Bericht der Vierten Weltfrauenkonferenz



Kapitel III

HAUPTPROBLEMBEREICHE

41. Die Förderung der Frau und die Herbeiführung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind eine Frage der Menschenrechte und eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und dürfen nicht isoliert als eine reine Frauenfrage gesehen werden. Nur auf diesem Weg ist der Aufbau einer bestandfähigen, gerechten und entwickelten Gesellschaft möglich. Die Machtgleichstellung der Frau und die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind Grundvoraussetzungen für die Herbeiführung politischer, sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und ökologischer Sicherheit unter allen Völkern.

42. Die meisten der in den Zukunftsstrategien von Nairobi zur Förderung der Frau gesetzten Ziele sind nicht erreicht worden. Trotz Bemühungen der Regierungen sowie nichtstaatlicher Organisationen und von Frauen und Männern in der ganzen Welt stehen der Machtgleichstellung der Frau nach wie vor Hindernisse entgegen. In vielen Teilen der Welt herrschen noch immer schwere politische, wirtschaftliche und ökologische Krisen. Dazu zählen Angriffskriege, bewaffnete Konflikte, Kolonialherrschaft und andere Formen der Fremdherrschaft oder ausländischen Besetzung, Bürgerkriege und Terrorismus. Diese Situationen, gepaart mit systematischer oder De-facto-Diskriminierung, Verstößen gegen die Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Frauen sowie gegen ihre bürgerlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte, einschließlich des Rechts auf Entwicklung, und mit mangelndem Schutz aller dieser Rechte und Freiheiten und tief verwurzelten Vorurteilen gegenüber Frauen und Mädchen sind nur einige der Hindernisse, die seit der Weltkonferenz von 1985 zur Überprüfung und Bewertung der Ergebnisse der Frauendekade der Vereinten Nationen für Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden aufgetreten sind.

43. Bei einer Bilanz der seit der Konferenz von Nairobi erzielten Fortschritte stechen einzelne Problembereiche besonders hervor - Bereiche, in denen offenkundig vorrangige Maßnahmen erforderlich sind. Alle Akteure sollten ihre Maßnahmen und Ressourcen auf die strategischen Ziele in den Hauptproblembereichen konzentrieren, die zwangsläufig miteinander verknüpft und voneinander abhängig sind und hohe Priorität besitzen. Es ist notwendig, daß diese Akteure für alle Problembereiche Mechanismen zur Rechenschaftslegung ausarbeiten und zur Anwendung bringen.

44. Zu diesem Zweck sind die Regierungen, die internationale Gemeinschaft und die bürgerliche Gesellschaft, einschließlich der nichtstaatlichen Organisationen und des Privatsektors, aufgerufen, in den folgenden Hauptproblembereichen strategische Maßnahmen zu ergreifen:




Kapitel IV

STRATEGISCHE ZIELE UND MASSNAHMEN

45. In jedem Hauptproblembereich wird zunächst eine Problemdiagnose vorgenommen, daran anschließend werden strategische Ziele vorgeschlagen und die konkreten Maßnahmen genannt, die von den verschiedenen Akteuren zur Verwirklichung dieser Ziele zu ergreifen sind. Die strategischen Ziele ergeben sich aus den Hauptproblembereichen. Die im Hinblick auf die Verwirklichung dieser Ziele zu treffenden konkreten Maßnahmen übergreifen die Kategorien Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden - die Ziele der Zukunftsstrategie von Nairobi zur Förderung der Frau - und bringen so deren wechselseitige Abhängigkeit zum Ausdruck. Die Ziele und Maßnahmen sind miteinander verknüpft, haben hohe Priorität und verstärken einander gegenseitig. Die Aktionsplattform soll die Situation ausnahmslos aller Frauen verbessern, die sich oft ähnlichen Barrieren gegenübersehen, wobei den am stärksten benachteiligten Gruppen besondere Beachtung zu schenken ist.

46. In der Aktionsplattform wird anerkannt, daß Frauen aufgrund von Faktoren wie Rasse, Alter, Sprache, ethnische Herkunft, Kultur, Religion oder Behinderung, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur autochthonen Bevölkerung oder wegen ihres sonstigen Standes mit Hindernissen in bezug auf ihre volle Gleichberechtigung und Förderung konfrontiert sind. Viele Frauen sehen sich spezifischen Hindernissen gegenüber, die mit ihrem Familienstand zusammenhängen, insbesondere als Alleinerziehende, beziehungsweise mit ihrem sozioökonomischen Status, namentlich mit ihren Lebensbedingungen in ländlichen, entlegenen oder verarmten Gebieten. Zusätzliche Barrieren bestehen auch für weibliche Flüchtlinge und andere Vertriebene, so auch im eigenen Land vertriebene Frauen sowie Immigrantinnen und Migrantinnen, insbesondere Wanderarbeiterinnen. Viele Frauen sind auch von Umweltkatastrophen, schweren und ansteckenden Krankheiten und verschiedenen Formen der Gewalt gegen Frauen besonders schwer betroffen.

A. Frauen und Armut

47. Über eine Milliarde Menschen in der Welt, die große Mehrzahl davon Frauen, leben heute in untragbaren Armutsverhältnissen, zumeist in den Entwicklungsländern. Armut hat verschiedene Ursachen, darunter auch strukturelle. Armut ist ein komplexes, mehrdimensionales Problem, dessen Ursprünge im einzelstaatlichen wie auch im internationalen Bereich zu suchen sind. Die Globalisierung der Weltwirtschaft und die immer größere Interdependenz der Nationen stellen Herausforderungen und Chancen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung dar, bergen jedoch auch Risiken und Unsicherheiten für die Zukunft der Weltwirtschaft in sich. Das ungewisse weltwirtschaftliche Klima wird von wirtschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen begleitet und geht in einer Reihe von Ländern mit einer anhaltend hohen, nicht in den Griff zu bekommenden Auslandsverschuldung und mit Strukturanpassungsprogrammen einher. Darüber hinaus haben Konflikte aller Art, die Vertreibung von Menschen und die Verschlechterung der Umwelt die Fähigkeit der Regierungen untergraben, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken. Veränderungen in der Weltwirtschaft ziehen einschneidende Veränderungen nach sich, was die Parameter der sozialen Entwicklung in allen Ländern angeht. Eine bedeutsame Entwicklung ist die wachsende Armut von Frauen, deren Ausmaß von Region zu Region verschieden ist. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verteilung wirtschaftlicher Macht sind ein weiterer wichtiger Faktor, der zur Armut der Frauen beiträgt. Wanderungsbewegungen und die sich daraus ergebenden Folgen für die Familienstrukturen haben den Frauen, insbesondere wenn sie für mehrere Abhängige aufkommen müssen, zusätzliche Lasten aufgebürdet. Makroökonomische Politiken müssen neu überdacht und unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen überarbeitet werden. Diese Politiken konzentrieren sich fast ausschließlich auf den formellen Sektor. Sie neigen außerdem dazu, die Initiativen von Frauen zu behindern und unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer nicht zu berücksichtigen. Für die Durchführung von Strategien zur Armutsverminderung bedarf es daher einer geschlechtsdifferenzierten Analyse eines breiten Spektrums von Politiken und Maßnahmen. Wenn die Armut beseitigt und eine bestandfähige Entwicklung herbeigeführt werden soll, müssen Frauen und Männer uneingeschränkt und gleichberechtigt an der Ausarbeitung von makroökonomischen und sozialen Politiken und Strategien zur Armutsminderung mitwirken. Armut läßt sich nicht allein durch Programme zur Armutsbekämpfung beseitigen. Es gilt vielmehr, demokratische Teilhabe und einen Wandel in den wirtschaftlichen Strukturen herbeizuführen, um sicherzustellen, daß alle Frauen Zugang zu Ressourcen, Chancen und öffentlichen Dienstleistungen haben. Armut hat vielfältige Erscheinungsformen. Dazu gehören das Fehlen von ausreichendem Einkommen und ausreichenden Produktivressourcen, um auf die Dauer den Lebensunterhalt bestreiten zu können; Hunger und Mangelernährung; schlechter Gesundheitszustand; begrenzter oder mangelnder Zugang zu Bildung und anderen Grunddiensten; erhöhte Morbidität und Mortalität aufgrund von Krankheiten; Obdachlosigkeit und menschenunwürdiges Wohnen; eine unsichere Umwelt und soziale Diskriminierung und Ausgrenzung. Ein weiteres Merkmal ist die mangelnde Beteiligung an Entscheidungsprozessen und am bürgerlichen, sozialen und kulturellen Leben. Armut tritt in allen Ländern auf - als Massenarmut in vielen Entwicklungsländern und in Form vereinzelter Armutsherde inmitten des Wohlstands in den entwickelten Ländern. Armut kann durch eine Wirtschaftsrezession hervorgerufen werden, die zum Verlust der Existenzgrundlage führt, oder durch Katastrophen oder Konflikte. Außerdem zu nennen sind die Armut von Arbeitern mit niedrigen Löhnen und das absolute Elend von Menschen, die keinerlei Unterstützung durch die Familie, soziale Einrichtungen und soziale Netze erhalten.

48. In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der in Armut lebenden Frauen, insbesondere in den Entwicklungsländern, im Vergleich zu der entsprechenden Anzahl der Männer überproportional zugenommen. Diese Feminisierung der Armut ist seit kurzem auch in den Umbruchländern als kurzfristige Folge des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformationsprozesses zu einem erheblichen Problem geworden. Neben wirtschaftlichen Faktoren sind auch die Starrheit der gesellschaftlich determinierten Geschlechtsrollen und der begrenzte Zugang der Frauen zu Macht, Bildung, Ausbildung und Produktivressourcen und andere neu hinzukommende Faktoren, die für Familien zu Unsicherheit führen können, für Armut verantwortlich. Ein weiterer bestimmender Faktor ist der Umstand, daß nicht regelmäßig in alle Wirtschaftsanalysen und -pläne eine geschlechtsbezogene Perspektive einbezogen wird und die strukturellen Ursachen der Armut nicht angegangen werden.

49. Durch bezahlte und unbezahlte Arbeit zu Hause, in der Gemeinschaft und am Arbeitsplatz leistet die Frau einen Beitrag zur Wirtschaft und zur Bekämpfung der Armut. Die Machtgleichstellung der Frau ist ein ausschlaggebender Faktor für die Armutsbeseitigung.

50. Obwohl sich Armut auf die Haushalte als Ganzes auswirkt, tragen Frauen aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Verantwortlichkeit für das Wohl des Haushalts eine ungleich höhere Last, insofern sie versuchen, unter Bedingungen zunehmender Knappheit Konsum und Produktion des Haushalts miteinander zu vereinbaren. Besonders akut ist das Armutsproblem für Frauen in ländlichen Haushalten.

51. Die Armut von Frauen hängt unmittelbar mit dem Fehlen wirtschaftlicher Chancen und wirtschaftlicher Selbständigkeit, dem mangelnden Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, einschließlich Darlehen, Grundbesitz und Erbschaften sowie zu Bildung und Unterstützungsdiensten und mit ihrer minimalen Beteiligung an den Entscheidungsprozessen zusammen. Armut kann Frauen auch in Situationen treiben, in denen sie leicht Opfer sexueller Ausbeutung werden.

52. In allzu vielen Ländern tragen die Systeme der sozialen Fürsorge den spezifischen Verhältnissen armer Frauen nicht genügend Rechnung, und die Tendenz geht dahin, die im Rahmen dieser Systeme geleisteten Dienste abzubauen. Das Risiko, unter die Armutsgrenze zu fallen, ist bei Frauen größer als bei Männern, insbesondere im Alter und in denjenigen Ländern, in denen die Sozialversicherungssysteme auf dem Grundsatz ununterbrochener Erwerbstätigkeit beruhen. In einigen Fällen erfüllen Frauen diese Voraussetzung nicht, da ihre Erwerbstätigkeit Unterbrechungen aufweist, die durch die unausgewogene Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit entstanden sind. Darüber hinaus ist es für ältere Frauen oft schwieriger, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.

53. In vielen entwickelten Ländern, in denen Frauen und Männer über einen vergleichbaren allgemeinen und beruflichen Bildungsstand verfügen und in denen es Mechanismen zum Schutz gegen Diskriminierung gibt, hat die Frauenarbeitslosigkeit beziehungsweise die Unsicherheit des Arbeitsplatzes von Frauen in einigen Sektoren infolge der im letzten Jahrzehnt eingetretenen wirtschaftlichen Veränderungen drastisch zugenommen. Als Folge davon ist der Frauenanteil unter den Armen gestiegen. In Ländern, in denen ein großer Prozentsatz der Mädchen die Schule besucht, gehören diejenigen, die am frühesten ohne Abschluß von der Schule abgehen, zu den schwächsten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt.

54. In den im Umbruch befindlichen Ländern und in anderen Ländern, die derzeit eine grundlegende politische, wirtschaftliche und soziale Transformation durchmachen, haben diese Veränderungen oft zu einer Verringerung oder zum völligen Wegfall des Einkommens der Frau geführt.

55. Vor allem in den Entwicklungsländern soll die produktive Kapazität der Frauen durch Zugang zu Kapital, Ressourcen, Darlehen, Grund und Boden, Technologie, Information, technischer Hilfe und Ausbildung erhöht werden, damit sie ein höheres Einkommen verdienen und eine bessere Ernährung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Stellung innerhalb der Familie genießen können. Die Freisetzung des produktiven Potentials der Frau ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß der Teufelskreis der Armut durchbrochen wird und Frauen an den Vorteilen der Entwicklung und den Früchten ihrer eigenen Arbeit voll teilhaben können.

56. Eine bestandfähige Entwicklung und ein sowohl nachhaltiges als auch bestandfähiges Wirtschaftswachstum sind nur dann möglich, wenn sich die wirtschaftliche, soziale, politische, rechtliche und kulturelle Stellung der Frau bessert. Eine ausgewogene soziale Entwicklung, die der Befähigung der Armen, insbesondere der Frauen, zur nachhaltigen Nutzung der Umweltressourcen Rechnung trägt, ist ein notwendiges Fundament einer bestandfähigen Entwicklung.

57. Um den Erfolg von Politiken und Maßnahmen zur Unterstützung beziehungsweise Stärkung der Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter und zur Verbesserung der Stellung der Frau zu gewährleisten, sollten in die allgemeine Politik in allen gesellschaftlichen Bereichen eine geschlechtsbezogene Perspektive einbezogen und mit angemessener institutioneller und finanzieller Unterstützung positive Maßnahmen auf allen Ebenen ergriffen werden.

Strategisches Ziel A.1.

Überprüfung, Verabschiedung und Durchführung makroökonomischer Politiken und Entwicklungsstrategien, welche die Bedürfnisse und Eigenanstrengungen von in Armut lebenden Frauen berücksichtigen

Zu ergreifende Maßnahmen

58. Seitens der Regierungen:

a) Überprüfung und Modifizierung makroökonomischer und sozialer Politiken unter voller und gleichberechtigter Mitwirkung der Frau, damit die Ziele der Aktionsplattform erreicht werden;

b) geschlechtsdifferenzierte Analyse von Politiken und Programmen, insbesondere soweit sie die makroökonomische Stabilität, die Strukturanpassung, Probleme der Auslandsverschuldung, die Besteuerung, Investitionen, die Erwerbstätigkeit, die Märkte und alle wichtigen Wirtschaftssektoren betreffen, unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkungen auf Armut, Ungleichheit und insbesondere die Frauen; Bewertung ihrer Auswirkungen auf das Wohl und die Lebensbedingungen von Familien und gegebenenfalls Anpassung der Politiken und Programme, um eine gleichmäßigere Verteilung des Produktivvermögens, des Wohlstands, der Chancen, der Einkommen und der Dienstleistungen zu fördern;

c) Verfolgung und Umsetzung solider und stabiler makroökonomischer und sektoraler Politiken, die im Rahmen der Gesamtstrategie zur Herbeiführung einer auf den Menschen ausgerichteten bestandfähigen Entwicklung unter voller und gleichberechtigter Mitwirkung der Frau aufgestellt und überwacht werden, ein breit angelegtes nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern, die strukturellen Ursachen der Armut angehen und auf die Beseitigung der Armut und die Verminderung geschlechtsbedingter Disparitäten ausgerichtet sind;

d) Umschichtung und gezielte Zuweisung von Mitteln der öffentlichen Hand zur Förderung der wirtschaftlichen Chancen der Frau und ihres gleichberechtigten Zugangs zu den Produktivressourcen sowie zur Deckung der Grundbedürfnisse der Frauen, insbesondere der in Armut lebenden Frauen, auf sozialem Gebiet sowie auf dem Gebiet der Bildung und Gesundheit;

e) durch Bereitstellung der notwendigen finanziellen, technischen oder personellen Ressourcen Ausbau des Agrar- und Fischereisektors, wo und soweit erforderlich, um je nach Bedarf die Ernährungssicherheit der Haushalte beziehungsweise des Landes sowie die Eigenständigkeit im Ernährungsbereich sicherzustellen;

f) Ausarbeitung von Politiken und Programmen zur Förderung einer gleichmäßigen Nahrungsmittelverteilung im Haushalt;

g) Bereitstellung angemessener Sicherheitsnetze und Stärkung der staatlichen und kommunalen Unterstützungseinrichtungen als fester Bestandteil der Sozialpolitik, damit sich arme Frauen in einem ungünstigen Wirtschaftsumfeld behaupten und sich ihren Lebensunterhalt, ihr Vermögen und ihr Einkommen in Krisenzeiten erhalten können;

h) Ausarbeitung von Wirtschaftspolitiken, die sich positiv auf die Erwerbstätigkeit und das Einkommen von Arbeitnehmerinnen im formellen wie auch im informellen Sektor auswirken, und Ergreifung gezielter Maßnahmen zur Behebung der Frauenarbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit;

i) Ausarbeitung und Durchführung, soweit erforderlich, von gezielten Politiken auf wirtschaftlichem, sozialem und landwirtschaftlichem Gebiet und in damit zusammenhängenden Bereichen zur Unterstützung von Haushalten, denen Frauen vorstehen;

j) Ausarbeitung und Durchführung von Programmen zur Armutsbekämpfung, einschließlich Beschäftigungsprogrammen, durch die der Zugang armer Frauen zu Nahrungsmitteln verbessert wird, so auch mit Hilfe geeigneter Preisbildungs- und Verteilungsmechanismen;

k) Gewährleistung der vollen Verwirklichung der Menschenrechte durch alle Migrantinnen, namentlich Wanderarbeitnehmerinnen, und ihres Schutzes vor Gewalt und Ausbeutung; Einführung von Maßnahmen zur Emanzipation legaler Migrantinnen, einschließlich Wanderarbeitnehmerinnen; Erleichterung der produktiven Erwerbstätigkeit von legalen Migrantinnen durch eine umfassendere Anerkennung ihrer Fähigkeiten und der ausländischen Bildungsgänge und Zeugnisse sowie Erleichterung ihrer vollen Integration in den Arbeitsmarkt;

l) Einführung von Maßnahmen zur Eingliederung beziehungsweise Wiedereingliederung armer und sozial marginalisierter Frauen in das Erwerbsleben und in die allgemeine Wirtschaft; Gewährleistung des uneingeschränkten Zugangs von binnenvertriebenen Frauen zu wirtschaftlichen Chancen und Gewährleistung der Anerkennung beruflicher Qualifikationen und Fähigkeiten von Immigrantinnen und weiblichen Flüchtlingen;

m) Unterstützung von Frauen bei der Beschaffung von erschwinglichem Wohnraum und beim Zugang zu Grund und Boden, indem unter anderem alle diesbezüglichen Hindernisse beseitigt werden, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Frauen, insbesondere der in Armut lebenden Frauen und weiblichen Haushaltsvorstände;

n) Ausarbeitung und Durchführung von Politiken und Programmen, die den Erzeugerinnen von Agrar- und Fischereiprodukten (einschließlich Subsistenzbäuerinnen und -erzeugerinnen, insbesondere in ländlichen Gebieten) größeren Zugang zu finanziellen, technischen, Beratungs- und Vermarktungsdiensten geben; Gewährleistung des Zugangs zu und der Verfügungsgewalt über Grund und Boden, geeignete Infrastruktureinrichtungen und Technologie mit dem Ziel, Frauen ein höheres Einkommen zu verschaffen und die Nahrungsmittelsicherheit der Haushalte, insbesondere in ländlichen Gebieten, zu fördern, und gegebenenfalls Förderung des Aufbaus von marktorientierten Genossenschaften im Eigentum der Erzeugerinnen;

o) soweit noch nicht vorhanden, Schaffung von Systemen der sozialen Sicherheit beziehungsweise Überprüfung der bereits vorhandenen Systeme mit dem Ziel, Frau und Mann in jeder Phase ihres Lebens gleichzustellen;

p) Gewährleistung des Zugangs zu kostenloser oder kostengünstiger Rechtsberatung, einschließlich der Vermittlung von rechtlichem Grundwissen, insbesondere ausgerichtet auf in Armut lebende Frauen;

q) Einleitung besonderer Maßnahmen zur Förderung und Stärkung von Politiken und Programmen zugunsten autochthoner Frauen, mit deren voller Mitwirkung und unter voller Achtung ihrer kulturellen Vielfalt, damit sie im Entwicklungsprozeß Chancen und Wahlmöglichkeiten haben, um sich aus der Armut zu befreien.

59. Seitens der multilateralen Finanz- und Entwicklungsinstitutionen, namentlich der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und regionaler Entwicklungsinstitutionen, sowie im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit:

a) im Einklang mit den auf dem Weltgipfel für soziale Entwicklung eingegangenen Verpflichtungen Bemühungen zur Mobilisierung von ausreichenden und berechenbaren neuen und zusätzlichen Finanzmitteln, die in einer Weise beschafft werden, daß möglichst umfangreiche derartige Mittel zur Verfügung stehen und daß alle verfügbaren Finanzierungsquellen und -mechanismen herangezogen werden, mit dem Ziel, zur Armutsbeseitigung beizutragen und arme Frauen besonders zu begünstigen;

b) Stärkung der analytischen Kapazität im Hinblick auf eine systematischere und stärkere Berücksichtigung geschlechtsbezogener Gesichtspunkte und deren Einbeziehung in die Aufstellung und Durchführung von Darlehensprogrammen sowie von Strukturanpassungs- und wirtschaftlichen Sanierungsprogrammen;

c) Suche nach wirksamen entwicklungsorientierten und dauerhaften Lösungen für Auslandsverschuldungsprobleme mit dem Ziel, den Ländern dabei behilflich zu sein, entwicklungs- und namentlich frauenfördernde Programme und Projekte zu finanzieren, unter anderem durch die sofortige Umsetzung der im Dezember 1994 im Pariser Klub vereinbarten Bedingungen für den Schuldennachlaß, die sich auch auf die Schuldenreduzierung erstrecken, so auch auf den Schuldenerlaß oder andere Maßnahmen zur Schuldenerleichterung, und Ausarbeitung von Verfahren zur Schuldenumwandlung im Hinblick auf deren Anwendung bei sozialen Entwicklungsprogrammen und -projekten, die mit den Prioritäten der Aktionsplattform im Einklang stehen;

d) Herantreten an die internationalen Finanzinstitutionen mit der Bitte um Prüfung innovativer Vorgehensweisen, um Ländern mit niedrigem Einkommen und einem hohen Anteil an multilateralen Schulden bei der Milderung ihrer Schuldenbelastung behilflich zu sein;

e) Sicherstellung dessen, daß Strukturanpassungsprogramme so gestaltet sind, daß die nachteiligen Auswirkungen auf schwache und benachteiligte Gruppen und Gemeinwesen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben und gleichzeitig ihre positiven Auswirkungen auf diese Gruppen und Gemeinwesen sichergestellt sind, indem deren Marginalisierung bei wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten verhindert wird und Maßnahmen ausgearbeitet werden, die gewährleisten, daß diese Gruppen und Gemeinwesen Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen und wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten sowie die Kontrolle darüber erhalten; Ergreifung von Maßnahmen zur Verringerung von Ungleichheit und wirtschaftlichen Disparitäten;

f) Überprüfung der Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen auf die soziale Entwicklung mit Hilfe von Sozialverträglichkeitsprüfungen unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Auswirkungen und mittels anderer zweckdienlicher Methoden, mit dem Ziel, Politiken auszuarbeiten, die die nachteiligen Auswirkungen dieser Programme verringern und ihre positive Wirkung verstärken, und so sicherzustellen, daß die Frauen nicht einen unverhältnismäßig hohen Teil der durch den Übergang bedingten Kosten tragen müssen; Ergänzung von Strukturanpassungskrediten durch verbesserte, gezielte Kredite zugunsten der sozialen Entwicklung;

g) Schaffung eines förderlichen Umfelds, das es Frauen gestattet, sich eine dauerhafte Existenzgrundlage zu verschaffen und zu erhalten.

60. Seitens nationaler und internationaler nichtstaatlicher Organisationen und Frauengruppen:

a) Mobilisierung aller am Entwicklungsprozeß Beteiligten, einschließlich der wissenschaftlichen Institutionen, der nichtstaatlichen Organisationen sowie der Basis- und Frauengruppen, zur Steigerung der Wirksamkeit von Armutsbekämpfungsprogrammen, deren Zielgruppe die ärmsten und am stärksten benachteiligten Frauen sind, wie beispielsweise Frauen in ländlichen Gebieten und autochthone Frauen, weibliche Haushaltsvorstände, junge und ältere Frauen, Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen sowie behinderte Frauen, wobei einzuräumen ist, daß die soziale Entwicklung in erster Linie Aufgabe der Regierungen ist;

b) Lobbyarbeit und gegebenenfalls Schaffung von Überwachungsmechanismen und Entfaltung von sonstigen zweckdienlichen Aktivitäten, um sicherzustellen, daß die in der Aktionsplattform enthaltenen Empfehlungen zur Armutsbeseitigung verwirklicht werden, die darauf gerichtet sind, Rechenschaftspflicht und Transparenz seitens des staatlichen und des privaten Sektors zu gewährleisten;

c) Einbeziehung von Frauen mit unterschiedlichen Bedürfnissen in ihre Tätigkeiten und Würdigung der Tatsache, daß Jugendorganisationen zunehmend wirksame Partner bei Entwicklungsprogrammen werden;

d) im Verein mit der Regierung und dem Privatsektor Mitwirkung an der Ausarbeitung einer umfassenden nationalen Strategie zur Verbesserung des Gesundheitswesens, des Bildungswesens und der sozialen Dienste, damit in Armut lebende Mädchen und Frauen jeden Alters vollen Zugang zu diesen Diensten haben; Bemühungen um die Beschaffung von Finanzmitteln, um den Zugang von Frauen und Männern zu diesen Diensten zu sichern und dafür Sorge zu tragen, daß ihren Bedürfnissen dabei gleichermaßen Rechnung getragen wird, und um diese Dienste auf ländliche und entlegene Gebiete auszudehnen, die von den staatlichen Institutionen nicht erfaßt werden;

e) im Verein mit den Regierungen, Arbeitgebern, anderen Sozialpartnern und in Betracht kommenden Stellen Beitrag zur Ausarbeitung von Bildungs-, Ausbildungs- und Umschulungspolitiken, um sicherzustellen, daß sich Frauen ein breites Spektrum an Qualifikationen aneignen können, damit sie neuen Anforderungen gewachsen sind;

f) Anstrengungen zum Schutz des Rechts von Frauen auf uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, unter Einschluß des Rechts zu erben und des Rechts, Grund und Boden und sonstige Vermögenswerte zu besitzen, sowie des Rechts auf die Inanspruchnahme von Darlehen, natürlichen Ressourcen und geeigneten Technologien.

Strategisches Ziel A.2.

Novellierung von Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken mit dem Ziel, der Frau die gleichen Rechte in bezug auf Wirtschaftsressourcen und gleichberechtigten Zugang dazu zu gewährleisten

Zu ergreifende Maßnahmen

61. Seitens der Regierungen:

a) Gewährleistung des Zugangs zu kostenloser oder kostengünstiger Rechtsberatung, einschließlich der Vermittlung von rechtlichem Grundwissen, insbesondere ausgerichtet auf in Armut lebende Frauen;

b) Durchführung von Gesetzes- und Verwaltungsreformen, um Frauen uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen zu verschaffen, unter Einschluß des Rechts zu erben und des Rechts, Grund und Boden und sonstige Vermögenswerte zu besitzen, sowie des Rechts auf die Inanspruchnahme von Darlehen, natürlichen Ressourcen und geeigneten Technologien;

c) im Rahmen ihrer Bemühungen zur Förderung und zum Schutz der Rechte autochthoner Bevölkerungsgruppen Erwägung der Ratifikation des Übereinkommens Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO).

Strategisches Ziel A.3.

Zugang der Frauen zu Spar- und Kreditmechanismen und -institutionen

Zu ergreifende Maßnahmen

62. Seitens der Regierungen:

a) Verbesserung des Zugangs benachteiligter Frauen, so auch von Unternehmerinnen in ländlichen, entlegenen und städtischen Gebieten, zu Finanzdiensten durch die stärkere Vernetzung des formellen Bankensystems mit intermediären Kreditorganisationen, so auch durch Unterstützung seitens des Gesetzgebers, Ausbildung von Frauen und die institutionelle Stärkung der intermediären Institutionen, mit dem Ziel, Kapital für diese Institute zu mobilisieren und die Verfügbarkeit von Darlehen zu verbessern;

b) Förderung der Vernetzung von Finanzinstituten und nichtstaatlichen Organisationen und Unterstützung innovativer Praktiken der Kreditvergabe, so auch solcher, die die Vergabe von Krediten mit Diensten und Ausbildung für Frauen verbinden und Frauen in ländlichen Gebieten Kreditmöglichkeiten eröffnen.

63. Seitens der Handelsbanken, der spezialisierten Finanzinstitutionen und des Privatsektors im Zuge der Prüfung ihrer Politik:

a) Anwendung von wirksamen und innovativen Kredit- und Sparmethoden, mit denen in Armut lebende Frauen tatsächlich erreicht, die Transaktionskosten verringert und Darlehensrisiken neu definiert werden;

b) Eröffnung eigener Kreditschalter für Frauen, insbesondere junge Frauen, die nicht die Möglichkeit herkömmlicher Sicherheitsleistung haben;

c) Vereinfachung der Geschäftsgepflogenheiten der Banken, beispielsweise durch die Verringerung der Mindesteinlage und anderer Voraussetzungen für eine Kontoeröffnung;

d) Gewährleistung der Mitwirkung von Kundinnen an den Entscheidungsprozessen von Kredit- und Finanzinstitutionen und, soweit möglich, ihres Miteigentums an solchen Institutionen.

64. Seitens multilateraler und bilateraler Organisationen auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit:

Unterstützung von Finanzinstitutionen, die von Niedrigeinkommens-, Klein- und Kleinstunternehmerinnen und -produzentinnen im formellen wie auch informellen Sektor in Anspruch genommen werden, durch die Bereitstellung von Kapital und/oder Ressourcen.

65. Seitens der Regierungen beziehungsweise der multilateralen Finanzinstitutionen:

Unterstützung von Institutionen, die eine große Anzahl von Frauen und Männern mit niedrigem Einkommen effektiv erreichen, durch Kapitalisierung, Refinanzierung und institutionelle Entwicklungsunterstützung in einer Form, die Eigenständigkeit fördert.

66. Seitens der internationalen Organisationen:

Bereitstellung von mehr Mitteln für Programme und Projekte zur Förderung von bestandfähigen und produktiven unternehmerischen Tätigkeiten mit dem Ziel der Einkommenserwirtschaftung durch benachteiligte und in Armut lebende Frauen.

Strategisches Ziel A.4.

Ausarbeitung geschlechtsbezogener Methoden und Durchführung von Forschungsarbeiten zur Auseinandersetzung mit der Feminisierung der Armut

Zu ergreifende Maßnahmen:

67. Seitens der Regierungen, zwischenstaatlichen Organisationen, akademischen und Forschungsinstitutionen und des Privatsektors:

a) Ausarbeitung konzeptioneller und praktischer Methoden zur Eingliederung geschlechtsbezogener Perspektiven in alle Aspekte der Gestaltung der Wirtschaftspolitik, so auch in die Planung von Strukturanpassungen und in Strukturanpassungsprogramme;

b) Anwendung dieser Methoden bei der Durchführung von Analysen über die geschlechtsspezifischen Auswirkungen aller Politiken und Programme, so auch von Strukturanpassungsprogrammen, und Verbreitung der Forschungsergebnisse.

68. Seitens nationaler und internationaler Statistikorganisationen:

a) Sammlung von nach Geschlecht und Alter aufgeschlüsselten Daten über Armut und alle Aspekte der Wirtschaftstätigkeit sowie Ausarbeitung von qualitativen und quantitativen statistischen Indikatoren, um eine Bewertung der Wirtschaftsleistung aus einer geschlechtsbezogenen Perspektive zu erleichtern;

b) Konzipierung geeigneter statistischer Mittel, die es gestatten, die Arbeit der Frau in ihrer Gesamtheit sowie ihren Gesamtbeitrag zur Volkswirtschaft, einschließlich ihres Beitrags im unbezahlten und häuslichen Bereich, zu erfassen und sichtbar zu machen, und Untersuchung des Zusammenhangs zwischen unbezahlter Arbeit und der Armutshäufigkeit und Armutsanfälligkeit bei Frauen.

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