkeit stets mit einem sozialen Gewissen nachgehen müssen. Zu diesem Zweck habe ich 1999 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Globalen Pakt ins Leben gerufen, eine programmatische Initiative, die den Unternehmenssektor zu einem Partner für den Frieden macht, indem an das soziale Bewusstsein der internationalen Unternehmer appelliert wird. In dem Pakt werden die Führungspersönlichkeiten der Wirtschaft aufgefordert, sowohl in ihrer eigenen Unternehmenspraxis als auch durch die Unterstützung der jeweiligen staatlichen Politik in den Bereichen Menschenrechte, Arbeit und Umwelt neun Grundsätze zu fördern. Ausgehend von der Annahme, dass gesellschaftliche Stabilität und Frieden der Wirtschaftstätigkeit förderlich sind, wurden 2001 im Rahmen des Paktes eine Reihe von Dialogen zur Rolle der Unternehmen in Zonen bewaffneter Konflikte abgehalten, um herauszufinden, wie Unternehmen innerhalb ihres Einflussbereichs die Sicherheit der Menschen erhöhen können.
150. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Unternehmen keine volkswirtschaftlichen Beiträge in Ländern leisten, die Konflikte unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüße ich den in Resolution 55/56 der Generalversammlung enthaltenen Aufruf an die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die gegen die Verbindung zwischen dem Handel mit Konfliktdiamanten und der Lieferung von Waffen, Treibstoff oder sonstigem verbotenen Material an Rebellenbewegungen gerichtet sind. In ähnlicher Weise forderte der Sicherheitsrat in seiner Resolution 1343 (2001) alle Mitgliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen und Unternehmen die Embargos der Vereinten Nationen befolgen. Ich begrüße außerdem die jüngsten Resolutionen des Sicherheitsrats, mit denen Sachverständigengruppen mit dem Ziel eingerichtet wurden, Einzelpersonen und Unternehmen, die gegen Sanktionen verstoßen oder zu Konflikten beitragen, öffentlich anzuprangern.
Empfehlung 28
Ich lege den Mitgliedstaaten und dem Privatsektor nahe, den Globalen Pakt im Kontext der Anstrengungen der Vereinten Nationen zur Konfliktprävention zu unterstützen. Insbesondere fordere ich die Unternehmer auf, sich sozialverträgliche Praktiken zu eigen zu machen, die in konfliktträchtigen Gesellschaften ein Klima des Friedens fördern, Krisensituationen verhindern und abschwächen helfen und zum Wiederaufbau und zur Aussöhnung beitragen.
VI. Ausbau der Kapazitäten zur Verhütung
bewaffneter Konflikte
151. Der Auf- und Ausbau einzelstaatlicher Kapazitäten ist für die Verhütung bewaffneter Konflikte von entscheidender Bedeutung. In diesem Bericht habe ich mehrere Vorschläge dazu unterbreitet, wie das System der Vereinten Nationen den Mitgliedstaaten dabei behilflich sein könnte, diese einzelstaatlichen Kapazitäten in wirksamerer Weise aufzubauen. Der Erfolg der empfohlenen Maßnahmen, soweit sie durchgeführt werden, hängt weitgehend davon ab, ob das System der Vereinten Nationen beziehungsweise die Mitgliedstaaten ausreichende Kapazitäten und Ressourcen dafür bereitstellen. In diesem Zusammenhang bin ich der Auffassung, dass die internationale Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit auf die im Folgenden beschriebenen Gebiete lenken muss, damit sie ihre Kapazitäten auf dem Gebiet der Konfliktprävention ausbauen kann.
Aufstockung
der öffentlichen Entwicklungshilfe
152. Erfahrungen haben gezeigt, dass einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung eine wichtige Rolle bei der Abwendung bewaffneter Konflikte zukommt. Wenngleich die Armut selbst nicht zu den tieferen Ursachen gewalttätiger Konflikte gehört, ist es doch eine Tatsache, dass einige der ärmsten Gesellschaften sich entweder am Rande oder inmitten eines bewaffneten Konflikts befinden. Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut und insbesondere bei der Auseinandersetzung mit Fragen der Ungleichheit, der Gerechtigkeit und der menschlichen Sicherheit in Entwicklungsländern würden langfristig erheblich zur Konfliktprävention beitragen. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, dass die gegenwärtig rückläufige Tendenz bei der Vergabe öffentlicher Entwicklungshilfe umgekehrt wird. In diesem Zusammenhang werden die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe für Entwicklungsfinanzierung wichtige Auswirkungen auf unsere künftigen Anstrengungen zur Konfliktprävention haben.
Ausbau der
Konfliktpräventionskapazitäten der Mitgliedstaaten
153. Die Fortbildungsakademie der Vereinten Nationen bietet für die Mitgliedstaaten ein neues Programm landesspezifischer Fachtagungen über die Konfliktprävention an, das aus ihrem erfolgreichen Projekt für die Personalschulung hervorgegangen ist. Die Fachtagungen zielen darauf ab, "hausgemachte" Strategien für die Konfliktprävention auszuarbeiten und Mittel und Methoden bereitzustellen, die konkret auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten zugeschnitten sind. Zu den Teilnehmern gehören Vertreter einzelstaatlicher Regierungen, der Zivilgesellschaft sowie der Landesteams der Vereinten Nationen und ihrer Durchführungspartner. Weitere Kapazitätsaufbaumaßnahmen des Systems der Vereinten Nationen, wie beispielsweise die auf die Stärkung der Regierungs- und Verwaltungsführung und der Rechtsstaatlichkeit gerichteten Aktivitäten des UNDP, sind ebenfalls eine lohnende Investition in den Aufbau einzelstaatlicher Kapazitäten, Institutionen und Mechanismen für die Konfliktprävention.
Ausbau der
Konfliktpräventionskapazitäten des Systems der Vereinten Nationen
154. In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat das System der Vereinten Nationen einen vielversprechenden Anfang dabei gemacht, im Rahmen seiner operativen Tätigkeit eine Kultur der Prävention zu schaffen. Jedoch fehlt es innerhalb des Sekretariats noch immer an ausreichenden Kapazitäten für die Konfliktprävention, obwohl diese in zahlreichen Resolutionen und Erklärungen der Generalversammlung und des Sicherheitsrats (siehe Resolution 47/120 A der Generalversammlung, Resolution 1327 (2000) des Sicherheitsrats, S/PRST/1999/34, S/PRST/2000/25 und S/PRST/2001/5) ebenso gefordert wurden wie in unabhängigen Studien, beispielsweise der Unabhängigen Untersuchung des Handelns der Vereinten Nationen während des Völkermordes in Ruanda 1994 und dem Bericht der Sachverständigengruppe für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen (siehe S/1999/1257 beziehungsweise A/55/305-S/2000/809).
155. Die präventive Funktion musste auf Grund der zunehmenden Nachfrage an das Sekretariat nach verschiedenen friedenssichernden, friedensschaffenden und unterstützenden Funktionen zurückstehen. Das Sekretariat verfügt in den Regionalabteilungen der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten oder anderen Gruppen nicht über spezialisierte Mitarbeiter, die hauptamtlich mit Konfliktpräventionsmaßnahmen befasst sind. Mit zunehmender Akzeptanz der Kultur der Prävention ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Sekretariat wirksame Kapazitäten für die Konfliktprävention erhält, namentlich Kapazitäten für die systematische Auswertung der erfolgreichen ebenso wie der erfolglosen Präventionsbemühungen und die Anwendung der daraus gewonnenen Erkenntnisse bei der Konzipierung unserer künftigen Präventionsstrategien.
156. In ähnlicher Weise müssen auch die Konfliktpräventionskapazitäten der sonstigen zuständigen Stellen im System der Vereinten Nationen gestärkt werden. In dieser Hinsicht zielt der Lehrgang "Frühwarnung und Präventivmaßnahmen: Ausbau der Kapazitäten der Vereinten Nationen" darauf ab, die fachlichen und die analytischen Fähigkeiten der Bediensteten der Vereinten Nationen und des Personals ihrer Durchführungspartner auf dem Gebiet der Frühwarnung und der Präventivmaßnahmen zu verbessern und ihr Bewusstsein dafür zu schärfen. Der größte Teil dieser Lehrgänge, an denen Bedienstete der Vereinten Nationen aus 29 Hauptabteilungen, Programmen, Bereichen, Fonds und Organisationen teilgenommen haben, wurde im Feld abgehalten. Seit 1999 kam diese Ausbildung ungefähr 750 am Amtssitz beziehungsweise im Feld tätigen Bediensteten der Vereinten Nationen, Mitarbeitern der teilnehmenden nichtstaatlichen Partnerorganisationen und Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zugute. Es besteht Bedarf an einer künftigen Ausweitung dieses Programms.
Interinstitutionelle
Koordinierungsmechanismen
157. Wie in diesem Bericht bereits dargestellt, habe ich unlängst interinstitutionelle und hauptabteilungsübergreifende Koordinierungsmechanismen im Bereich der Konfliktprävention eingerichtet, die sich nach einer anfänglichen Testphase nunmehr als vielversprechend erweisen. Der interinstitutionelle Koordinierungsrahmen leidet jedoch noch immer darunter, dass es auf Grund der Ressourcenknappheit am Amtssitz und im Feld an einer wirksamen Weiterverfolgung und Koordinierung fehlt.
Finanzmittel
für Missionen des Sicherheitsrats
158. Wie bereits in Abschnitt III.B erwähnt, hat der Sicherheitsrat in jüngster Zeit verstärkt Missionen in Spannungs- und Konfliktgebieten eingesetzt. Das Sekretariat der Vereinten Nationen stieß jedoch regelmäßig auf Schwierigkeiten bei der rechtzeitigen Beschaffung der nötigen Finanzmittel und Humanressourcen zur Unterstützung dieser Missionen.
Änderungen
bei der Finanzierung des ordentlichen Haushalts
159. Die Umsetzung der in diesem Bericht enthaltenen Empfehlungen erfordert zum großen Teil keine zusätzlichen Mittel, doch müssen die Konfliktpräventionsmaßnahmen der Vereinten Nationen auf eine stabilere und berechenbarere finanzielle Grundlage gestellt werden. Wenngleich die großzügigen Beiträge der Mitgliedstaaten an den Treuhandfonds für vorbeugende Maßnahmen sehr geschätzt werden, sollte die Generalversammlung doch prüfen, ob die Tätigkeiten im Zusammenhang mit Präventivmaßnahmen grundsätzlich nicht besser aus dem ordentlichen Haushalt als durch außerplanmäßige Mittel finanziert werden sollten. Ich beabsichtige daher, in den kommenden Monaten mit den Mitgliedstaaten einen Dialog darüber zu führen, wie die Konfliktprävention zu einem regulären Bestandteil des Haushalts der Vereinten Nationen gemacht werden könnte.
Empfehlung 29
In Bezug auf die langfristigen Präventionsbemühungen der Vereinten Nationen appelliere ich erneut an die internationale Gebergemeinschaft, den Entwicklungsländern verstärkt Entwicklungshilfe zu gewähren. Insbesondere lege ich den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe für Entwicklungsfinanzierung ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
VII. Schlussfolgerungen
A. Überwindung der Hindernisse bei der Konfliktprävention
160. Ich habe in diesem Bericht betont, dass die Konfliktprävention im Mittelpunkt des Mandats der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit steht und dass sich unter den Mitgliedstaaten ein allgemeiner Konsens darüber herausgebildet hat, dass umfassende und kohärente Konfliktpräventionsstrategien am ehesten geeignet sind, einen dauerhaften Frieden zu fördern und ein günstiges Umfeld für die nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass eine erfolgreiche Konfliktprävention auch einen guten Schutz für die Investitionen in die Entwicklung verkörpert. Ich habe dargelegt, dass sowohl die Hauptorgane der Vereinten Nationen als auch das System der Vereinten Nationen über seine vielfältigen Hauptabteilungen, Organisationen, Bereiche, Fonds und Programme verstärkt zur Verhütung bewaffneter Konflikte auf der ganzen Welt beigetragen haben.
161. Das Gebot einer wirksamen Konfliktprävention geht über die Schaffung einer entsprechenden Kultur, die Einrichtung von Mechanismen oder die Einforderung des notwendigen politischen Willens hinaus. Die Vereinten Nationen tragen auch die moralische Verantwortung dafür, sicherzustellen, dass gefährdete Menschen geschützt werden und dass es nie wieder zu einem Völkermord kommt. In der jüngsten Vergangenheit sind die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen jedoch in zwei Fällen, nämlich in Ruanda und im ehemaligen Jugoslawien, ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Aus diesen Erfahrungen haben wir gelernt, dass der allererste Schritt zur Verhinderung von Völkermord darin besteht, gegen die Umstände anzugehen, die seine Begehung ermöglichen. Zwei wichtige Berichte, die ich zu Ruanda und Srebrenica erstellen ließ, legen es zwingend nahe, dass wir uns einem umfassenden Programm für die Konfliktprävention verschreiben.
162. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg. Wir sind immer noch weit von einer Kultur der Konfliktprävention entfernt, in der die Staaten um den Rat und die Hilfe der internationalen Gemeinschaft nachsuchen, um im Bedarfsfall möglichst frühzeitig die tieferen Ursachen von Konflikten zu ermitteln und anzugehen. Deshalb bleibt die Frage bestehen, weshalb die Konfliktprävention noch immer so selten angewandt wird und wir trotz des zweifellos vorhandenen Erfolgspotenzials einer Präventionsstrategie so häufig scheitern.
163. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen meiner Meinung nach zweierlei: Erstens können Außenstehende, so auch die Vereinten Nationen, nur sehr wenig tun, wenn sich die betreffende Regierung einzugestehen weigert, dass sie ein Problem hat, das zu einem gewalttätigen Konflikt führen könnte, und Hilfsangebote zurückweist. Eine Präventionsstrategie kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Vereinten Nationen das Einverständnis und die Unterstützung der betreffenden Regierung und sonstiger wichtiger einzelstaatlicher Akteure erhalten. Zweitens ist es auch dann unwahrscheinlich, dass Präventivmaßnahmen zum Erfolg führen, wenn wichtige Nachbarn, regionale Verbündete oder andere Mitgliedstaaten mit guter Ausgangslage, die Anstrengungen der Vereinten Nationen zu unterstützen, nicht den politischen Willen aufbringen, diese Unterstützung zu gewähren.
164. Es ist klar, dass diese Einstellungen nicht das einzige Hindernis für wirksame Präventivmaßnahmen bilden. Ebenso bedeutsam ist die Art und Weise, in der die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in einer bestimmten Krise ihre nationalen Interessen definieren. Selbstverständlich ist die traditionelle Verfolgung nationaler Interessen stets Teil der internationalen Beziehungen und des Lebens und der Arbeit der Vereinten Nationen. Während sich die Welt seit dem Ende des Kalten Krieges jedoch tiefgreifend verändert hat, hat sich dieser Wandel in unserem Konzept der nationalen Interessen kaum niedergeschlagen. Eine neue, breiter angelegte und weiter gefasste Definition nationaler Interessen in diesem neuen Jahrhundert würde die Staaten bei der Verfolgung der grundlegenden Ziele der Charta der Vereinten Nationen zu weitaus größerer Einigkeit führen. Ein globales Zeitalter erfordert globales Engagement. Im Grunde genommen ist in einem Zeitalter, in dem sich die Menschheit einer wachsenden Zahl von Herausforderungen gegenüber sieht, das gemeinschaftliche Interesse mit dem nationalen Interesse identisch.
165. Selbstverständlich treten bei der Verwirklichung des gemeinschaftlichen Interesses Hindernisse auf. Aber welche Alternativen gibt es? Die Frage ist nicht nur von akademischem Interesse. Die meisten Faktoren, die die Vereinten Nationen am Eingreifen gehindert haben, um den Völkermord in Ruanda zu verhindern, bestehen fort. Wenn wir jedoch untätig bleiben, wenn wir Verbrechen und ethnische Säuberungen schweigend hinnehmen, riskieren wir nicht nur, an den Rand der Weltpolitik gedrängt zu werden, sondern wir werden auch das Vertrauen der vielen Millionen Menschen missbrauchen, die von den Vereinten Nationen die Verwirklichung der hehren Ideale ihrer Charta erwarten.
166. Als Realisten müssen wir selbstverständlich auch anerkennen, dass in einigen Fällen die schiere Hartnäckigkeit von Konflikten und die Unerbittlichkeit der kriegführenden Parteien ein Gelingen unserer Bemühungen unwahrscheinlich werden lassen. Darüber hinaus handelt es sich sehr häufig um lokale Bandenführer und sonstige nichtstaatliche Akteure, die sich durch die Beschlüsse des Sicherheitsrats und die Wünsche der internationalen Gemeinschaft nicht gebunden fühlen. Selbst Kriege, die nach ihrem Ausbruch nicht mehr aufgehalten werden können, hätten jedoch möglicherweise durch eine wirksame Präventionspolitik verhindert werden können. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass Präventionsstrategien leicht umzusetzen wären. Die Kosten der Prävention entstehen heute, doch ihr Nutzen liegt in ferner Zukunft. Dazu kommt, dass dieser Nutzen oftmals nicht greifbar ist: War die Prävention erfolgreich, so tritt sie kaum in Augenschein, doch kann ein förderliches Umfeld mit sozialer Stabilität, Toleranz und stabilen Institutionen die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden.
167. Wie ich versucht habe, in diesem Bericht darzulegen, besteht der am ehesten Erfolg verheißende Ansatz für die Förderung der in der Charta angestrebten friedlichen und gerechten Weltordnung darin, einzelstaatliche und internationale Kapazitäten für langfristige Maßnahmen zur Verhütung bewaffneter Konflikte aufzubauen. Die wichtigste Lehre, die aus den einschlägigen Erfahrungen der Vereinten Nationen gezogen werden kann, besteht darin, dass die Konfliktparteien umso eher bereit sind, in einen konstruktiven Dialog einzutreten, die tatsächlichen Missstände, die den potenziellen Konflikten zugrunde liegen, anzugehen und keine Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele anzuwenden, je früher die tieferen Ursachen potenzieller Konflikte erkannt und wirksam angegangen werden.
168. Regierungen, die ihrer souveränen Verantwortung gerecht werden, Situationen, die sich zu einer Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit entwickeln könnten, friedlich beizulegen, und die die Vereinten Nationen oder andere internationale Akteure so früh wie nötig um präventive Unterstützung ersuchen, sorgen für den besten Schutz ihrer Bürger vor Einmischung von außen. Auf diese Weise kann die internationale Gemeinschaft durch Präventivmaßnahmen maßgeblich zur Stärkung der nationalen Souveränität der Mitgliedstaaten beitragen.
B. Wege zu einer Kultur der Konfliktprävention
169. Dieser Bericht belegt auf vielfältige Weise, dass die Zeit gekommen ist, unsere Anstrengungen zu verstärken, um von einer Kultur der Reaktion zu einer Kultur der Prävention zu gelangen. Ausgehend von den in diesem Bericht dargestellten Erfahrungen und Analysen schlage ich die folgenden zehn Grundsätze vor, an denen sich das Konzept der Vereinten Nationen für die Konfliktprävention meiner Ansicht nach künftig ausrichten sollte:
• Konfliktprävention gehört zu den in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Hauptpflichten der Mitgliedstaaten, und die Bemühungen der Vereinten Nationen um die Konfliktprävention müssen mit den Zielen und Grundsätzen der Charta übereinstimmen.
• Konfliktprävention erfordert eine einzelstaatliche Trägerschaft. Die Hauptverantwortung für die Konfliktprävention liegt bei den Regierungen der einzelnen Staaten, wobei der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zukommt. Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft sollten die einzelstaatlichen Anstrengungen zur Konfliktprävention und den Aufbau einzelstaatlicher Kapazitäten auf diesem Gebiet unterstützen. Die auf die Konfliktprävention gerichtete Tätigkeit der Vereinten Nationen kann daher die Souveränität der Mitgliedstaaten stärken helfen.
• Konfliktprävention ist eine Tätigkeit, die am besten nach Kapitel VI der Charta durchgeführt wird. In dieser Hinsicht stellen die in der Charta beschriebenen Mittel der friedlichen Konfliktbeilegung, namentlich die in Artikel 33 der Charta genannten Mittel der Verhandlung, der Untersuchung, der Vermittlung, des Vergleichs, des Schiedsspruchs, der gerichtlichen Entscheidung oder andere friedliche Mittel, wichtige Instrumente der Konfliktprävention dar. Darüber hinaus ist anzuerkennen, dass bestimmte Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta, beispielsweise Sanktionen, eine wichtige abschreckende Wirkung haben können.
• Damit Präventivmaßnahmen ihre bestmögliche Wirkung entfalten können, sollten sie zu einem möglichst frühen Konfliktstadium einsetzen.
• Der Schwerpunkt von Präventivmaßnahmen sollte darin bestehen, die tief verwurzelten sozioökonomischen, kulturellen, ökologischen, institutionellen, politischen und sonstigen strukturellen Ursachen anzugehen, die den akuten Symptomen von Konflikten häufig zugrunde liegen.
• Eine wirksame Präventionsstrategie erfordert einen umfassenden Ansatz mit kurz- und langfristigen politischen, diplomatischen, humanitären, menschenrechtlichen und entwicklungsbezogenen, institutionellen und sonstigen Maßnahmen, die von der internationalen Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit nationalen und regionalen Akteuren zu ergreifen sind. Darüber hinaus muss besonderes Gewicht auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Situation der Kinder gelegt werden.
• Konfliktprävention und eine nachhaltige und ausgewogene Entwicklung verstärken sich gegenseitig. Investitionen in nationale und internationale Bemühungen um Konfliktprävention sind zugleich als Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung anzusehen, da letztere in einem Klima dauerhaften Friedens am besten gedeihen kann.
• Die voranstehenden Ausführungen legen nahe, dass ein klarer Bedarf besteht, den Aspekt der Konfliktprävention in die vielschichtigen Entwicklungsprogramme und ‑tätigkeiten der Vereinten Nationen einzubeziehen, damit diese planmäßig und nicht nur zufällig zur Konfliktprävention beitragen können. Dies wiederum erfordert eine stärkere Kohärenz und Koordinierung im System der Vereinten Nationen mit besonderem Gewicht auf der Konfliktprävention.
• Eine erfolgreiche Präventionsstrategie hängt von der Zusammenarbeit vieler Akteure der Vereinten Nationen ab, namentlich des Generalsekretärs, des Sicherheitsrats, der Generalversammlung, des Wirtschafts- und Sozialrats, des Internationalen Gerichtshofs und der Organisationen, Büros, Fonds und Programme der Vereinten Nationen sowie der Bretton-Woods-Institutionen. Die Vereinten Nationen sind jedoch nicht die Einzigen, die auf dem Gebiet der Prävention tätig sind, und sie sind auch oftmals nicht am besten zur Übernahme der Führungsrolle geeignet. Daher kommt den Mitgliedstaaten, den internationalen, regionalen und subregionalen Organisationen, dem Privatsektor, den nichtstaatlichen Organisationen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft in diesem Bereich ebenfalls eine überaus wichtige Rolle zu.
• Wirksame Präventivmaßnahmen der Vereinten Nationen erfordern den anhaltenden politischen Willen der Mitgliedstaaten. Dies bedeutet zuallererst, dass alle Mitgliedstaaten bereit sein müssen, den Vereinten Nationen die politische Unterstützung und die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die für die Durchführung wirksamer Präventivmaßnahmen in konkreten Situationen erforderlich sind.
170. Es ist an der Zeit, dass wir das Versprechen der Prävention konkrete Wirklichkeit werden lassen. Wir sollten künftigen Generationen damit unter Beweis stellen, dass unsere Generation die politische Weitsicht und den politischen Willen hatte, unsere Vorstellung von einer gerechten Weltordnung von einer Vision der Abwesenheit des Krieges in eine Vision des dauerhaften Friedens und der nachhaltigen Entwicklung für alle Menschen umzuformen.
Anmerkung
1 Siehe Preventing Deadly Conflict (Die
Verhütung tödlicher Konflikte), Schlussbericht der Carnegie-Kommission für
die Verhütung tödlicher Konflikte.
* Büro des
Sonderkoordinators der Vereinten Nationen für den Nahostfriedensprozess und
Persönlicher Beauftragter des Generalsekretärs bei der Palästinensischen
Befreiungsorganisation und der Palästinensischen Behörde.