Einleitung
1. Fast ein Jahrzehnt ist seit dem Ende des Kalten Krieges bereits vergangen, und dennoch werden die Konturen der neuen Ära noch immer nur ansatzweise verstanden. Große wie kleine Nationen sind bemüht, sich mit neuen Aufgaben und neuen Zwängen zurechtzufinden. Unvorhersehbare und überraschende Ereignisse sind nahezu an der Tagesordnung. Die neuen Aufgaben, welche die multilateralen Organisationen möglicherweise wahrzunehmen haben werden, sowie allgemeiner noch ihr Platz in der internationalen Gemeinschaft, erzeugen Ungewißheit und in manchen Fällen sogar Angst. In der Tat suchen die Völker der Vereinten Nationen, in deren Namen die Charta verfaßt ist, nach neuen Möglichkeiten, wie sie ihre Einigkeit als Völkergemeinschaft trotz aller sie trennenden Gebräuche und Überzeugungen, Machtpositionen und Interessen zum Ausdruck bringen können.
2. Trotz der außerordentlichen Errungenschaften des Multilateralismus in den letzten fünfzig Jahren bleiben noch immer zu viele Stimmen ungehört, gibt es nach wie vor zu viel Leid und werden zu viele zusätzliche Chancen für die Verbesserung des Loses der Menschen vertan, als daß wir uns damit zufriedengeben dürften, wie die Dinge heute stehen. Diese noch nicht erfüllten Herausforderungen müssen auf der Agenda der Vereinten Nationen auch weiterhin ganz oben stehen. Die Millenniums-Generalversammlung im September 2000 bietet den führenden Politikern der Welt eine einmalige Gelegenheit, den Blick weiter zu richten als nur auf die dringendsten täglichen Anliegen und zu überlegen, welche Gestalt die Vereinten Nationen in dem neuen Jahrhundert annehmen könnten und welche Unterstützung sie ihnen gewähren werden.
3. Um diese Beratungen zu erleichtern, beabsichtige ich, der Millenniums-Generalversammlung einen Bericht zu unterbreiten, in dem ich den Mitgliedstaaten einen Katalog durchführbarer Zielsetzungen und institutioneller Mittel vorschlage, die es den Vereinten Nationen gestatten werden, in den vor uns liegenden Jahren den Herausforderungen zu begegnen, die die zwischenmenschliche Solidarität an uns stellt. In diesen Bericht werden die Ergebnisse mehrerer Überprüfungen Eingang finden, die bis dahin im Folgeprozeß jüngster Konferenzen der Vereinten Nationen stattfinden sollen. Darüber hinaus wird er auch von der Vielfalt der Auffassungen und Bestrebungen profitieren, die auf einer Reihe von weltweiten und regionalen Anhörungen und Seminaren - weltweiten Bürgerversammlungen sozusagen - zum Ausdruck gebracht werden, deren Einberufung ich plane und die auch zahlreiche Regierungen, Akteure der Zivilgesellschaft und andere Gruppen zur Zeit durchführen.
4. Die "stille Revolution" der institutionellen Reformen, die ich im letzten Jahr eingeleitet habe, sollte einen in mancher Hinsicht durch die Auswirkungen des Kalten Krieges und der Nord-Süd-Konfrontation schwerfällig gewordenen und eingerosteten organisatorischen Apparat neu beleben und ihn besser auf den äußerst komplexen, immer stärker verflochtenen und weitaus unbeständigeren Kontext der neuen Ära einstellen. Ich kann mit einiger Genugtuung sagen, daß der Verband der Vereinten Nationen heute mit größerer Geschlossenheit in der Zielverfolgung und mehr Kohärenz bei der Maßnahmensetzung handelt als vor einem Jahr. Am stärksten ausgeprägt ist die neue Teamarbeit im Sekretariat und in seinen Beziehungen mit den Programmen und Fonds.
5. Das Arbeitsprogramm wurde in vier Kernbereiche aufgeteilt: Frieden und Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit, internationale wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten und humanitäre Angelegenheiten und, fünftens, Menschenrechte, die zum Querschnittsthema erklärt worden sind. In jedem dieser Zentralbereiche steuert inzwischen ein Exekutivausschuß die Auseinandersetzung mit gemeinsamen, übergreifenden und sich überschneidenden Grundsatzfragen.
6. Zur Integration der Arbeit der Exekutivausschüsse und zur Behandlung von Angelegenheiten, die die gesamte Organisation betreffen, wurde als eine Art Kabinett eine Hochrangige Managementgruppe eingerichtet, der die Führungsspitzen der verschiedenen Amtssitze der Vereinten Nationen angehören. Wenn diese Gruppe zu ihrer allwöchentlichen Sitzung zusammentritt, sind ihre in Genf, Wien, Nairobi und Rom ansässigen Mitglieder über Telekonferenzeinrichtungen vertreten. Eine ebenfalls neugegründete Strategische Planungsgruppe soll die Managementgruppe in die Lage versetzen, einzelne Fragen auf ihrer Tagesordnung in einem weitergefaßten und längerfristigen Bezugsrahmen zu behandeln. Die Mitgliedstaaten billigten meine Empfehlung zur Schaffung der Position eines Stellvertretenden Generalsekretärs; in den wenigen Monaten seit ihrem Amtsantritt hat Louise Frechette (Kanada) überzeugend bewiesen, welche entscheidende Bedeutung dieser Position für die Verstärkung der Leitungs- und Managementkapazität des Sekretariats zukommt.
7. Das Sekretariat selbst wurde durch die Zusammenlegung und Abschaffung von Organisationseinheiten gestrafft; durch die Streichung von nahezu tausend Stellen wurde der Personalbestand auf unter 9.000 gesenkt, und im Haushalt wurden Kürzungen vorgenommen, so daß dieser nun unter dem des vorangegangenen Zweijahreszeitraums liegt. Eine zu Beginn dieses Jahres von mir einberufene Arbeitsgruppe für Personalmanagement hat mir soeben ihren Bericht vorgelegt; ich werde auf ihre Empfehlungen rasch und entschlossen reagieren.
8. Im gesamten System der Vereinten Nationen, unter Einschluß der Bretton-Woods-Institutionen, wurden mit Hilfe des Verwaltungsausschusses für Koordinierung vermehrt produktive Arbeitsbeziehungen hergestellt bzw. vertieft, soweit solche bereits existierten. Mehrere konkrete Fälle sind in diesem Bericht dokumentiert.
9. In meinem Reformprogramm habe ich außerdem empfohlen, daß die Mitgliedstaaten eine Reihe von institutionellen Praktiken verbessern oder reformieren sollten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Im wesentlichen hat die Generalversammlung beschlossen, die Behandlung dieser Fragen zurückzustellen oder sie auf der dreiundfünfzigsten Tagung fortzusetzen. So steht noch die Billigung des Vorschlags aus, alle neuen Mandate zeitlich genau zu befristen, ein relativ einfaches Verfahren, das die Wirksamkeit der Programmtätigkeiten und die von der Generalversammlung selbst wahrgenommene Aufsichtsfunktion erheblich verbessern würde. Der Vorschlag zur Schaffung eines ergebnisorientierten Haushaltssystems wird ebenfalls noch geprüft. Diese Initiative ist von allergrößter Wichtigkeit, weil sie wie keine andere Maßnahme zur Erhöhung der Rechenschaftspflicht und der Effizienz der Organisation beitragen würde. Die Mitgliedstaaten setzen sich zur Zeit außerdem auch noch mit den Einzelheiten des vorgeschlagenen Entwicklungskontos auseinander, eines Instruments, mit dessen Hilfe Einsparungen aufgrund von Effizienzsteigerungen im administrativen Bereich in innovative Entwicklungsprojekte investiert würden.
10. Zuletzt habe ich als Teil der Bemühungen zur Neubelebung der Vereinten Nationen besondere Anstrengungen unternommen, um mit der internationalen Geschäftswelt einen für beide Seiten nützlichen Dialog aufzunehmen. Die Geschäftswelt hat ein Interesse an der "weichen" Infrastruktur, die das System der Vereinten Nationen schafft - den Regeln, Normen und besten Verfahrensweisen, von denen der reibungslose Ablauf internationaler Transaktionen abhängt. Darüber hinaus weiß die Geschäftswelt es immer mehr zu schätzen, daß die Tätigkeit der Vereinten Nationen zugunsten des Friedens, der Menschenrechte und der Entwicklung mit dazu beiträgt, jene stabilen Grundlagen zu schaffen, die im Interesse erweiterter Chancen in ihrem eigenen Bereich gegeben sein müssen. Die Vereinten Nationen wiederum wissen es zu schätzen, daß die Geschäftswelt über das Kapital, die Technologien und das Fachwissen verfügt, die notwendig sind, um das wirtschaftliche Wachstum zu beleben, und wissen auch, daß sie mit der von ihr vertretenen Haltung und ihrer Kooperationsbereitschaft die Aussichten einer Vielzahl anderer Zielsetzungen entscheidend beeinflussen kann. Die Ausgangsbasis dieses Dialogs ist demnach meine Überzeugung, daß die Ausweitung der Märkte und die Sicherheit des Menschen Hand in Hand gehen können und sollten.
11. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftswelt entspricht den seit langem bestehenden, immer engeren Arbeitsbeziehungen, die die Vereinten Nationen mit den nichtstaatlichen Organisationen unterhalten. Ob auf dem Gebiet der Menschenrechte, der Umwelt, der Entwicklung, der humanitären Hilfe oder der Rüstungsbegrenzung sind die nichtstaatlichen Organisationen unverzichtbare Partner bei den Bemühungen der Vereinten Nationen auf Landesebene, und in manchen Fällen selbst auf grundsatzpolitischer Ebene. Kurz, die Vereinten Nationen sind zugleich Zeuge des Entstehens einer globalen Zivilgesellschaft und wirken selbst daran mit.
12. Nicht lange, nachdem ich der Generalversammlung im Sommer 1997 meine Reformagenda vorgeschlagen hatte, kündigte Ted Turner, der Ko-Vorstandsvorsitzende der Time Warner Inc., seine außerordentliche Schenkung von 1 Milliarde US-Dollar zur Unterstützung von Programmen der Vereinten Nationen an. Nie zuvor in der Geschichte der Philanthropie war für diesen oder einen anderen Zweck eine einzelne Schenkung dieser Größenordnung gemacht worden. Die erforderlichen institutionellen Vorkehrungen für die Verwaltung dieser Schenkung sind nunmehr getroffen, und die Zuteilung des ersten Pakets von Zuschüssen in einer Höhe von insgesamt etwa 22 Millionen Dollar wurde vorgenommen. Bei der Mehrzahl der in dieser ersten Runde finanzierten Projekte handelt es sich um Projekte auf den Gebieten Gesundheit von Kindern, Familienplanung und reproduktive Gesundheit sowie Umwelt- und Klimaänderungen. Im Rahmen des Sekretariats wurde der Fonds der Vereinten Nationen für internationale Partnerschaften eingerichtet, der die Zuschußzuteilung verwalten und sicherstellen soll, daß sie auch in Zukunft voll mit den Prioritäten der Organisation in Einklang steht.
13. Diese beispiellos großzügige Geste stellt den Vereinten Nationen nicht nur neue und zusätzliche Mittel für ihre Tätigkeit zugunsten der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen der Welt und der fragilen lebenerhaltenden Systeme unseres Planeten zur Verfügung, sie ist auch Ausdruck eines gänzlich neuen Phänomens: des aufkeimenden Gefühls, Bürger der Welt zu sein und globale Verantwortung zu tragen.
14. Ein weiteres Zeichen für den auf der Weltbühne stattfindenden Wandel war im vergangenen Jahr auch der Abschluß der Verhandlungen über das Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen sowie über das Statut des Internationalen Gerichtshofs. In beiden Fällen führten die Regierungen die eigentlichen Verhandlungen, und Gruppen sogenannter "gleichgesinnter Staaten" ermöglichten durch die von ihnen gewährte grundlegende Unterstützung die Annahme dieser Rechtsinstrumente. In beiden Fällen kam in gänzlich neuer Form die Macht des einfachen Menschen zum Ausdruck: Einzelne und Gruppen, beflügelt durch humanitäre und Menschenrechtsanliegen, verbunden durch das Internet und unterstützt durch die öffentliche Meinung in der ganzen Welt.
15. Eine der größten Herausforderungen, der wir uns als Staatengemeinschaft gegenübersehen, besteht darin, die neuen sozioökonomischen Kräfte und Formen der Globalisierung besser zu verstehen, sie so zu gestalten, daß sie unseren Bedürfnissen dienen, und ihren schädlichen Folgen wirksam entgegenzutreten. Es wird heutzutage häufig gesagt, daß die Welt ein Dorf geworden sei. Wenn dieses Dorf für uns alle auf diesem Planeten wirklich ein angenehmer Ort sein soll, dann muß es von dem umfassenderen Rahmen gemeinsamer Wertvorstellungen und Grundsätze umschlossen sein und Halt bekommen, dann muß es in gestärkter und berechenbarer Weise seine Überwachungs- und Sicherheitsfunktionen wahrnehmen und sonstige öffentliche Güter bereitstellen und dann muß gewissermaßen eine Brücke geschlagen werden zwischen dem Dow-Jones-Aktienindex und dem Index der menschlichen Entwicklung.
16. Keine Organisation in der Welt ist besser geeignet, einen Beitrag zu diesen Zielen zu leisten als die Vereinten Nationen, da keine über eine Reichweite und Legitimität verfügt, die der ihren vergleichbar ist; wenn wir jedoch weiter voranschreiten wollen, müssen wir alten Ballast abwerfen und neue Leitvorstellungen und Wege ersinnen, um diese Ziele zu erreichen. Wir haben die ersten entscheidenden Schritte in diesem Wandlungsprozeß getan, aber es liegt noch eine weite Strecke vor uns, bis wir eine wahrhaft effektive Organisation des 21. Jahrhunderts geworden sind. In den zwei Jahren bis zur Millenniums-Generalversammlung werde ich die Auffassungen der Mitgliedstaaten, der Akteure der Zivilgesellschaft und anderer interessierter Gruppen und Einzelpersonen darüber einholen, welchen Weg wir beschreiten sollten, um zu diesem Ziel zu gelangen.
Herbeiführung von Frieden und Sicherheit
17. In den vergangenen zwölf Monaten blieb die Welt glücklicherweise von großräumigen regionalen Konflikten verschont. Viele örtlich begrenzte Kriege dauerten jedoch an, und es sind neue ausgebrochen, darunter zum ersten Mal in diesem Jahrzehnt ein Krieg zwischen zwei Nachbarstaaten, nämlich Äthiopien und Eritrea, um Gebietsansprüche. Die internationale Gemeinschaft konnte zwar einige wichtige Erfolge verzeichnen, wie beispielsweise die Wiedereinsetzung der demokratisch gewählten Regierung in Sierra Leone, doch ist der Frieden in vielen Teilen der Welt nach wie vor nicht stabil. Darüber hinaus zeigen Friedensprozesse in mehreren Regionen, so auch einige, für die die Vereinten Nationen über lange Zeit hinweg umfangreiche Ressourcen aufgewendet haben, bedenkliche Auflösungserscheinungen.
18. Sorge bereiten vor allem die mangelnden Fortschritte im Nahost-Friedensprozeß; die Unruhen in Afghanistan; die Eskalation der Gewalt im Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien); der im Sudan wütende Bürgerkrieg; die anhaltende Instabilität und Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo und im übrigen ostafrikanischen Zwischenseengebiet sowie das Wiederaufflammen des Bürgerkriegs in Angola. Unsere Bemühungen in Angola erlitten einen schweren Rückschlag, als mein Sonderbeauftragter, Alioune Blondin Beye, und sieben weitere Personen bei einem tragischen Flugzeugabsturz am 26. Juni 1998 ums Leben kamen. Auch die zunehmenden Spannungen zwischen Indien und Pakistan wegen Kaschmir und anderer Fragen geben großen Anlaß zur Sorge, ebenso wie die Pattsituation im Friedensprozeß in Zypern.
19. Der Abschluß des Übereinkommens von Ottawa über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung Ende 1997 war eine beispiellose Leistung. Bis zum 31. Juli 1998 war das Übereinkommen von 128 Ländern unterzeichnet und von 30 ratifiziert worden. Es wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Mehrere wichtige Staaten sehen sich jedoch noch außerstande, es zu unterzeichnen, und die Kombattanten mehrerer Kriege setzen diese barbarischen Waffen nach wie vor ein. Selbst dort, wo dies nicht mehr der Fall ist, liegen noch immer Millionen von Minen, die in früheren Jahren verlegt worden waren. Sie werden noch jahrzehntelang unschuldige Männer, Frauen und Kinder töten oder verstümmeln.
20. Desgleichen hat das im Juli in Rom verabschiedete Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, ein Meilenstein auf dem langen, steinigen Weg zur Bestrafung und Verhinderung von Kriegsverbrechen, noch nicht weltweite Akzeptanz erlangt. Selbst im günstigsten Fall wird es noch einige Jahre dauern, bis der Gerichtshof mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben beginnen kann. Inzwischen gehen aus vielen Teilen der Welt weiterhin Meldungen über beklagenswerte Akte der Brutalität ein, deren Täter nur allzu oft ungestraft bleiben.
21. Auch die Gefahr der Auslöschung der Menschheit durch einen Atomkrieg ist noch nicht gebannt. Wir befinden uns nachgerade an einem entscheidenden Punkt in der Geschichte der Anstrengungen zur Verminderung dieser Gefahr. Die Erfolge der vergangenen Jahre, wie die unbefristete Verlängerung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die Unterzeichnung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen, wurden dieses Jahr durch den Beschluß von zwei Nicht-Unterzeichnerstaaten, nämlich Indien und Pakistan, unterirdische Nuklearversuche durchzuführen, in Frage gestellt. Dadurch haben sich die Spannungen zwischen diesen beiden Ländern verschärft, und die Welt wurde auf deprimierende Weise daran erinnert, daß die Nichtverbreitung von Kernwaffen nicht als gegeben angesehen werden kann.
22. Kaum weniger beunruhigend ist die von chemischen und biologischen Waffen ausgehende Bedrohung. In diesem Zusammenhang kann ich erfreulicherweise berichten, daß im vergangenen Jahr weitere Staaten auf die Entwicklung und den Einsatz chemischer Waffen verzichtet haben, während das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen allmählich durch die Anstrengungen zur Ausarbeitung eines Verifikationsprotokolls gestärkt wird. Doch stellt die Tatsache, daß einige Staaten solche Waffen möglicherweise heimlich lagern oder entwickeln, nach wie vor eine ernste Bedrohung des Weltfriedens dar.
23. Im Februar hielt die Welt den Atem an, als Irak allem Anschein nach entschlossen war, die Einhaltung seiner Abrüstungsverpflichtungen zu verweigern, und sich einige Mitgliedstaaten auf einen militärischen Einsatz zu ihrer Durchsetzung vorbereiteten. Ein Krieg wurde nur durch rechtzeitige Kollektivmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft abgewendet.
24. Die Vereinbarung, die der Stellvertretende Ministerpräsident Iraks, Tariq Aziz, und ich am 23. Februar 1998 unterzeichnet haben, war ein eindrucksvolles Beispiel vorbeugender Diplomatie. Wenn sie voll umgesetzt würde, wäre dies ein wertvoller Präzedenzfall, der beweisen würde, daß die Weltgemeinschaft durch gemeinsames Vorgehen einen Konflikt tatsächlich verhüten kann, wie dies den Gründern der Vereinten Nationen vorschwebte. Leider ist die Situation in Irak allem Anschein nach von einer Lösung noch immer weit entfernt.
25. In Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen werden wirksame Kollektivmaßnahmen gefordert, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen. Die Vereinten Nationen sollten sich daher unter anderem fest zur Konfliktverhütung verpflichten. Trotzdem wird noch immer zu wenig Nachdruck auf vorbeugende Maßnahmen gelegt und werden statt dessen große Beträge für Maßnahmen zur "Behebung" von Konflikten aufgewendet, wenn es für viele Opfer bereits zu spät ist.
26. Die Verhütung der Eskalation eines potentiellen Konflikts über die Gewaltschwelle hinaus erfordert eine frühzeitige Warnung vor potentiellen Krisensituationen, entsprechende Analysen, eine umfassende Präventionsstrategie sowie den politischen Willen und die Mittel, die zur Durchführung dieser Strategie erforderlich sind.
27. In einigen Fällen werden wirksame Maßnahmen zur Verhütung von Konflikten gerade dadurch verhindert, daß das Hauptaugenmerk bislang auf die von außen herangetragenen Bedrohungen der Sicherheit eines Staates gerichtet war. Heute sind wir uns dessen bewußt, daß auch viele andere Bedrohungen der menschlichen Sicherheit, wie beispielsweise Naturkatastrophen, Spannungen zwischen Volksgruppen und Menschenrechtsverletzungen, Konflikte hervorrufen können. Darüber hinaus muß der enge Zusammenhang berücksichtigt werden, der zwischen sozialer Gerechtigkeit, materiellem Wohlstand und Frieden besteht, wenn Maßnahmen so frühzeitig ansetzen sollen, daß lokale Konflikte nicht eskalieren und auf die internationale Bühne übergreifen.
28. Bei ihrer Tätigkeit auf Feldebene haben sich die Vereinten Nationen bereits ein neues, ganzheitliches Sicherheitskonzept zu eigen gemacht. Sie haben schrittweise immer umfassendere und besser integrierte Anstrengungen zur Armutsminderung und zur Förderung der Entwicklung und der Demokratisierung - einschließlich Wahlhilfe und Aufklärung über die Rolle des Bürgers im Staat - unternommen. Alle diese Anstrengungen können als vorbeugende Friedenskonsolidierung bezeichnet werden, da sie die Grundursachen vieler Konflikte angehen.
29. Wenn also die Sicherheit der Menschen unter anderem auch durch die wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Voraussetzungen für ihr Wohlergehen und für Stabilität bestimmt wird, sollte dann nicht auch die Rolle des Sicherheitsrats ausgeweitet werden? Kann der Rat ernsthaft hoffen, daß die Konfliktverhütung zur Regel wird, statt die Ausnahme zu bleiben, wenn er sich nicht mit der gleichen Energie und Ernsthaftigkeit mit den den Frieden und die Sicherheit beeinflussenden wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen befaßt wie mit den politischen? Ein solcher Ansatz würde neue Formen der Zusammenarbeit zwischen dem Sicherheitsrat, der Generalversammlung und dem Wirtschafts- und Sozialrat sowie zwischen allen Organen der Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten voraussetzen.
30. Die Charta enthält eine ruhende Bestimmung, wonach der Wirtschafts- und Sozialrat dem Sicherheitsrat Auskünfte erteilen und ihn auf dessen Ersuchen unterstützen kann (Artikel 65). Da der Sicherheitsrat in zunehmendem Maße gefordert ist, sich mit wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Krisen zu befassen, die die weltweite Sicherheit bedrohen, könnte er erwägen, sich diesen Mechanismus zunutze zu machen. Dadurch könnte die Kommunikation und Koordinierung zwischen denjenigen Organen der Vereinten Nationen verbessert werden, die sich hauptsächlich mit wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Angelegenheiten befassen.
31. Die Diplomatie steht bei praktisch allem, was die Vereinten Nationen tun, so sehr im Mittelpunkt, daß ihr konkreter Beitrag manchmal übersehen wird. Dies gilt insbesondere für die erfolgreiche vorbeugende Diplomatie. Ein ehemaliger Untergeneralsekretär bemerkte einmal auf die Frage eines Fernsehproduzenten, wo er denn einen Film über Konfliktverhütung drehen könne, "wenn Sie es filmen können, hat es vermutlich nicht geklappt". Tatsächlich rückt ein Ereignis oft erst dann in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, wenn sich der Konflikt schon verhärtet hat; dadurch wird ein Kompromiß oft erschwert, da die führenden Politiker befürchten, daß öffentliche Zugeständnisse von den Gegnern als Schwäche und von den Verbündeten als Verrat ausgelegt würden. Manchmal bleibt jedoch keine andere Wahl. Meine Reise nach Bagdad im Februar 1998 war zweifellos ein Beispiel für vorbeugende Diplomatie, doch hätte ich sie niemals unbemerkt durchführen können.
32. Im vergangenen Jahr haben sich die Vereinten Nationen des öfteren unter schwierigen, manchmal gefährlichen Bedingungen in der viel Fingerspitzengefühl erfordernden Diplomatie zur Friedensschaffung engagiert, bei der Erfolge auf dem Gebiet der Konfliktverhütung meist unbemerkt bleiben. Ich habe herausragende, hochqualifizierte Diplomaten aus der internationalen Gemeinschaft und aus den Vereinten Nationen zu meinen persönlichen Beauftragten in Situationen tatsächlicher oder potentieller Konflikte ernannt. Ihre Aufgaben reichten von der Sammlung von Informationen bis hin zur Vermittlung.
33. Während VN-Missionen bemerkenswerte Erfolge beschieden waren, gibt es natürlich einige Konflikte, in denen die Feindseligkeit so groß ist und das Mißtrauen so tief sitzt, daß trotz aller diplomatischen Anstrengungen kein Durchbruch erzielt werden kann. Dies war im vergangenen Jahr in Afghanistan der Fall. Trotz der in New York abgehaltenen Tagungen der Gruppe von acht betroffenen Ländern und der Anstrengungen, die die Sondermission der Vereinten Nationen in Afghanistan nach besten Kräften unternommen hat, verfolgen die kriegführenden afghanischen Parteien unter großen humanitären Kosten nach wie vor die militärische Option. Sie weigern sich außerdem, an einem sinnvollen Dialog mitzuwirken. In dieser Haltung werden sie bedauerlicherweise von ausländischen Mächten unterstützt und bestärkt.
34. Viele der heikelsten und schwierigsten diplomatischen Initiativen der Vereinten Nationen des vergangenen Jahres fanden in den Problemregionen Afrikas statt. Im Mai forderte ich die politische Führung in Burundi und Ruanda angesichts der fortdauernden Gewalt im ostafrikanischen Zwischenseengebiet nachdrücklich auf, sich verstärkt um die Herbeiführung eines tragfähigen Friedens, der nationalen Einheit und der Achtung der Menschenrechte zu bemühen.
35. Anfang dieses Jahres mußte ich die Ermittlungsgruppe der Vereinten Nationen wegen der hartnäckigen Verweigerung der Zusammenarbeit und der ständigen Drangsalierungen durch die Behörden aus der Demokratischen Republik Kongo abziehen. Ich habe die Regierungen der Region anschließend aufgefordert, die Feststellungen der Gruppe zur Kenntnis zu nehmen, in denen unter anderem die Möglichkeit aufgeworfen wird, daß es sich bei einigen der berichteten Menschenrechtsverletzungen um Völkermord gehandelt haben könnte. Außerdem wies ich darauf hin, daß es erheblicher internationaler Unterstützung bedarf, um die Region stabilisieren zu helfen.
36. Die Vereinten Nationen haben das ganze Jahr hindurch den Vermittler für Burundi, Mwalimu Julius Nyerere, unterstützt, und dank der Einrichtung des Büros meines Beauftragten in Nairobi wird die Organisation gleichzeitig besser in der Lage sein, in der gesamten Subregion vorbeugende Maßnahmen durchzuführen.
37. Was die strittige Osttimor-Frage betrifft, so wurden im Laufe des vergangenen Jahres echte Fortschritte erzielt, als es bei dem Treffen der Außenminister Indonesiens und Portugals, das ich im August in New York einberufen hatte, zu einem wichtigen Durchbruch kam. Zum ersten Mal seit 1975 besteht Hoffnung auf eine einvernehmliche Beilegung des Konflikts zwischen den Osttimoresen und Indonesien.
38. Anfang dieses Jahres wurde ein neues Politisches Büro der Vereinten Nationen auf Bougainville eingerichtet; es handelte sich dabei um die erste politische Mission der Vereinten Nationen im Südpazifik. Die stille Diplomatie zur Friedensschaffung wurde im vergangenen Jahr auch im Nahen Osten, in Südasien, in Angola, Kambodscha, Somalia, Westsahara und Zypern verfolgt.
39. Das größte Fingerspitzengefühl erfordert wohl die vorbeugende Diplomatie, die sich darum bemüht, eine Aussöhnung zwischen antagonistischen politischen Kräften in einem Land herbeizuführen, um so einen Konflikt zu verhüten oder beizulegen, der im Fall einer Eskalierung mit der Zeit zu einer unmittelbaren Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit werden könnte. Dies war der Zweck der Mission, die mich Ende Juni nach Nigeria führte. In solchen Fällen ist eine Einladung der Regierung des jeweiligen Mitgliedstaats eine unabdingbare Voraussetzung für unser Tätigwerden.
40. Eine weitere heikle Aufgabe hatte die Gruppe namhafter Persönlichkeiten, die im Juli und August auf mein Ersuchen hin nach Algerien gereist war, um Informationen einzuholen. Diese Mission erfolgte auf Einladung der Regierung Algeriens.
41. Da Konflikte gewöhnlich regionale oder lokale Ursachen haben, bin ich der Ansicht, daß die Regionalorganisationen für eine tragende Rolle bei der Frühwarnung und der vorbeugenden Diplomatie besonders geeignet sind. Daher bin ich im Geiste des Kapitels VIII der Charta bestrebt, zwischen diesen Organisationen und den Vereinten Nationen eine echte Partnerschaft mit einer strafferen und kostenwirksameren Arbeitsteilung aufzubauen. In diesem Jahr habe ich am Amtssitz der Organisation der afrikanischen Einheit in Addis Abeba ein Verbindungsbüro der Vereinten Nationen eingerichtet. Außerdem haben wir unsere Verbindungen mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa weiter konsolidiert. Im Juli habe ich die Leiter der Regionalorganisationen zu einem Treffen nach New York eingeladen, um zu erörtern, welche konkreten Maßnahmen wir zur Verbesserung unserer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Konfliktverhütung ergreifen können.
42. Die Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit den regionalen und subregionalen Organisationen veranschaulicht auch den engen Zusammenhang zwischen Friedenskonsolidierung, Entwicklung und Abrüstung. Die Vereinten Nationen waren den Mitgliedern des Ständigen beratenden Ausschusses der Vereinten Nationen für Sicherheitsfragen in Zentralafrika bei ihren Bemühungen um die Konsolidierung des Friedens und der Sicherheit in dieser Subregion behilflich. Darüber hinaus bildete das Regionalzentrum der Vereinten Nationen für Frieden und Abrüstung in Asien und im Pazifik ein wertvolles Forum für Tagungen über regionale vertrauen- und sicherheitbildende Maßnahmen. Ich vertraue darauf, daß der vor kurzem gefaßte Beschluß, die Regionalzentren in Lomé und Lima zu stärken, in ganz Afrika und Lateinamerika zu ähnlichen Aktivitäten führen wird.
43. Die Friedenssicherung kann ein wertvolles Instrument zur Konfliktverhütung sein. Allerdings werden Friedenssicherungstruppen im allgemeinen erst nach Ausbruch eines Konflikts oder während eines solchen, meist im Rahmen einer Waffenruhevereinbarung, disloziert. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, ein Wiederaufflammen der Gewalt zu verhindern. Von dort ist es jedoch nur ein kleiner Gedankensprung zur Dislozierung von Truppen, die von vornherein den Ausbruch von Gewalt in Situationen verhindern sollen, in denen eine solche Gefahr offensichtlich gegeben ist. Leider stoßen vorbeugende Einsätze auf viele politische Hindernisse. In der Regel überzeugt nur der Anblick tatsächlicher Gewalt mit all ihren tragischen Folgen die Konfliktparteien, potentiell truppenstellende Staaten und den Sicherheitsrat von der Nützlichkeit oder Notwendigkeit der Dislozierung einer Friedenssicherungstruppe.
44. Ende 1992 faßte der Sicherheitsrat jedoch zum ersten Mal den Beschluß, vorbeugend eine Präsenz der Schutztruppe der Vereinten Nationen in der ehemaligen jugoslawischen Republik Makedonien einzurichten. Die dann eingesetzte Präventiveinsatztruppe der Vereinten Nationen (UNPREDEP) ist nach wie vor das einzige Beispiel für eine rein präventive VN-Friedenssicherungstruppe. Dieses Experiment ist insofern als Erfolg zu betrachten, als trotz der beträchtlichen Spannungen zwischen dem Land und seinen Nachbarstaaten sowie zwischen den verschiedenen Volksgruppen der Republik ein Krieg in der ehemaligen jugoslawischen Republik Makedonien bisher vermieden werden konnte. Zwar kann niemand garantieren, daß dieser vergleichsweise günstige Zustand von Dauer sein wird, doch hat die Anwesenheit der UNPREDEP zweifellos eine positive Wirkung, da sie mit dazu beiträgt, die Spannungen im Lande und in der umliegenden Region zu entschärfen. Die dieses Jahr im Kosovo aufgetretene Krise hat noch klarer gezeigt, welche wichtige Rolle die UNPREDEP bei der Erhaltung der Stabilität spielt. Ich freue mich daher, berichten zu können, daß der Sicherheitsrat am 21. Juli 1998 auf meine Empfehlung hin beschlossen hat, die Truppenstärke der UNPREDEP zu erhöhen und ihr derzeitiges Mandat um einen am 28. Februar 1999 endenden Zeitraum von sechs Monaten zu verlängern.
45. In dem Bild, das ich mir von den Vereinten Nationen mache, steht die Abrüstung ziemlich im Mittelpunkt ihrer Mission auf dem Gebiet des Friedens und der Entwicklung. Umso mehr freut es mich daher, daß die Generalversammlung meine Entscheidung unterstützt hat, die Hauptabteilung Abrüstungsfragen unter Leitung eines Untergeneralsekretärs wieder einzurichten. Außerdem ist die Versammlung meiner Empfehlung gefolgt, sie möge die Tätigkeit der Abrüstungskommission und des Ersten Ausschusses im Hinblick auf deren Aktualisierung, Neubelebung und Straffung überprüfen. Sobald diese Aufgabe abgeschlossen ist, werden die Reformvorschläge für den Abrüstungssektor der Organisation voll umgesetzt sein.
46. Die wichtigste Aufgabe der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet ist die Normsetzung und die Stärkung und Konsolidierung der multilateralen Abrüstungsgrundsätze. Wenn wir uns ansehen, wie es im Laufe des vergangenen Jahres um diese Grundsätze, Normen und Verfahren stand, bietet sich uns ein uneinheitliches Bild.
47. Wir sind, was die Anstrengungen zur Verminderung der von den Kernwaffen ausgehenden Gefahr angeht, an einem Wendepunkt angelangt. Mit jeder Erhöhung der Zahl der Kernwaffenstaaten sind schwerwiegende Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit verbunden. Somit ist es außerordentlich wichtig, daß der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt den auf der Konferenz von 1995 der Vertragsparteien zur Überprüfung und Verlängerung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vereinbarten Zielen universal akzeptiert wird. Unter den positiven Entwicklungen dieses Jahres sind die Herausgabe der gemeinsamen Erklärung von acht Nationen zur Schaffung einer kernwaffenfreien Welt sowie die Einsetzung von zwei Ad-hoc-Ausschüssen in der Abrüstungskonferenz zu nennen. Der eine dieser Ausschüsse wird Verhandlungen zur Herbeiführung einer Einigung über wirksame internationale Vereinbarungen zur Sicherung der Nichtkernwaffenstaaten gegen den Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen führen; der andere wird einen Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Kernwaffen oder andere Kernsprengkörper aushandeln.
48. Die Überprüfung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen erfolgt nunmehr nach dem neuen Prozeß, und zwei Kernwaffenstaaten haben den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen ratifiziert. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr Anstrengungen unternommen, die bestehenden kernwaffenfreien Zonen, insbesondere in Afrika und in Südostasien, zu konsolidieren und auf die Schaffung einer weiteren solchen Zone in Zentralasien hinzuarbeiten.
49. Da allgemein erwartet wurde, daß die internationale Gemeinschaft konkrete Schritte in Richtung auf den weiteren Abbau der Kernwaffen unternehmen würde, stellten die von Indien und Pakistan durchgeführten unterirdischen Nuklearversuche eine höchst beunruhigende Entwicklung dar. Ich habe diese Staaten nachdrücklich aufgefordert, weitere Nuklearversuche zu unterlassen, dem Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen umgehend beizutreten, die Dislozierung von Kernwaffen zu unterlassen und ihre Kernwaffenentwicklungsprogramme sowie die Entwicklung von Flugkörpern, die als Trägermittel für Kernwaffen einsatzfähig sind, einzustellen.
50. Im Rahmen der Bemühungen um die Herbeiführung eines dauerhaften Friedens und einer bestandfähigen Entwicklung, insbesondere in Subregionen mit instabilen staatlichen Strukturen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Strom der Kleinwaffen einzudämmen, die unter der Zivilbevölkerung im Umlauf sind. Schätzungsweise 90 Prozent der von leichten militärischen Waffen getöteten oder verwundeten Menschen sind Zivilpersonen, und am erschütterndsten ist, daß 80 Prozent davon Frauen und Kinder sind.
51. Eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen, bestünde darin zu versuchen, zu einem weltweiten Konsens im Hinblick auf die Überwachung und Kontrolle unerlaubter Waffentransfers und ihrer Verbindungen zum Handel mit sonstiger Schmuggelware zu gelangen. Die Abhaltung einer Konferenz der Vereinten Nationen über alle Aspekte des unerlaubten Waffenhandels in naher Zukunft wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Im Jahr 1997 wurde das Interamerikanische Übereinkommen gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen, Munition, Sprengstoffen und sonstigem Wehrmaterial sowie den unerlaubten Handel damit unterzeichnet und so ein wesentlicher Mechanismus auf dem Gebiet der Rüstungsregelung geschaffen. Daneben begrüße ich die Initiative der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten zur Vorbereitung eines Moratoriums für die Einfuhr, die Ausfuhr und die Herstellung von Kleinwaffen.
52. Wenn wir unser Ziel auf dem Gebiet der Abrüstung erreichen wollen, dann reichen Anstrengungen zur Reduzierung des Waffenangebots allein nicht aus; mindestens ebenso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger ist die Reduzierung der Nachfrage nach diesen Waffen.
53. Das geänderte Protokoll II zu dem Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Verletzungen verursachen oder unterschiedslos wirken können - ein teilweises Verbot von Landminen - wird im Dezember 1998 in Kraft treten; das Übereinkommen von Ottawa über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung - ein umfassendes Verbot - wird voraussichtlich Anfang 1999 in Kraft treten. Es ist außerordentlich wichtig, daß dafür gesorgt wird, daß möglichst viele Staaten einem oder beiden Rechtsinstrumenten beitreten und daß die in der Abrüstungskonferenz geführten Verhandlungen über ein Exportverbot unterstützt werden.
54. Ferner erfüllt die Hauptabteilung Abrüstungsfragen eine entscheidende Funktion bei der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit, insbesondere bei der Einsammlung, Entsorgung und Vernichtung von Waffen und bei der Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten in die Zivilgesellschaft. Unsere Bemühungen müssen stets in den Gesamtrahmen der Tätigkeiten eingebettet sein, die die Vereinten Nationen durchführen, um Konflikte zu verhüten und beizulegen und Kulturen aufzubauen, die Gewalt ablehnen.
55. Schließlich wäre eine umfassendere Verpflichtung zu größerer Offenheit und Transparenz in militärischen Angelegenheiten ein wertvoller Beitrag zur Vertrauensbildung und zur Schaffung von Sicherheit auf niedrigerem Rüstungsniveau. Zwei Rechtsakte dienen bereits diesem Zweck: das Register der Vereinten Nationen für konventionelle Waffen und das internationale System für die standardisierte Berichterstattung über Militärausgaben. Mir ist daran gelegen, daß sich die Mitgliedstaaten stärker und besser an diesen beiden Rechtsakten beteiligen, und ich werde alles tun, um ihnen dabei in jeder erdenklichen Weise behilflich zu sein.
56. Während des vergangenen Jahres konnte ich mit Genugtuung feststellen, daß die internationale Gemeinschaft ihre Hemmungen vor dem Einsatz der Friedenssicherungskapazität der Organisation zu überwinden beginnt. Der Sicherheitsrat hat zwei neue Einsätze genehmigt, nämlich die Mission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik (MINURCA) und die Beobachtermission der Vereinten Nationen in Sierra Leone (UNOMSIL).
57. Die Friedenssicherung der Vereinten Nationen bietet eindeutig bestimmte einzigartige Vorteile, die es sonst nirgendwo gibt, namentlich die Universalität ihres Mandats und die Bandbreite ihrer Erfahrungen. Wenn man weiß, daß der Sicherheitsrat willens ist, neue Friedenssicherungseinsätze zu genehmigen, wann immer und für wie lang auch immer sie notwendig sind, so wird dies nicht nur zur Stärkung der Anstrengungen der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Konfliktverhütung, sondern auch zu ihrer umfassenderen Tätigkeit im Bereich der Friedensschaffung und der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit beitragen.
58. Fünfzig Jahre nach der Aufstellung des ersten Friedenssicherungseinsatzes der Vereinten Nationen leisten derzeit etwa 14.500 Militär- und Polizeikräfte unter der Flagge der Vereinten Nationen Dienst bei Missionen in der ganzen Welt. Die Friedenssicherung wird nach wie vor den sich wandelnden Bedürfnissen angepaßt, und die Zusammenarbeit mit den Regionalorganisationen ist dabei heute ein wichtiger Aspekt. Wenngleich vorsichtig und kritisch vorgegangen werden muß, bevor ein Beschluß zu einem gemeinsamen Einsatz gefaßt wird, so können doch im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit die Legitimität, der Sachverstand und die Ressourcen der Weltorganisation durch die Motivation und das Wissen der lokalen Akteure bereichert werden.
59. Am Amtssitz hat die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze ihre Bemühungen um die Stärkung der Schnelleingreifkapazität der Vereinten Nationen fortgesetzt. Bei der Ausarbeitung des VN-Systems der Verfügungsbereitschaftsabkommen wurden im vergangenen Jahr einige Fortschritte erzielt. Das System umfaßt nunmehr 74 Mitgliedstaaten, die dafür über 100.000 Mann zugesagt haben. Ich freue mich besonders über das zunehmende Interesse der afrikanischen Staaten an diesen Entwicklungen. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten beschäftigt sich die Hauptabteilung nach wie vor mit der Verbesserung der Kapazität Afrikas auf dem Gebiet der Friedenssicherung.
60. Im Zusammenhang mit dem System der Verfügungsbereitschaftsabkommen hatte ich die Ehre, im September 1997 in Kopenhagen an der Eröffnung des Amtssitzes der sofort verfügungsbereiten Brigade der Vereinten Nationen teilzunehmen. Außerdem habe ich die Mittel zur Finanzierung der erforderlichen Dienstposten für einen schnell dislozierbaren Missionsstab beantragt, aber noch nicht erhalten.
61. Insgesamt ist die Zahl der Friedenssicherungskräfte im Feld seit Beginn der neunziger Jahre infolge des Auslaufens mehrerer großer VN-Einsätze zurückgegangen. Die Anzahl der VN-Friedenssicherungseinsätze hingegen ist im vergangenen Jahr von 15 auf 17 angestiegen: sechs davon in Europa, vier im Nahen Osten, vier in Afrika, zwei in Asien und ein Einsatz in der Region Amerika. Unter der Schirmherrschaft der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten unterhalten die Vereinten Nationen darüber hinaus eine Mission in Guatemala, die sich mit den Menschenrechten und der Reform des Justizwesens befaßt.
62. Ich habe schon in der Vergangenheit betont, daß es eines Mechanismus bedarf, durch den die Sanktionen zu einem weniger harten, dafür aber wirksameren Instrument werden. Ich freue mich daher, daß das Konzept der "intelligenten Sanktionen", bei denen eher auf die Regierungen Druck ausgeübt wird als auf die Bevölkerung und so die humanitären Kosten gesenkt werden, bei den Mitgliedstaaten auf zunehmendes Interesse stößt. Das zunehmende Interesse an zielgerichteteren Sanktionen kam bei den jüngsten Maßnahmen zum Ausdruck, die der Sicherheitsrat gegen die Militärjunta in Sierra Leone und gegen die União Nacional para a Independência Total de Angola (UNITA) in Angola ergriffen hat.
63. Resolutionen, mit denen bindende Maßnahmen verhängt werden, sollten sich auch mit humanitären Ausnahmeregelungen und mit den Problemen von Drittstaaten befassen. Obwohl in den vom Sicherheitsrat eingerichteten Sanktionsregimen normalerweise humanitäre Ausnahmeregelungen vorgesehen sind, haben einige für die Überwachung der Anwendung der Menschenrechtsübereinkünfte zuständige Organe nachdrücklich darauf hingewiesen, daß solche Regime auch konkrete Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte schwächerer Gesellschaftsgruppen enthalten müssen. Der Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat dafür plädiert, daß solche Erwägungen bei der Ausarbeitung eines Sanktionsregimes voll berücksichtigt werden; daß während der ganzen Zeit, in der sich die Sanktionen in Kraft befinden, wirksame Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden; und daß die Stelle oder Stellen, die für die Verhängung, die Aufrechterhaltung oder die Durchführung der Sanktionen zuständig sind, Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, daß die schwächeren Gesellschaftsgruppen im Zielland unverhältnismäßig darunter leiden. In eine ähnliche Richtung ging der Hinweis des Ausschusses für die Rechte des Kindes, daß Sanktionen unter bestimmten Umständen die Verwirklichung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes behindern können.
64. Die internationale Gemeinschaft darf sich keine falsche Hoffnung machen, daß es leicht sein wird, die auf humanitärem Gebiet und auf dem Gebiet der Menschenrechte verfolgten Grundziele mit den Zielen eines Sanktionsregimes in Einklang zu bringen. Es kann gar nicht genug betont werden, daß Sanktionen ein Werkzeug der Rechtsdurchsetzung sind und daß sie, wie andere solche Methoden auch, Schaden anrichten. Dies sollte sowohl bei der Beschlußfassung über ihre Verhängung als auch bei der späteren Bewertung ihrer Ergebnisse bedacht werden.
65. Die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit umfaßt integrierte und koordinierte Maßnahmen zur Bewältigung der tieferen Ursachen der Gewalt, gleichviel ob politischer, rechtlicher, institutioneller, militärischer, humanitärer, menschenrechtlicher, ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer, kultureller oder demographischer Natur, und zur Schaffung der Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden. Die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit kann als eine langfristige Strategie zur Verhütung von Konflikten angesehen werden. Da Konflikte unterschiedliche Ursachen haben, müssen auch die Maßnahmen der Vereinten Nationen auf die jeweilige Situation zugeschnitten sein, damit sie den Friedensprozeß stärken, so daß er nicht mehr umkehrbar ist. Es gibt kein Standardmodell für die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit.
66. Der größte und wohl wichtigste Friedenskonsolidierungseinsatz der Vereinten Nationen findet in Guatemala statt, doch führt die Organisation auch in anderen Ländern friedenkonsolidierende Maßnahmen durch, namentlich in Sierra Leone, wo sie Überwachungsfunktionen in bezug auf Menschenrechtsverletzungen wahrnehmen und der Regierung bei der Erfüllung ihrer Entwaffnungs- und Demobilisierungsaufgaben behilflich sind, sowie in Liberia, wo die Vereinten Nationen ihr erstes Büro zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung eingerichtet haben.
67. Damit gewährleistet ist, daß das System der Vereinten Nationen und seine Partner die komplexen Herausforderungen der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit wirksam angehen, habe ich die Hauptabteilung Politische Angelegenheiten in ihrer Eigenschaft als Einberuferin des Exekutivausschusses für Frieden und Sicherheit zur Koordinierungsstelle der Vereinten Nationen für diese so wichtige Tätigkeit bestimmt. Ich hoffe, daß der Erste Ausschuß seine Tätigkeit bald nach ähnlichen Gesichtspunkten rationalisieren wird.
68. Eine bedeutsame Entwicklung im Laufe des vergangenen Jahres war der Anstieg der Zivilpolizeieinsätze nach dem Abzug des Militärpersonals. Solche Einsätze wurden in Bosnien und Herzegowina, in Kroatien und in Haiti durchgeführt und könnten sich bei anderen Konfliktfolgesituationen, wie beispielsweise in Angola, als sehr nützlich erweisen. Diese Entwicklung läßt das wachsende Interesse erkennen, das der Rolle von Friedenssicherungseinsätzen beim Aufbau von Menschenrechts-, Rechtsvollzugs- und anderen Institutionen und somit bei der Stärkung der Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden entgegegengebracht wird.
69. Man ist sich immer mehr darüber im klaren, daß alle Aspekte der Unterstützung, die von Konflikten heimgesuchte Länder vom Ausland erhalten, sei es politische oder humanitäre Hilfe oder Hilfe auf dem Gebiet der Entwicklung oder der Menschenrechte, miteinander verknüpft werden müssen. Dabei ist die Mitwirkung der Geberregierungen, der Regierungen der Gaststaaten und der nichtstaatlichen Organisationen unerläßlich. Der Verwaltungsausschuß für Koordinierung hat durch die Erstellung des neuen strategischen Rahmenkonzepts kohärentere Strategien für die Friedenskonsolidierung entwickelt. In diesem Rahmenkonzept sind die Grundsätze, Ziele und institutionellen Regelungen festgeschrieben, die für die Aufstellung einer kohärenten, wirksamen und integrierten politischen Strategie und eines ebensolchen Hilfsprogramms notwendig sind. Es bietet ein gemeinsames Werkzeug für die Aufzeigung, die Analyse und die Festlegung der Priorität der wichtigsten Fragen und Tätigkeiten, auf der Grundlage gemeinsamer Grundsätze und Ziele. Dieses Rahmenkonzept umfaßt die gesamte Bandbreite der Kerntätigkeiten der Vereinten Nationen in einem bestimmten Land, sei es auf politischem oder humanitärem Gebiet oder auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Entwicklung.
70. Die Einteilung in Konfliktverhütung, Friedensschaffung, Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit ist zwar noch immer nützlich, doch ist man sich heutzutage weitgehend dessen bewußt, daß die meisten Einsätze auf mehr als einem dieser Gebiete gleichzeitig tätig sind. Bei einigen Einsätzen (wie beispielsweise in Georgien und in Zypern) sind die Vereinten Nationen aktiv sowohl mit der Friedensschaffung als auch mit der Friedenssicherung befaßt. Bei anderen (wie beispielsweise in Sierra Leone und in Tadschikistan) wurde noch während der Friedenssicherungseinsätze mit der Planung der Friedenskonsolidierung begonnen. Diese mannigfaltigen Kombinationen sind zu begrüßen, lassen sie doch Verständnis für die Komplexität bestimmter Situationen und für die Notwendigkeit der Koordinierung eines breiten Spektrums von sicherheitfördernden Tätigkeiten erkennen.
71. Im Rahmen der Konfliktverhütung kommt der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten auf dem Gebiet der Frühwarnung, der vorbeugenden Diplomatie und der Friedensschaffung eine Schlüsselfunktion zu. Sowohl die Friedenssicherung als auch die Abrüstung können zur Konfliktverhütung beitragen. Aus organisatorischer Sicht befaßt sich die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze hauptsächlich mit logistischen und operativen Aufgaben, während sich die Hauptabteilung Abrüstungsfragen auf die diplomatischen, rechtlichen und technischen Aspekte der Waffen- und Rüstungsbegrenzung konzentriert. So gewährt die Hauptabteilung Abrüstungsfragen beispielsweise Unterstützung bei der Aushandlung internationaler Übereinkünfte über die Begrenzung oder das Verbot von Landminen, während die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze für die Maßnahmen zuständig ist, die an den eigentlichen Konfliktschauplätzen gegen Landminen unternommen werden. Beiden ist jedoch eine übergreifende politische Strategie als Rahmen für ihre Tätigkeit vorgegeben.
72. Wir sind uns heute mehr denn je der entscheidenden Verbindungen bewußt, die zwischen Armut, schlechter Staatsführung und Menschenrechtsverletzungen auf der einen und gewalttätigen Konflikten auf der anderen Seite bestehen. Wenn wir die Bedrohungen der menschlichen Sicherheit verringern wollen, müssen wir uns nicht nur mehr als bisher auf ihre tieferen Ursachen konzentrieren, sondern müssen auch dafür sorgen, daß die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organen und Organisationen der Vereinten Nationen und zwischen der Organisation und den Mitgliedstaaten verstärkt wird.
Entwicklungszusammenarbeit
73. Die Entwicklung stellt nach wie vor die größte Herausforderung in einer Welt dar, in der ein Fünftel der Menschen mit nur einem Dollar pro Tag auskommen muß, die Lebenserwartung eines Drittels aller Afrikaner bei etwas mehr als 40 Jahren liegt, beinahe 40 Prozent aller Frauen in den Entwicklungsländern Analphabetinnen sind und in Südasien mehr als die Hälfte aller Kinder im Alter von fünf Jahren untergewichtig ist und in der außerdem die asiatische Wirtschaftskrise allein in Indonesien etwa 50 Millionen Menschen in die Armut zurückzuwerfen droht. Diese krassen Verhältnisse existieren nach wie vor, obwohl die vergangenen fünfzig Jahre zu den längsten wirtschaftlichen Expansionphasen der Geschichte zählten.
74. Der Umfang der den Entwicklungsländern von außen gewährten Hilfe hingegen ist im Laufe dieses Jahrzehnts stetig zurückgegangen und beträgt nun 0,22 Prozent des Bruttosozialprodukts der Industrieländer beziehungsweise 0,19 Prozent des Bruttosozialprodukts der Gruppe der sieben großen Industriestaaten, zu der die reichsten Industrieländer gehören. Darüber hinaus gewähren die Geberländer immer häufiger zweckgebundene Hilfe, wobei nicht garantiert ist, daß ihre Präferenzen im Hinblick auf die Vergabe mit den Bedürfnissen der Empfänger im Einklang stehen. Ausländische Direktinvestitionen konnten den Rückgang an Hilfe nicht wettmachen. 1997 flossen nur 3 Milliarden Dollar in alle Länder Afrikas südlich der Sahara und 4 Milliarden Dollar nach Südasien. Gleichzeitig lastet auf vielen Entwicklungsländern, darunter einigen der ärmsten, nach wie vor ihre erdrückende Auslandsverschuldung.
75. Die Vereinten Nationen stellen jedes Jahr den relativ bescheidenen Gesamtbetrag von 5,5 Milliarden Dollar für Entwicklungshilfe zur Verfügung. Trotz ihrer begrenzten Ressourcen haben die Vereinten Nationen als Entwicklungsinstitution allerdings einzigartige Vorzüge. Dank ihres umfassenden Mandats, das sich über den wirtschaftlichen, den sozialen und den politischen Bereich erstreckt, können sie sektorübergreifende Konzepte für die Entwicklungszusammenarbeit entwickeln und in die Tat umsetzen, Nothilfe mit längerfristigen Entwicklungszielen verbinden und sicherstellen, daß die Friedensprozesse und die Anstrengungen zur Herbeiführung einer innerstaatlichen politischen Aussöhnung Unterstützung durch Fortschritte auf dem Gebiet der Entwicklung erhalten und diese ihrerseits ergänzen. Darüber hinaus kann die Organisation dank ihrer vielfältigen institutionellen Funktionen im gesamten Spektrum der Entwicklungszusammenarbeit, angefangen von der Normsetzung, der Analyse, und der Grundsatzpolitik bis hin zu den operativen Tätigkeiten, kohärent mitreden.
76. Das von mir im Laufe des vergangenen Jahres eingeleitete Reformprogramm baut auf dieser institutionellen Fähigkeit auf und hat auf dem Gebiet der Entwicklung bereits praktische Ergebnisse gezeitigt. Anfang 1997 wurde der Exekutivausschuß für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten geschaffen, um eine kohärente Politik bei allen Tätigkeiten der ihm angehörenden Organisationseinheiten im Wirtschafts- und Sozialbereich und auf damit zusammenhängenden Gebieten zu fördern. Er besteht aus der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten, die den Vorsitz führt, sowie aus den zuständigen Sekretariatsstellen, den Regionalkommissionen, der Universität der Vereinten Nationen und den entsprechenden Forschungsinstituten der Vereinten Nationen.
77. Der Exekutivausschuß hat sich einer Reihe bereichsübergreifender Problemstellungen angenommen. So hat er beispielsweise einen Vorschlag in bezug auf die Verwendung des Entwicklungskontos ausgearbeitet, den die Mitgliedstaaten prüfen werden, und ein langfristiges Projekt eingeleitet, durch das die von den VN- und Nicht-VN-Institutionen weltweit erstellten und verwendeten Entwicklungsindikatoren vereinheitlicht und ihre einheitliche Definition und Auslegung gewährleistet werden sollen. Der Ausschuß hat außerdem eine Überprüfung der wichtigsten Berichte im Sozial- und Wirtschaftsbereich in Auftrag gegeben und damit begonnen, gemeinsam mit der VN-Gruppe für Entwicklung Verbindungen zwischen normsetzenden und operativen Tätigkeiten im Entwicklungsbereich herzustellen. Eine Zusammenarbeit findet auch mit dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und mit anderen Organisationseinheiten der Vereinten Nationen statt, um das Konzept des Rechts auf Entwicklung sachlich zu untermauern.
78. Die Gruppe der Vereinten Nationen für Entwicklung, der das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), das Welternährungsprogramm (WFP) und andere auf diesem Gebiet tätige operative Organisationseinheiten angehören, erleichtert die gemeinsame Gestaltung der Grundsatzpolitik und die Entscheidungsfindung in Fragen der Entwicklungszusammenarbeit. Neue Managementwerkzeuge fördern die Zusammenarbeit und die Abstimmung der Abläufe.
79. Auf Landesebene war die Schaffung der Entwicklungshilfe-Programmrahmen der Vereinten Nationen die wohl bedeutsamste Entwicklung. Sie wurden gemeinsam von den Landesteams der Vereinten Nationen unter der Leitung des residierenden Koordinators der Vereinten Nationen und in enger Zusammenarbeit mit den Regierungen entwickelt und bieten einen neues strategisches Konzept für die Verwirklichung der auf den Weltkonferenzen der Vereinten Nationen vereinbarten Ziele und der einzelstaatlichen Entwicklungsprioritäten sowie für eine integrative Auseinandersetzung mit den vielfältigen Dimensionen der Armutsbekämpfung. Seit einem Jahr wird der Prozeß der Entwicklungshilfe-Programmrahmen in einem von der Gruppe der Vereinten Nationen für Entwicklung eingeleiteten Pilotprojekt in 18 Ländern erprobt. In zwei dieser Länder wird die Schnittstelle zwischen den Programmrahmen und der Länderunterstützungsstrategie der Weltbank im Hinblick auf die Förderung einer strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Institutionen untersucht. Die Pilotprojekte werden derzeit bewertet, und die daraus gewonnenen Erfahrungen werden in künftige Entwicklungshilfe-Programmrahmen einfließen.
80. Die Gruppe für Entwicklung hat das vom UNDP finanzierte und verwaltete System der residierenden Koordinatoren gestärkt. Neue Auswahlmethoden wurden eingeführt, damit mehr residierende Koordinatoren aus dem weiteren System der Vereinten Nationen und mehr Frauen in diese Funktion ernannt werden.
81. Die Einrichtung von "Häusern der Vereinten Nationen" auf Landesebene, in denen alle Programme, Fonds und Informationszentren der Vereinten Nationen in gemeinsam genutzten Räumlichkeiten zusammengefaßt sind, wird bei den VN-Mitarbeitern zu größerem Gemeinschaftsgefühl und größerer Zielkonsonanz beitragen und gleichzeitig effizienzsteigernd und in vielen Fällen kostensenkend wirken. 1997 wurden "Häuser der Vereinten Nationen" offiziell in Libanon, Lesotho, Malaysia und Südafrika eingerichtet. Etwa 30 weitere gemeinsam genutzte Grundstücke und Gebäude werden voraussichtlich bald zu "Häusern der Vereinten Nationen" bestimmt werden.
82. Die Exekutivausschüsse für Frieden und Sicherheit, für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten sowie für humanitäre Angelegenheiten arbeiten jetzt auf Gebieten wie bestandfähige Entwicklung, Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit, Nothilfeeinsätze, Verknüpfung humanitärer Hilfe mit Entwicklungszusammenarbeit und Förderung der Menschenrechte enger zusammen.
83. Mit diesen institutionellen Neuerungen wird besser auf die Bedürfnisse der Regierungen in der ganzen Welt eingegangen, die auf die Vereinten Nationen als Entwicklungspartner zählen.
84. Geleitet von den Ergebnissen ihrer großen Weltkonferenzen der neunziger Jahre, insbesondere des 1995 abgehaltenen Weltgipfels für soziale Entwicklung, haben die Vereinten Nationen die Beseitigung der Armut zu einer zentralen Querschnittsaufgabe ihrer Tätigkeit gemacht. Im Mai 1998 verabschiedete der Verwaltungsausschuß für Koordinierung, dem die Leiter aller Organe und Organisationen der Vereinten Nationen angehören, für das gesamte VN-System eine Verpflichtungserklärung zu Maßnahmen zur Beseitigung der Armut. Der Hauptzweck dieser Erklärung liegt darin, die Koordinierung und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilen des Systems der Vereinten Nationen, einschließlich der Bretton-Woods-Institutionen, zu verbessern und sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen, die auf alle wichtigen Dimensionen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut eingeht.
85. Im vergangenen Jahr waren die Vereinten Nationen etwa 100 Ländern bei der Ausarbeitung, Formulierung oder Umsetzung nationaler Armutsbekämpfungprogramme behilflich. Überprüfungen der bestehenden Strategien ergaben, daß in einigen wichtigen Bereichen Verbesserungen vorgenommen werden müssen. So ist es beispielsweise notwendig, daß die Armutsbekämpfungsmaßnahmen über die herkömmlichen Sozialsektor- und Sozialhilfeansätze hinausgehen, daß so kritische Fragen wie der Zugang zu Produktivvermögen angegangen werden, daß ein Dialog gefördert wird, der die staatlichen Institutionen, die Zivilgesellschaft und den Privatsektor einbezieht, und daß Gemeinwesen mit schwacher Ressourcenbasis und Haushalte mit geringem Vermögen als Zielgruppe angesprochen werden.
86. Ein beträchtlicher Teil, nämlich etwa 26 Prozent, der Ressourcen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen fließen heute direkt in die Armutsminderung. Die vom UNDP gewährte Hilfe umfaßt die Unterstützung bei der kartographischen Erfassung der Armutsverteilung, die Bewertung der einzelstaatlichen Kapazität zur Armutsminderung, die Aufstellung einzelstaatlicher Gesamt- und Einzelziele sowie die Prüfung öffentlicher Ausgaben, Grundsatzpolitiken, Verwaltungsstrukturen und -verfahren sowie die Mittelbeschaffung.
87. In der Überzeugung, daß die Armutsbeseitigung gezielt auf den Sozialsektor abstellen muß, haben die Vereinten Nationen der Verwirklichung der sogenannten 20/20-Initiative, die 1994 gemeinsam von dem UNDP, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), dem UNFPA, dem UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen wurde, hohen Vorrang eingeräumt. In dieser Initiative ist vorgesehen, daß die Regierungen und die Geberländer jeweils 20 Prozent ihres Staatshaushalts beziehungsweise ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe für grundlegende Sozialprogramme bereitstellen. Das UNICEF und das UNDP unterstützen auf Landesebene verstärkt Überprüfungen der Ausgaben auf dem Sozialsektor.
88. Zur Verwirklichung der Armutsbeseitigung ist auch die Senkung des hohen Frauenanteils unter den Armen erforderlich. Der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM) hat daher Pilotprojekte unterstützt, die die Wirtschaftsleistung der Frauen stärken sollen. Unterstützt werden auch Bemühungen, den Frauen besseren Zugang zu Krediten, Ausbildung und Technologie zu verschaffen, um so ihre einkommenschaffenden Tätigkeiten zu stärken. Der Fonds war einer der ersten, die darauf hingewirkt haben, daß die Politiken und Programme von Kleinstkreditinstituten den Faktor Geschlecht berücksichtigen. Die Programme des Fonds werden den Herausforderungen gerecht, die bei der Machtgleichstellung der Frau entstehen, indem sie Frauenorganisationen und Unternehmerinnenverbände besser befähigen, Verhandlungen über wirtschaftliche Fragen zu führen, und indem sie den Frauen Unterlagen für den Erwerb von Kenntnissen im Wirtschaftsbereich zur Verfügung stellen.
89. Armut ist eine der Hauptursachen des Hungers. Hunger wiederum ist die Ursache für den Teufelskreis der Armut, der sich über Generationen hinweg fortsetzt. Die Linderung des Hungers ist der erste Schritt zur Durchbrechung dieses Teufelskreises. 1997 flossen 93 Prozent der Nahrungsmittel-Entwicklungshilfe des Welternährungsprogramms den ärmsten Gemeinwesen und Haushalten in Ländern mit niedrigem Einkommen und Nahrungsmitteldefiziten zu, mehr als die Hälfte davon entfiel auf die am wenigsten entwickelten Länder. Die WFP-Projekte zielen darauf ab, armen hungrigen Menschen zu einem Existenzminimum zu verhelfen, mit dem sie sich selbst erhalten und somit wirksam an den regulären Entwicklungsprogrammen teilhaben können.
90. Das Welternährungsprogramm hat ferner für 22 afrikanische, 8 asiatische und 2 lateinamerikanische Länder Karten erstellt, auf denen Gebiete wirtschaftlicher und sozialer Schwäche erfaßt sind. Diese Karten geben die geographische Verteilung der Armut und der Nahrungsmittelunsicherheit wieder und tragen mit dazu bei, ihre Grundursachen sowie geeignete Antwortprogramme aufzuzeigen. Um sicherzustellen, daß die Armen auf Dauer Zugang zu Nahrungsmitteln haben, sorgt das WFP dafür, daß etwa 60 Prozent seiner Entwicklungsressourcen direkt den Frauen zugute kommen, und bezieht es die Frauen in die Verwaltung der Nahrungsmittelverteilung und in die Entscheidungsfindung mit ein.
91. Es wurden wichtige Maßnahmen ergriffen, um die Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde als ein Kernelement in die Strategien zur Armutsbekämpfung einzubeziehen und sicherzustellen, daß die ärmsten Menschen an den Entscheidungsprozessen in ihren Gemeinwesen teilhaben. Auf ihrer jüngsten Tagung hat die Menschenrechtskommission einen unabhängigen Sachverständigen ernannt, der den Zusammenhang zwischen der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte und extremer Armut bewerten soll. Das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte ist ein nachdrücklicher Befürworter von Mandaten, die im System der Vereinten Nationen das Verständnis für die unauflöslichen Zusammenhänge zwischen Entwicklung, Demokratie und den Menschenrechten fördern.
92. Auf dem Gebiet der sozialen Entwicklung wird zur Zeit ein breites Spektrum von normsetzenden und grundsatzpolitischen Aktivitäten durchgeführt. So laufen bereits die Vorbereitungen für eine Überprüfungskonferenz im Jahr 2000, auf der über die Umsetzung der 1995 auf dem Weltgipfel getroffenen Vereinbarungen Bilanz gezogen werden soll. Das UNDP hat einen Weltarmutsbericht fertiggestellt, der dokumentiert, welche Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele des Gipfels erzielt wurden bzw. welche Hindernisse es noch zu überwinden gilt.
93. Die Generalversammlung hat das Jahr 1999 zum Internationalen Jahr der älteren Menschen erklärt. Damit wollen die Vereinten Nationen erreichen, daß ältere Menschen am Leben ihrer Gemeinwesen größeren Anteil haben. Am anderen Ende des Generationenspektrums beriefen die Vereinten Nationen im August 1998 in Braga (Portugal) die dritte Tagung des Weltjugendforums ein, die zusammen mit dem portugiesischen Nationalen Jugendrat durchgeführt wurde, und im selben Monat fungierte die Regierung Portugals gemeinsam mit den Vereinten Nationen als Gastgeberin der Weltkonferenz der Jugendminister in Lissabon. Außerdem waren die Vereinten Nationen bestrebt, die Teilhabe von Behinderten an der Gesellschaft zu fördern. Etwa 70 Länder haben inzwischen Rechtsvorschriften erlassen oder Programme erstellt, die die Verwirklichung dieses Ziels voranbringen sollen.
94. Gesundheit und Sterblichkeit und ihr Zusammenhang mit der Entwicklung waren das Sonderthema der einunddreißigsten Tagung der Kommission für Bevölkerung und Entwicklung. Die Kommission rief zur Sammlung verläßlicherer und präziserer Sterblichkeitsdaten, zu Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene zur Ermittlung der Ursachen des in einigen Ländern zu beobachtenden Anstiegs der Sterblichkeitsrate unter Erwachsenen sowie zu verstärkten Anstrengungen zur Senkung der Sterblichkeit und zur Verbesserung der Gesundheit auf. Außerdem sind zur Zeit die Vorbereitungen für eine Sondertagung der Generalversammlung zur Weiterverfolgung der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung im Gang, die vom 30. Juni bis 2. Juli 1999 stattfinden wird.
95. Die mangelnde Gleichberechtigung der Frau und die Verletzungen ihrer Menschenrechte stellen nach wie vor ein großes Hindernis für die Entwicklung, die Demokratie und den Frieden dar. Inzwischen laufen die Vorbereitungen für die Tagung im Juni 2000, auf der die Generalversammlung auf hoher Ebene die Fortschritte prüfen wird, die bei der Umsetzung der Beschlüsse der Weltfrauenkonferenzen in Nairobi und Beijing erzielt wurden. Konzertierte Anstrengungen sind notwendig, damit das Ziel der universellen Ratifikation des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau bis zum Jahr 2000 erreicht wird und seine Durchsetzungsmechanismen gestärkt werden.
96. Auf operativer Ebene tragen das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und seine Partner dazu bei, daß Probleme, von denen Kinder betroffen sind, weltweit Aufmerksamkeit finden, wie beispielsweise die vielen Millionen Kinder, die unter Malaria und Mangelernährung leiden; die Not jener Kinder, die als Soldaten dienen, gefährliche Arbeiten verrichten oder Tätigkeiten ausüben, bei denen sie ausgebeutet werden; die Diskriminierung von Mädchen und jungen Frauen und die Gewalt, unter der sie zu leiden haben; die fast 600.000 jungen Mädchen und Frauen, die jedes Jahr unnötigerweise an mit Schwangerschaft und Geburt zusammenhängenden Komplikationen sterben; der schreckliche Tribut, den Hiv/Aids von jungen Menschen fordert; die vielen unerfüllten Bedürfnisse von Heranwachsenden und die immer tiefere Kluft zwischen Armen und Reichen.
97. Im vergangenen Jahr schenkte das Kinderhilfswerk der stärkeren Mitwirkung der Gemeinwesen an Kinder- und Familienbelangen größere Aufmerksamkeit. Dies war der ausschlaggebende Faktor bei den Erfolgen im Hinblick auf die Einschulung von mehr Mädchen und die Gewährleistung ihres weiteren Schulbesuchs. UNICEF-Programme wurden ausgeweitet, um nicht nur Säuglinge und Kleinkinder, sondern auch Heranwachsende und Jugendliche zu erfassen.
98. Wenn Entscheidungsträgern verläßliche Informationen an die Hand gegeben werden, kommt es eher zu wirksameren Unterstützungsmaßnahmen zugunsten von Kindern und Frauen. Infolgedessen hat das UNICEF in Zusammenarbeit mit mehreren anderen VN-Organisationen eine kostengünstige, schnelle und verläßliche Haushaltsumfragemethode, die Klumpenstichprobenerhebung mit multiplen Indikatoren, entwickelt, ein Verfahren zum Aufbau einzelstaatlicher Kapazitäten zur Verfolgung der zugunsten von Kindern erzielten Fortschritte. Solche Erhebungen wurden bisher in 60 Ländern durchgeführt.
99. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) wandte 1997 etwa 85 Prozent seiner Mittel für grundlegende soziale Dienste auf, die vor allem auf die ärmsten und sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet waren. Wesentliche Aktivitäten waren u.a. Sexualerziehung und Aufklärung über reproduktive Gesundheit, die Verbesserung der reproduktiven Gesundheitspraktiken von Jugendlichen und deren Anpassung an die Situation in dem jeweiligen Land und der jeweiligen Subregion; die Gewährung von Hilfe zur Verminderung der Müttersterblichkeit; die Gewährung von Nothilfe in Flüchtlingssituationen und die Unterstützung von Aktivitäten zur Verhütung von Hiv/Aids in etwa 132 Ländern. Aus Mitteln des Bevölkerungsfonds wurden auch Bevölkerungs- und Entwicklungsstrategien sowie Lobbyarbeit unterstützt. Es wurden eine Reihe von Indikatoren entwickelt, mit deren Hilfe die Fortschritte, der Vollzug und die Wirkung von Programmen gemessen werden können, die in den Kernprogrammgebieten des Fonds durchgeführt werden. Damit wurde ein erster wichtiger Schritt auf dem Wege zur Messung der Wirksamkeit seiner Aktivitäten getan.
100. Geschlechtsspezifische Fragen waren weiterhin ein übergreifendes Anliegen aller Programme, die der Bevölkerungsfonds unterstützt. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist auch ein Anliegen des Zentrums der Vereinten Nationen für Wohn- und Siedlungswesen (Habitat), das den gleichberechtigten Zugang zu Wohnraum, Grund und Boden und Krediten und im weiteren Sinne zu den Entscheidungsprozessen in der Ordnungspolitik im Siedlungswesen fördert. Durch Aufklärung und Lobbyarbeit trägt der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM) dazu bei, daß Frauen ihre Kenntnisse im Hinblick auf die Übernahme von Führungsaufgaben im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich verbessern, und er führt Schulungen für Frauenorganisationen durch, damit sie die Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau überwachen und fördern können.
101. Im Sekretariat der Vereinten Nationen setzt die Organisation alles daran, um die ihr aufgetragene Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter in die Tat umzusetzen. Bei der Anhebung der Zahl der im Höheren Dienst vertretenen Frauen wurden Fortschritte erzielt; in den herausgehobenen Positionen (D-2) stieg der Frauenanteil von 16 auf 22 Prozent an. Außerdem wurde ein System eingeführt, das strikter dafür sorgt, daß die Rechenschaftspflicht für die Erreichung der von der Generalversammlung verlangten zahlenmäßigen Gleichstellung der Geschlechter im Höheren Dienst den hochrangigen Führungskräften übertragen wird.
102. Das Gemeinsame und gemeinsam getragene Programm der Vereinten Nationen für Hiv/Aids (UNAIDS) bemüht sich, durch Lobbyarbeit auf der Grundlage solider fachlicher und aktueller Analysen weltweites Engagement und weltweite politische Unterstützung für die Verhütung und Behandlung von Hiv/Aids zu gewinnen. Das UNAIDS gab im Juni dieses Jahres, kurz vor der zwölften Weltkonferenz über Aids, seinen neuesten Report on the Global Hiv/AIDS Epidemic (Bericht über die weltweite Hiv/Aids-Epidemie) heraus. Außerdem tritt es für einen besseren Zugang zu den besten und wirksamsten Praktiken auf staatlicher und auf Gemeinwesenebene und für deren Anwendung ein. Das Programm hat bei der gemeinsamen Planung und Koordinierung von Programmen mit anderen Organisationen und beim Aufbau von Partnerschaften mit Gastländern sowie mit Akteuren der Zivilgesellschaft große Fortschritte erzielt. Gleichzeitig breitet sich die Hiv-Infektion in den meisten Regionen der Welt paradoxerweise weiter explosionsartig aus, und, was die Verhütung von Hiv/Aids betrifft, wird die Kluft zwischen armen und reichen Ländern immer tiefer. Dies führt dazu, daß die Lebenserwartung bei der Geburt in einigen Entwicklungsländern auf ein Niveau absinkt, das man seit dem vorindustriellen Zeitalter nicht mehr kennt, und daß die erreichte Steigerung der Überlebensrate von Kindern ausgelöscht wird.
103. Genau zwei Drittel aller Hiv/Aids-Infizierten leben in Afrika südlich der Sahara. Abgesehen von den tragischen menschlichen Folgen bedeutet dies eine immense zusätzliche Belastung für die ohnehin überforderten Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Zu den unmittelbaren wirtschaftlichen Kosten kommt noch hinzu, daß unverhältnismäßig viele junge Menschen und Menschen in den produktivsten Jahren ihres Berufslebens Hiv/Aids zum Opfer fallen und daß die Gesellschaft dadurch einen weiteren Teil ihres Reservoirs an Fähigkeiten verliert.
104. 1997 angestellten Schätzungen zufolge sind weltweit bereits etwa 12 Millionen Menschen an mit Hiv zusammenhängenden Ursachen gestorben, 30 Millionen Menschen leben mit Hiv/Aids und 5,8 Millionen Menschen haben sich neu infiziert - was bedeutet, daß jeden Tag 16.000 Neuinfektionen hinzukommen. Diese Statistiken sind umso besorgniserregender, als in vielen Industrieländern die Meinung vorherrscht, daß die "Aidskrise" vorbei sei. In den letzten zwei Jahren wurde in den entwickelten Ländern auf breiter Ebene eine antivirale Kombinationstherapie angewandt; da diese Medikamente jedoch so teuer und so schwierig zu verabreichen sind, haben die meisten mit Hiv infizierten Menschen in den Entwicklungs- und Übergangsländern dazu nach wie vor keinen Zugang.
105. Am Beispiel Thailands und Ugandas zeigt sich, daß die Hiv-Raten durch energische Hiv-Verhütungsprogramme maßgeblich gesenkt werden können. Uganda hat seine Hiv-Infektionsrate um über 25 Prozent gesenkt, Thailand um nahezu 15 Prozent - eine Verminderung, die sich durchaus mit derjenigen in den Industriestaaten vergleichen läßt. Die Verhinderung von Neuinfektionen ist letztlich das beste Mittel zur Abwendung der verheerenden Auswirkungen von Hiv; dies kann nur erreicht werden, wenn eine sorgfältig ausgewählte Kombination bereits erprobter Hiv-Verhütungsmethoden angewandt wird. Einige dieser Methoden fordern einen hohen politischen Preis, sind jedoch unverzichtbar, wenn nicht die bei der Armutsbekämpfung erzielten Erfolge durch dieses grausame Virus zunichte gemacht werden sollen.
106. Der synergetische Zusammenhang zwischen Umweltschutz und -regeneration auf der einen und Entwicklung und Armutsbekämpfung auf der anderen Seite ist spätestens seit der Verabschiedung der Agenda 21 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Jahre 1992 immer wieder hervorgehoben worden. Auf der im Juni 1997 abgehaltenen Sondertagung der Generalversammlung zur Bewertung der seit 1992 erzielten Fortschritte wurde dieser Zusammenhang bekräftigt. Der Verwaltungsausschuß für Koordinierung ist zur Zeit damit beschäftigt, die vereinbarten grundsatzpolitischen Maßnahmen in Aktivitäten des VN-Systems, insbesondere auf Landesebene, umzusetzen.
107. In Weiterverfolgung der 1997 abgehaltenen Konferenz von Kioto, der dritten Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, unterstützen das VN-Entwicklungsprogramm und die Globale Umweltfazilität zur Zeit etwa 100 Entwicklungsländer bei der Ausarbeitung einzelstaatlicher Lageberichte. Dieses auf 2,2 Millionen Dollar veranschlagte Projekt ist bereits durch Geberbeiträge in Höhe von 1,2 Millionen Dollar teilfinanziert. Mit diesem Projekt soll die Formulierung von Rechtsvorschriften vorangetrieben werden, die es den Staaten ermöglichen sollen, dieser großen globalen Herausforderung zu begegnen. Im Rahmen von Süd-Süd-Verbindungen wird es auch den Austausch von Informationen und Fachwissen zwischen den Entwicklungsländern fördern. Bei diesem Projekt handelt es sich um die jüngste Initiative des UNDP im Rahmen seiner mit über 30 Millionen Dollar dotierten Projekte zur Förderung von Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Das UNDP hat einen Bericht mit dem Titel Energy after Rio: Prospects and Challenges (Der Energiebereich nach Rio: Aussichten und Herausforderungen) veröffentlicht, der sich mit dem Zusammenhang zwischen Energie und Entwicklung befaßt und eine Analyse der bestandfähigen Energiestrategien enthält, die erforderlich sein werden, wenn die Ziele der Agenda 21 erreicht werden sollen.
108. Da heute bereits die Hälfte der Weltbevölkerung in großen oder kleineren Städten lebt, und bis zum Jahr 2025 schätzungsweise zwei Drittel der Weltbevölkerung Stadtbewohner sein werden, hängt die bestandfähige Entwicklung unseres Planeten mehr denn je davon ab, wie gut wir die mit der Verstädterung einhergehenden Probleme verstehen und inwieweit wir in der Lage sind, darauf wirksame Antworten zu finden und diese umzusetzen. Die 1996 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Wohn- und Siedlungswesen (Habitat II) verabschiedete Habitat-Agenda liefert strategische Handlungsanleitungen für diesbezügliche Maßnahmen. Wie darin festgestellt wird, hängt die erfolgreiche Bewältigung der weltweiten Herausforderungen auf dem Gebiet der Umwelt davon ab, wie wirksam die städtischen Probleme gelöst werden.
109. Im Rahmen des Programms für bestandfähige Städte, eines gemeinsamen Unterfangens des Zentrums für Wohn- und Siedlungswesen (Habitat) und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), werden die Stadtplanung und -verwaltung auf städtischer und staatlicher Ebene durch den Aufbau von Kapazitäten und Beziehungsnetzen unterstützt. Dieses Programm, das in über 20 Städten durchgeführt wird, hat eine Reihe von grundsatzpolitischen Leitlinien hervorgebracht, die in vielen Ländern Anwendung finden. Habitat stellt auch das Sekretariat des Urbanen Umweltforums, eines weltweiten Netzwerks von Städten und internationalen Programmen, die sich für die Verbesserung der städtischen Umwelt einsetzen.
110. Eine der wichtigsten Aufgaben der internationalen Gemeinschaft besteht darin, den ärmsten Entwicklungsländern, insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern, beim Aufbau von Kapazitäten behilflich zu sein, die es ihnen ermöglichen, sich wirksamer und zu ihrem größeren Nutzen in die Weltwirtschaft zu integrieren. Schuldenerleichterungen, die Gewährung zusätzlicher Hilfe, bessere Handelsmöglichkeiten und günstigere Austauschverhältnisse sind geboten, wenn dieser Prozeß erleichtert werden soll.
111. Die Entwicklung Afrikas ist nach wie vor eine Angelegenheit von höchstem Vorrang. Ich habe mich im April in einem wichtigen Bericht an den Sicherheitsrat mit den Herausforderungen auseinandergesetzt, die mit der Förderung eines dauerhaften Friedens und einer bestandfähigen Entwicklung in Afrika verbunden sind. Ich forderte darin die führenden Politiker der afrikanischen Länder, die unter periodisch aufflammenden Konflikten und mangelnder Entwicklung leiden, nachdrücklich auf, unter anderem durch eine gute Staatsführung und die Einführung von Wirtschaftsreformen ein günstiges Investitionsklima zu schaffen. Gleichzeitig forderte ich die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, durch die Umwandlung aller verbleibenden bilateralen öffentlichen Schulden der ärmsten Länder in verlorene Zuschüsse das Ihre dazu beizutragen und den hochverschuldeten armen Ländern den Zugang zu multilateralen Einrichtungen zu erleichtern.
112. Die zunehmende Ausgrenzung einiger Länder aus der Weltwirtschaft bereitet den Vereinten Nationen nach wie vor große Sorge. Diese Länder sind in der Regel in hohem Maße von Rohstoffen abhängig. Die immer geringere Bedeutung unbearbeiteter Rohstoffe im Welthandel scheint darauf hinzudeuten, daß sich der seit langem zu beobachtende Preisverfall für unbearbeitete Rohstoffe gegenüber den Preisen von Fertigwaren fortsetzen wird. Gelingt es diesen Ländern nicht, ihre Wirtschaft zu diversifizieren, so müssen sie vermutlich damit rechnen, daß sich ihre relative Position weiter verschlechtert. Die Grundsatzanalysen, die die Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) über Fragen wie Rohstoffdiversifizierung, Risikomanagement und den elektronischen Geschäftsverkehr durchführt, enthalten Vorschläge für neue Möglichkeiten, wie kleine und mittlere Unternehmen in den Entwicklungsländern ihre Teilhabe an den internationalen Märkten diversifizieren können.
113. Der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM) fördert die Partizipation von Frauen im Handels- und Investitionsbereich. So wurden in diesem Jahr Untersuchungen über die Auswirkungen der Handelsliberalisierung auf weibliche Arbeitskräfte in Afrika, Asien und Lateinamerika durchgeführt. Außerdem erhielten Frauen, die zum Verkauf bestimmte Agrarprodukte erzeugen, Unterstützung beim Aufbau von Genossenschaften, wodurch ihnen zueinem höheren Einkommen verholfen und ihre Verhandlungsposition im internationalen Handel gestärkt werden soll.
114. Eine gute Staatsführung ist wohl der wichtigste Einzelfaktor bei den Bemühungen um die Beseitigung der Armut und die Förderung der Entwicklung. Unter einer guten Staatsführung ist die Schaffung gut funktionierender, rechenschaftspflichtiger Institutionen - in der Politik, im Justizwesen und in der Verwaltung - zu verstehen, die von den Bürgern als rechtmäßig angesehen werden, durch die sie an Entscheidungen teilhaben, die ihr Leben beeinflussen, und die ihnen die Selbstbestimmung ermöglichen. Eine gute Staatsführung bedingt auch die Achtung vor den Menschenrechten und die Rechtsstaatlichkeit im allgemeinen. Die Unterstützung einer guten Staatsführung ist zu einem immer wichtigeren Bestandteil der Tätigkeit der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Entwicklung geworden.
115. Im Mittelpunkt der Unterstützung, die das UNDP zur Förderung einer guten Staatsführung gewährt, steht die Stärkung der Parlamente, der Wahlorgane und der rechtsprechenden Gewalt. Das VN-Kinderhilfswerk leistet Unterstützung bei der Überarbeitung innerstaatlicher Rechtsvorschriften im Einklang mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, bei der Ausbildung von Parlamentariern und Polizeibeamten und ganz allgemein bei der Einbeziehung der Rechte des Kindes in die politischen und rechtlichen Strukturen der Staaten.
116. Eine gute Staatsführung ist auch für die Tätigkeit des Büros der Vereinten Nationen für Drogenbekämpfung und Verbrechensverhütung unabdingbar. Wenn die Polizei und die Justiz in den einzelnen Staaten nicht gestärkt wird, kann es keine Welt ohne Drogen und Drogenbarone geben. Auf Feldebene unterstützt das Büro Bemühungen um die Verminderung der Drogennachfrage und der unerlaubten Drogengewinnung und leistet der Polizei und den Gerichten technische Hilfe bei der Bekämpfung des Drogenhandels. So untersuchte beispielsweise der von dem Büro in Bridgetown (Barbados) einberufene Karibische Koordinierungsmechanismus Methoden zur Verstärkung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung in der karibischen Region, wobei es unter anderem um die maritime Zusammenarbeit, die Harmonisierung von Rechtsvorschriften und die Ausarbeitung wirksamer Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche ging.
117. Die Unterstützung einer guten Staatsführung, insbesondere durch die Stärkung des einzelstaatlichen Justizwesens und des grundsatzpolitischen Rahmens, ist auch für die Förderung der reproduktiven Gesundheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter unverzichtbar. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen leistete den Regierungen daher im Berichtsjahr entsprechende Hilfe und finanzierte Workshops und Lobbytätigkeiten zur Förderung dieser Ziele.
118. Der Beitrag des Welternährungsprogramms (WFP) zu einer guten Staatsführung hebt schwerpunktmäßig auf den Aufbau von Kapazitäten auf Gemeinwesenebene ab, wobei es vor allem darum geht, armen und von Krisen betroffenen Haushalten besseren Zugang zu Nahrungsmitteln zu verschaffen. Dazu muß in erster Linie durchgesetzt werden, daß das Recht auf Nahrung als ein grundlegendes Menschenrecht angesehen wird, dessen Verwirklichung wiederum eng mit der Machtgleichstellung der Frau zusammenhängt.
119. Die Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten hat der Sammlung und Verbreitung grundlegender Daten über Staatsführung und öffentliche Verwaltung Vorrang eingeräumt, damit sie den Mitgliedstaaten bei der Politikformulierung und der Erarbeitung langfristiger Strategien behilflich sein kann. Darüber hinaus hat die Hauptabteilung den Austausch von Informationen über Praktiken und Politiken auf dem Gebiet der Reform des öffentlichen Sektors gefördert.
120. Glaubwürdige Wahlen sind das Kernstück einer guten Staatsführung und des Demokratisierungsprozesses. Im Laufe des vergangenen Jahres haben die Vereinten Nationen wieder Wahlhilfe geleistet und Hilfestellung bei der Stärkung der einzelstaatlichen Institutionen im Hinblick auf eine bessere Abwicklung des Wahlvorgangs gewährt. Seit August 1997 gingen bei den Vereinten Nationen von Armenien, Äquatorialguinea, der ehemaligen jugoslawischen Republik Makedonien, El Salvador, Guinea, Guyana, Honduras, Kamerun, Lesotho, Mauritius, Nicaragua, Swasiland, Togo und der Zentralafrikanischen Republik Anträge auf lang- oder kurzfristige Wahlhilfe ein. Die Vereinten Nationen waren auch bei der Koordinierung und Unterstützung der internationalen Beobachtung der am 26. Juli 1998 in Kambodscha abgehaltenen Wahlen zur Nationalversammlung behilflich.
121. Es wird immer schwieriger, unserer Verpflichtung zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, insbesondere in denjenigen Ländern nachzukommen, in denen die Bedürfnisse am größten sind. Unsere Agenda wird immer umfangreicher, unsere Mittel hingegen werden immer knapper. Die wirksame Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilen des großen Verbandes der Organisationen der Vereinten Nationen ist ein zwingendes Gebot, das wir entschlossen weiterverfolgen werden. Unsere Ziele können wir jedoch nur mit energischer Unterstützung seitens der Mitgliedstaaten erreichen.